Damian Duchamps' Blog

QR Codes – Pimp those boring textbooks!

Posted in Creative, Medienwelt, Tools by damianduchamps on Mai 5, 2016

Langweilig und schon bei Drucklegung veraltet

Vermutlich bin ich nicht der einzige, der die Schulbücher, mit denen er im Alltag zu tun hat, unausstehlich langweilig findet. In meinem Fall ist dieses das Englischlehrwerk, welches mittlerweile in die Jahre gekommen ist. Der Band für die Klasse 8 wurde 2007 auf den Markt gebracht und war sicherlich mindestens ein Jahr, wenn nicht länger, in Vorbereitung. Entsprechend veraltet sind die Inhalte. Die jungen Menschen aus den USA und Kanada, die dort vorgestellt werden, nutzen noch keine Smartphones, kennen kein WhatsApp oder SnapChat, schreiben dafür aber E-Mails und man sieht sie, wenn überhaupt im Zusammenhang mit Computern, vor uralten Modellen sitzen. Die vorgestellten Schauspieler, Sportstars, Musiker und Bands sagen den Schülern von heute kaum noch etwas. Internet Berühmtheiten – Fehlanzeige. Und selbst die Fotos, die eigentlich relativ überdauernde Landschaften, Gebäude, Personen und ähnlich zeigen sollen, um den Schülern einen Eindruck zu geben, wie es in diesen Ländern aussieht, sehen aus als wären sie aus dem Fotoalbum meiner Großeltern entnommen. Auch von der Struktur her insgesamt kann mich dieses Lehrwerk nicht vom Hocker reißen. Die angesprochenen Inhalte mit Bezugspunkten zur Lebenswelt der Schüler sind letztlich nur Vehikel, um neues Vokabular und Grammatik zu transportieren. Einzelne Units mit Projekten sollen das Buch in seiner Eintönigkeit auflockern.

Wenn ich mein Englischbuch aufschlage, dann fällt es mir extrem schwer, den Schülern gegenüber begeistert, motiviert und inspiriert zu wirken. Und wie muss dieses Buch erst auf meine Schüler selbst wirken, die täglich im Internet unterwegs sind, wo sie viele schöne Bilder sehen und vielfältigste Layouts und Schriftarten, Animationen und Videos?

Ganz ohne Lehrbuch?

Als Schule ist man nicht verpflichtet, mit einem Lehrwerk zu unterrichten. Man kann, wenn man möchte, die Inhalte in Orientierung an den Richtlinien und Lehrplänen komplett selbst zusammenstellen. Das allerdings kostet natürlich einiges an Zeit und Energie und ist alleine schwierig zu leisten. Eine größere Fachschaft könnte das schon leisten. Oft wird ein Fach wie Englisch jedoch auch fachfremd unterrichtet. Für Lehrer, die ein Fach nicht studiert haben, kann ein Lehrwerk mit den umfangreichen Begleitmaterialien inklusive der didaktischen Hinweise eine große Hilfe sein. Solche Unterstützung würde bei selbst zusammengestellten Materialien fehlen. Mitunter verlangen sogar Schüler nach einem Buch, da sie einen Grammatik- und Vokabelteil haben möchten, den sie zum Nachschlagen und Lernen nutzen können. Das ist vor allem dann der Fall, wenn im Unterricht versäumt wird, entsprechende Unterlagen gemeinsam mit den Schülern systematisch anzulegen.

Das Englischlehrwerk aufbohren

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Mindesthaltbarkeitsdatum verlängern

Eine Möglichkeit, das offizielle Lehrwerk trotz aller seiner Beschränkungen doch zu nutzen, besteht darin, seine Möglichkeiten einfach zu erweitern. Das macht die Arbeit damit nicht nur interessanter und motivierender, sondern kann sogar Kosten sparen helfen, da man das Lehrwerk so länger nutzen kann.

Ein Lehrwerk aufzuwerten, ist relativ einfach mit etwas Arbeit  und ohne zusätzliche Kosten möglich.

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Let’s go 4 Unit 7 – Canada mit QR Code zu einem Padlet

Eine Möglichkeit dazu sind QR Codes. Je nach Schule und Bundesland werden die Fachbücher von Eltern oder Schule angeschafft. Bei Lehrwerken, die im Besitz der Schule sind, und an die Schüler ausgeliehen werden, kann nach Absprache mit dem Schulträger das Schulbuch um QR Codes erweitert werden. Diese verweisen dann auf Inhalte, die im Internet zu finden sind. Anders als bei den Angeboten mancher Verlage über Web Codes, die auf Inhalte aus dem Angebot des Verlages hinweisen, können hier eigene Inhalte hinterlegt werden.

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Padlet Canada

Verweisen kann man auf Inhalte jeder Art – Informationstexte, Nachrichtentexte, Wikipedia Einträge, Fotos, Videos, Audiomaterial wie Podcasts, Hörgeschichten und ähnlich und natürlich auch interaktive Übungen, etwa mit LearningApps erstellt, und Quiz-Formate. Im Vokabelteil könnte man auf Quizlet Übungen für das Vokabeltraining verlinken. Außerdem könnten, falls gewünscht, Arbeitsblätter zum Download vom Schulserver oder ähnlich eingebunden werden. Hervorragend geeignet sind hier in allen Bereichen auf jeden Fall freie Bildungsmaterialien (OER).

Voraussetzungen

Auch wenn in einer Fachschaft alle willig sind, müssen einige Vorbedingungen erfüllt sein, um ein Lehrwerk über QR Codes und damit verlinkte externe Inhalte/Übungen aufwerten zu können.

  • Das betreffende Lehrwerk muss im Besitz der Schule/ des Schulträger sein.
    • Einkleben von QR Codes muss genehmigt sein
  • Sollen die Möglichkeiten im Unterricht sinnvoll genutzt werden,
    • sollten idealerweise alle Klassenräume/Fachräume Internetzugang haben
    • sollten möglichst viele Schüler über digitale Endgeräte Zugriff auf das Internet haben
      • Schulgeräte und/oder Schülergeräte (BYOD)
    • sollten möglichst alle Schüler auch zu Hause das Internet nutzen können
    • sollte zumindest eine regelmäßige Nutzung eines PC Raums möglich sein
  • Die Nutzung von externen Inhalten im Internet darf zumindest in Bezug auf von Lehrern ausgewählte Inhalte nicht durch Firewalls und/oder Filtersoftware blockiert sein

Je nach Nutzungsszenario kann es sinnvoll sein, die QR Codes mit einem verkürzten Link (z.B. über einen Dienst wie http://bit.ly verkürzt) zu ergänzen, der im Bedarfsfall abgetippt werden kann.

Schritt für Schritt

  1. Die Fachschaft entschließt sich, das Fachbuch aufzupimpen
  2. Rechtliche Fragen, ob das Buch mit QR Code Stickern versehen werden darf, werden geklärt.
  3. In einer Fachschaftssitzung arbeitet man beispielhaft ein Thema aus einem Jahrgang auf, um allen Beteiligten zu zeigen, wie es geht.
    1. Gezeigt wird, wo man externe Inhalte findet.
    2. Ein Kriterienkatalog für die Materialauswahl wird erstellt: Anspruchsniveau, maximale Länge der Videos, Bildqualität, Länge von Audiomaterialien, Urheberrecht (nutzbare Lizenzformen, Creative Commons Lizenzen, Public Domain), …
    3. Plattformen für das Finden bzw. Erstellen von interaktiven Aufgaben werden vorgestellt.
    4. Absprache, welche Übungsformen, man wofür nutzen will.
    5. Konventionen für das Benennen von erstellten bzw. auf eigene Bedürfnisse angepassten externen Übungen werden vereinbart.
    6. Erstellen von QR Codes bzw. Sammlung von Links für das Erstellen der QR Codes
  4. Drucken von QR Codes auf Avery/Zweckform Etiketten (oder ähnlich) und Einkleben in Lehrwerk
  5. Erster Praxistest und Nachbesserung falls notwendig.
  6. Aufteilung der restlichen Themen/Units aus dem Jahrgang und Überarbeitung in Teams.
  7. Praxistest mit den anderen Überarbeitungen im Jahrgang und Nachbesserung wo notwendig.
  8. Aufpimpen des kompletten Fachbuches, zu dem gearbeitet wurde, mit QR Codes für den nächsten Durchgang.
  9. Ausweitung auf andere Jahrgänge/Fächer.

Wie im Unterricht nutzen

Bevor man sich entschließt, ein Fachbuch mit QR Codes aufzubohren, sollte man sich auf jeden Fall Gedanken machen, wie man die externen Inhalte für den Unterricht nutzen kann.

Primär frontale Nutzung – Schüler Nachnutzung

Nicht jede Schule verfügt über die Möglichkeit, Schüler im Unterricht mit digitalen Endgeräten ins Internet zu schicken. Dann nutzt der Lehrer die Inhalte im Unterricht:

  • über einen Projektor, der mit Notebook, Tablet oder Smartphone gekoppelt ist
  • über ein interaktives Whiteboard

Bei beiden Varianten ist es durchaus möglich, dass einzelne Schüler interaktive Übungen machen und dabei von den Mitschülern unterstützt werden. Alle Schüler haben anschließend die Möglichkeit, die externen Materialien auch noch einmal zu Hause zu nutzen. Die Materialien könnten auch als Hausaufgaben genutzt werden. Bei Plattformen mit der Möglichkeit zur Registrierung (z.B. Quizlet, Edpuzzle, …) hat der Lehrer sogar eine Kontrolle über den Zugriff durch die Schüler.

Flipped Classroom

In vielen Schulen ist die Möglichkeit für Lehrer, zumindest einen Projektor im Fachraum oder Klassenraum nutzen zu können, nicht gegeben. Aber auch hier kann es Sinn machen, das Fachbuch mit QR Codes zu ergänzen. Im Sinne von Flipped Classroom können über die QR Codes auch Videos und Materialien verlinkt werden, mit denen sich Schüler zu Hause mit einem Stoff auseinandersetzen, der dann im Unterricht geübt und vertieft wird. Im Englischunterricht wäre das z.B. bei Grammatik Themen denkbar, siehe z.B. English Grammar Reported Speech: Questions von Alicia Bankhofer.

Außerdem können Schüler auch weitere verlinkte Materialien nutzen für andere Formen von Hausaufgaben, mit denen sie Inhalte für den Unterricht vorbereiten oder Themen vertiefen.

Nutzung im PC Raum

Ich selbst gehe im Englischunterricht nicht gerne extra in den PC Raum. Aber „zur Not frisst der Teufel die Fliegen auch ohne Salz.“ Wenn gar nichts geht, ist ein PC Raum besser als nichts. Da die PCs dort in der Regel nicht über Webcams verfügen, welche die QR Codes einlesen können, ist es hier wichtig, dass die Links auch abgetippt werden können. Es sollten außerdem Köpfhörer verfügbar sein oder von den Schülern mitgebracht werden.

Notebook Wagen/Tablet Koffer

Bteht die Möglichkeit, zumindest für eingeschränkte Zeiträume, Notebooks oder Tablets für die Lerngruppe zu bekommen, hat man deutlich bessere Möglichkeiten. Wenn nur diese Möglichkeit besteht, könnte man sich in der Fachschaft absprechen, dass jede Lerngruppe in einem Schuljahr zumindest eine Stoffeinheit/Unit mit Internetzugriff und Endgeräten in der Klasse durcharbeiten kann.

Je nach Fach könnte man so auch zunächst nur eine bestimmte Unit/Stoffeinheit mit externem Material und QR Codes erweitern. Sobald sich mehr Möglichkeiten für Notebooks oder Tablets in den Lerngruppen ergeben, weitet man dann die Vorhaben dann in den Fachbüchern aus, wie oben beschrieben.

BYOD

Die umfangreichsten Möglichkeiten bieten sich sicherlich, wenn alle Schüler dauerhaft eigene Geräte im Unterricht nutzen können (BYOD). Dann könnten die erweiterten Inhalte des Lehrwerks regelmäßig im Unterricht eingesetzt werden. Zu beachten ist hierbei noch: nicht alle Inhalte aus dem Internet stellen sich auf allen Geräten gleich gut dar. Gerade auf Geräten mit kleineren Displays kann es z.B. bei interaktiven Übungen zu Problemen kommen. Das sollte man vorher testen.

Weitere Szenarien

Schulen, die mit lokalen Lernmanagement Systemen/Lernplattformen arbeiten, könnten auch auf Inhalte innerhalb dieses Systems verlinken, wenn diese über ein internes Netz für Schüler und Lehrer erreichbar sind. Gleiches ist für Verlinkungen auf Lernmanagement Systeme/Lernplattformen denkbar, die auch von außen über das Internet erreicht werden können.

Ausweitung auf andere Fächer

Hat sich das System in einem Fach bewährt, wird auch in anderen Fächern schnell der Wunsch aufkommen, diese Möglichkeit zu nutzen. Dieser Schritt ist dann vergleichsweise einfach.

Freie Bildungsinhalte contra Verlagskontrolle

Posted in OER, Urheberrecht by damianduchamps on März 2, 2012

Dieser Post entstand als Kommentar zum Beitrag MIT OpenCourseWare und Flat World Knowledge kooperieren bei offenen Lehrbüchern auf Netzpolitik.org.

Verlage gehen den Wandel im Schulbuchmarkt, wie nicht anders zu erwarten, sehr konservativ an. Ihnen geht es weniger um revolutionäre Visionen oder Lösungen als um eine Bewahrung etablierter Geschäftsmodelle. Deshalb überrascht es auch in keiner Weise, dass der erste Vorstoß deutscher Verlage in Richtung digitales Schulbuch dermaßen bescheiden ausfällt. Was allenfalls überraschen kann, ist die Einigung auf eine gemeinsame Plattform.

Das Konzept von FlatWorldKnowledge gründet auf einem alternativen Geschäftsmodell. In der Vorstandsetage des amerikanischen Verlages sitzen jedoch auch keine Wohltäter der Menschheit, sondern Manager, die ihr Unternehmen profitabel halten müssen. Allerdings kalkulieren sie völlig anders. Sie sind bereit über die kostenlose digitale Version ihrer Bildungstitel zunächst auf Einnahmen zu verzichten, spekulieren aber darauf, genug Nutzer durch die Qualität zu überzeugen und aus ihnen Käufer von Printversionen zu generieren. Dass die Rechnung wohl aufgehen muss, zeigt das Fortbestehen des Angebots.

Die Entwicklung am digitalen deutschen Schulbuchmarkt macht jedoch einmal mehr deutlich, welche Funktion freien Bildungsinhalten (OER) auch im deutschen Sprachraum zukommen wird. Wohl nur wenigen ist klar, welche dramatischen Veränderungen sich mit der Digitalisierung des digitalen Schulbuches für den Bildungsbetrieb ergeben werden. Das meint nicht nur veränderte Lern- und Unterrichtsszenarien sondern auch das Ende der freien Kopie!

In dem Moment, wo der Schulalltag durchdigitalisiert ist, erhalten Schulbuchverlage über DRM die totale Kontrolle über die von ihnen bereitgestellten Bildungsinhalte. Lehrer wie Schüler werden als User lediglich Lizenznehmer sein. Was kopiert werden kann und in welchem Umfang und zu welchen Konditionen, unterliegt der kompletten Kontrolle der Verlage.

Noch können Lehrer nach Herzenslust aus Schulbüchern und Arbeitsheften kopieren, was der Kopierer hergibt. Den Verlagen fehlt die Kontrollmöglichkeit und sie müssen sich mit den Millionen zufrieden geben, welche sie mit den Kultusministerien im Rahmen des „Gesamtvertrag zur Einräumung und Vergütung von Ansprüchen nach § 53 UrhG” ausgehandelt haben. Auch was die Digitalisierung analoger Inhalte angeht, fehlt ihnen noch die wirkliche Kontrolle. Der „Schultrojaner“ war ein erster Versuch, sich diese anzueignen.

Freie Bildungsinhalte bereiten deutschen Bildungsverlagen derzeit noch wenig Kopfschmerzen. Noch ist das Angebot im deutschsprachigen Raum zu gering, um als Konkurrenz gesehen zu werden. Bisher war die Entwicklung freier Bildungsinhalte auch mehr auf den universitären Kontext beschränkt. Doch mittlerweile beginnt es sich auch im Bereich der schulischen Bildung zu regen. Der Bewegung fehlt eigentlich nur noch der entscheidende Push. Sollte der kommen, werden Bildungsverlage sehen, wie sie sich die lästige freie Konkurrenz vom Leibe halten. Dazu haben sie zwei Möglichkeiten, Überzeugen durch Innovation oder Aussperren. Mit ersterer Lösung ist wohl eher nicht zu rechnen, da sie teuer ist und Risiken birgt. Also wird man zur zweiten Lösung greifen, Aussperren.

Es ist schon jetzt abzusehen, dass die deutschen Bildungsverlage, anders als Apple, ihre Schulbuchplattform nicht für freie Inhalte von Anbietern (außerhalb ihrer Koalition der Verzweifelten) öffnen werden. Nimmt die digitale Schulbuchentwicklung erst einmal an Fahrt auf, werden vermutlich auch günstige Hardwareangebote durch die Verlage auf den Markt kommen. Diese werden im schlimmsten Fall (fast komplett) geschlossene System sein ähnlich den Amazon Kindle e-ink Lesegeräten. Damit könnten Verlage freie Bildungsinhalte problemlos aussperren. Hier wird Aufmerksamkeit und Initiative der im Bereich schulischer Bildung Tätigen gefordert sein. Noch ist es nicht so weit, doch die Entwicklungslinien zeichnen sich bereits ab.

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Digitale Schulbücher – Unwägbarkeiten

Posted in Medienwelt by damianduchamps on Februar 26, 2011

Das Schulbuch gehört, seit es Schule gibt, nahezu untrennbar zu eben dieser. Für spezialisierte Verlage hat sich daraus ein großes Geschäftsfeld ergeben. Mit der zunehmenden Digitalisierung der Medien, die auch vor dem Buch nicht halt macht, fragen sich viele, wann auch das Schulbuch digital werden wird (#shubu20). Einige denken sogar laut darüber nach, ob das Schulbuch an sich überhaupt noch notwendig sein wird.

Schulbücher nehmen auf dem Markt der Bücher eine ganz eigene Stellung ein. Vergleichbar ist sie eventuell noch mit bestimmten Bereichen von Fachliteratur.

Entscheidet sich ein Verlag, beispielsweise einen Roman oder einen Fotoband zu veröffentlichen, so geht er damit ein mehr oder weniger großes Risiko ein. Wurde das Buch von einem etablierten Autoren verfasst, ist das Risiko, auf der Auflage sitzenzubleiben geringer, handelt es sich um einen neuen Autoren, ist es größer. Entsprechend versuchen Verlage, das Risiko möglichst gering zu halten und setzen von daher vor allem auf bekannte Namen und Jungautoren, deren Themen im Trend liegen. Nur ein sehr kleiner Bereich im Portfolio eines Verlages gehört zum Bereich Prestigeprojekte. Dazu zählen beispielsweise Gedichtbände, welche über Gewinne in anderen Bereichen subventioniert werden.

Insgesamt ist so das Geschäft der Buchverlage, welche in den beispielhaft beschriebenen Bereichen (Roman und Fotobuch) operieren, immer mit einem Risiko behaftet, welches die Verlage nach Möglichkeit so gering es geht halten. Darin sind sie vergleichbar zur Musikindustrie, welche Künstler als Investitionen bzw. Kapitalanlagen sieht.

Anders sieht es aus im Bereich der Schulbuchverlage. Das Risiko ist hier deutlich geringer. Warum? Auch Schulbücher können floppen. Die Wahrscheinlichkeit ist jedoch deutlich geringer als etwa bei einem Roman. Anders als im Bereich der Unterhaltungsliteratur ist die Anfangsinvestitionen im Bereich der Schulbücher deutlich größer. Ein Schulbuch muss zunächst konzeptionell vorbereitet und dann zumindest mit einem Band für die Klasse eins im Bereich der Grundschule oder die Klasse fünf im Bereich der Sekundarstufe I auf dem Markt angeboten werden. Vergleichbar zu den Verlagen der Unterhaltungsliteratur wird dann die Werbemaschinerie angeworfen und weitere Investitionen werden fällig. Hat es der Verlag geschafft, das Buch am Markt zu etablieren, sprich ausreichend viele Schulen von der Einführung zu überzeugen, so hat er sich auf viele Jahre eine sprudelnde Einnahmequelle gesichert. (Mich erinnert das etwas an das Geschäft der Ölkonzerne, die Probebohrungen vornehmen, bis sie auf sprudelnde Quellen stoßen. Schulbuchverlage haben allerdings den Vorteil, dass sie deutlich weniger Probebohrungen vornehmen müssen.) Niemand ist verpflichtet, diesen oder jenen Roman zu kaufen. Bei Schulbüchern sieht dieses anders aus. Wurde ein Schulbuch an einer Schule eingeführt, so wird es von der Schule selbst erworben, klassensatzweise, oder von den Eltern der Schüler gekauft. An den Schulbüchern führt kein Weg vorbei. Sie sind Pflicht. Am lohnensten ist das Geschäft wohl, wenn die Bücher nicht von der Schule, sondern von den Eltern erworben werden, da dann die Wiedernutzung eher unwahrscheinlich ist.

Romane gibt es in digitaler Form schon seit Jahren. In der jüngsten Vergangenheit ist das Geschäft mit den ebooks förmlich explodiert. Viele mag es dabei erstaunen, dass es zu diesem Erfolg trotz der Gängelung der Verbraucher durch digitales Rechtemanagement (DRM) kommen konnte. Wundern braucht dieses letztlich nicht, denn auch der digitale Musikverkauf über iTunes wurde trotz DRM zu einem durchschlagenden Erfolg für Apple und die Labels. Bei der Musik hat man sich mittlerweile von DRM weitestgehend verabschiedet. Stattdessen experimentiert man mit Tags. Vom Kunden erworbene digitale Kopien eines Musikstücks werden mit einem Tag (englisch, Markierung) versehen, für den Endkunden nicht wahrzunehmen, welcher die Datei dem Käufer zugeordnet. Das Tag wird bei digitaler Vervielfältigung mitkopiert. Der Ursprung der digitalen Kopie lässt sich damit zurückverfolgen.

Vermutlich wird auch das digitale Buch, welches zur Zeit noch mit DRM belegt ist, zum Leidwesen der Endverbraucher mit fehlender Kompatibilität zwischen verschiedenen Plattformen, über kurz oder lang ohne digitalen Kopierschutz verkauft werden.

Und damit zurück zum Schulbuch. Der Schulbuch ist, wie gesagt, für Verlage eine sehr sichere Einnahmequelle. Verständlicherweise möchten Verlage diese nicht gefährden. Sie suchen also nach Möglichkeiten, auch im digitalen Bereich eine entsprechend sichere Einnahmequelle zu konstruieren. Das ist schwierig. Würde man bestehende Schulbücher oder kommende einfach in Form eines PDF verfügbar machen, ohne Kopierschutz, so wären die Schulbuchverlage in kurzer Zeit erledigt. In einer einzigen Schule befinden sich viele Individuen mit identischen Interessen bezüglich der Schulbücher. In einer vierzügigen Schule mit 25 Schülern die Klasse, haben 100 Schüler beispielsweise ein und das gleiche Englischbuch. Ein ungeschütztes PDF wäre im Handumdrehen an 99 Mitschüler weitergegeben, plus die der kommenden Jahrgänge. Wer wäre bereit und in der Lage, den rechtmäßigen Erwerb der PDF Datei zu kontrollieren und einzufordern? Ein Ausweg wären eventuell Landeslizenzen. Doch wer würde diese bezahlen? Digitale Schulbücher mit einem DRM zu versehen, wäre natürlich eine Lösung. Doch auch dieser Weg ist nicht ideal. Er setzt voraus, dass alle Verlage sich auf ein gemeinsames DRM einigen. Entsprechend wird geeignete Hardware gebraucht, welche dieses DRM unterstützt.

DRM ist für Verlage ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite bedeutet es Kontrolle, auf der anderen Seite jedoch auch ein hohes Risiko. Wird das DRM geknackt, kann es vom Verlag nicht einfach geändert werden, da entsprechende Schlüssel individuellen Usern zugeordnet sind und mit einer Änderung ungültig würden. Das würde dann bedeuten, dass mit dem alten DRM geschützte Bücher nicht mehr zu lesen wären, wenn Usern neue Schlüssel zugeteilt werden oder User zwar ihre alten Bücher lesen können, jedoch keine Möglichkeit haben Bücher mit neuem DRM zu lesen. (Das ist unter anderem ein Grund, warum Adobe seine DRM Technik bisher nicht geändert hat, obwohl es Usern gelungen ist, den Schüssel zu knacken.)

Eine weitere Schwierigkeit besteht für Schulbuchverlage momentan auch noch darin, dass nicht abzusehen ist, welche Hardware letztlich in Schulen zum Einsatz kommen wird. Das iPad, welches momentan an einigen Schulen verwendet wird, ist ein Gerät in einem sich noch entwickelnden Ökosystemen. Dieses wird aus Geräten mit höchst unterschiedlichen Eigenschaften bestehen, bezüglich Speicherkapazitäten, Geschwindigkeiten, Displaygrößen und -auflösungen usw.. Solange ein Buch auf Papier gedruckt wird, ist der Verlag relativ unabhängig. Formate werden vor allem durch industrielle Standards vorgegeben. Neben Tablet PCs gibt es noch E-Book Reader und natürlich auch Desktop PCs und Notebooks. Größer könnten die Unterschiede der verschiedenen Geräten nicht sein. Bleibt man beim PDF, stellt sich die Frage, woran sich das Format der einzelnen PDF Seite orientieren soll? Immerhin ist PDF grundsätzlich ein Laylout-orientiertes Format und Layout macht bei Schulbüchern durchaus Sinn, da es Inhalte strukturiert.

Einige Verlage haben sich auch mit Annäherungen an das digitale Schulbuch in Form von Software für PCs versucht. Auf Plattformen wie dem iPad oder Tablet PCs mit dem Betriebssystem Android wären entsprechend Apps vorstellbar, bzw. gibt es solche bereits. Aber auch hier ergibt sich für das Problem, dass man auf eine Plattform beschränkt ist oder Versionen für verschiedene Plattformen entwickeln muss. Bücher auf Papier gedruckt sind eine stabile Entwicklungsplattform, da sie sich nicht verändert. Papier bleibt Papier. Bei digitalen Geräten gibt es sowohl Entwicklungen im Bereich der Hardware als auch der Betriebssysteme. Hier ergeben sich neue Schwierigkeiten, will man ein Schulbuch als Software realisieren. Es muss eventuell bezüglich seiner Programmierung aktualisiert werden. Für Schulbuchverlage ergeben sich damit neue Herausforderungen und neue Kosten.

Eine Alternative, die häufig genannt wird, wären Schulbücher auf Basis der Webstandards, zum Beispiel HTML 5. Bei dieser Variante werden Verlage vermutlich keinerlei Chance sehen, die gleiche Geschäftssicherheit gewinnen zu können, wie sie sie derzeit mit dem Schulbuch in Papierform haben. Eine Webseite ist nicht mit einem Kopierschutz zu versehen. Es bliebe dann noch die Möglichkeit, digitale Schulbücher in Form von Webseiten in einem zugangsgeschützten Portal zu verbergen. Wer jedoch waren mit wessen Passwort Zugang zu diesem Portal erhält, ist nicht zu kontrollieren.

Was ich mit all diesen Beispielen versucht habe zu zeigen, und ich konnte das nur anreißen, sind die großen Unsicherheiten, welche sich für Schulbuchverlage derzeit noch mit dem Thema digitale Schulbücher verbinden. Auch die Verlage wissen natürlich, dass die Zeit nicht stehen bleibt und das Schulbuch in Papierform irgendwann nicht mehr existieren wird. In den Verlagshäusern sucht man nach Möglichkeiten und experimentiert. Noch ist wohl die Zeit nicht reif, da noch nicht alle Komponenten zusammenpassen und eine für alle zufriedenstellende Lösung zu finden ist. Schulbuchverlage beobachten die Probleme anderer Medienbranchen mit großem Interesse und wollen natürlich deren Fehler vermeiden. Wenn das Kind erst in den Brunnen hineingefallen ist, dann ist es hineingefallen. Den Verlagen kommt zum Glück die Trägheit des Bildungssystems entgegen. Noch beschränkt sich die Forderung aus den Schulen nach digitalen Schulbüchern auf wenige einzelne Stimmen. Die Mehrheit der Lehrkräfte im System wird sich ohnehin lieber nicht auf digitale Experimente einlassen wollen und bleibt lieber beim gewohnten Buch aus Papier.

Bisher sind Schule und Schulbuch untrennbar miteinander verbunden. Ob das so bleiben muss, ist eine andere Sache. Je nachdem, wie Schule und vor allem Unterricht sich verändern, ist es durchaus vorstellbar, dass die Schule der Zukunft ein Schulbuch im herkömmlichen Sinne nicht mehr kennt und braucht. Davon werden die Schulbuchverlage derzeit sicherlich bei ihren Planungen und Experimenten nicht ausgehen.

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