Fortbildungsdesaster – FAIL
Gelegentlich mache ich auf Fortbildungen und mein Schwerpunkt sind die Medien, die neuen Medien oder genauer, das Netz, Web 2.0. Heute hatte ich wieder eine solche Fortbildung und für mich war sie ein Desaster. Dabei hatte alles gut begonnen. Schon vor einiger Zeit hatte ich mit der Schulleitung das Thema abgesprochen. Das Kollegium, so sagte man mir, wolle etwas mehr wissen über die neuen Medien und Unterricht. Gut, dachte ich mir, das wäre doch eine wäre doch eine Gelegenheit für eine praktische Fortbildung, vielleicht in Form von Blended-Learning. Damit habe ich bisher gute Erfahrungen gemacht. Man bearbeitet als Teilnehmer verschiedene Themen, jede Woche ein anderes, und nutzt dabei Werkzeuge des Internet und Web 2.0: Chat, Forum, Wiki, Blog, Mindmap, Datei-upload und so weiter. Dabei ist ist man dann entsprechend den Aufgabenstellungen tätig, kooperiert, recherchiert, strukturiert, produziert und kommuniziert. Abschließend trifft man sich noch einmal in einer Runde und tauscht seine Erfahrungen aus und überlegt auch noch, wie man das nun in Schule umsetzen kann. Man sollte dann also einen guten Einblick haben und vielleicht das eine oder andere mal im Unterricht probieren. Und wenn das Interesse sehr groß ist, vertieft man das Thema anschließend in weiteren Veranstaltungen.
Um der Veranstaltung ein wenig Offenheit zu geben, schickte ich vor meiner Präsentation eine Webseite voraus, ein Google Doc. Dort hatte ich einige wichtige Links gesammelt. Zu bearbeiten war das Doc nicht. Es eröffnete den Teilnehmern jedoch die Möglichkeit, anonym am rechten Rand zu Chatten. Ich forderte die Teilnehmer auf, doch einfach hineinzutippen, was ihnen durch den Kopf ging, während ich ihnen etwas über Web 2.0 und Schule erzählen würde. Außerdem hatte ich ein Doc für Notizen vorbereitet. Das fanden die Teilnehmer nach einigen Fehleingaben der Adresse auch. Und nachdem geklärt war, dass der Firefox auf den Schulrechnern den Chat nicht anzeigte und jedermann nach IE gewechselt hatte, waren alle drin. Einige tippten auch, Belangloses und „Kaffeepause“. Es funktionierte, gut.
Ich eröffnete die Veranstaltung also mit meiner kleinen Präsentation (siehe unten) und versuchte dem nicht ganz zwanzigköpfigen Kollegium zunächst die tiefgreifenden Entwicklungen zu verdeutlichen, die gerade in im Zusammenhang mit der zunehmenden Vernetzung unserer Gesellschaft und der Berufswelt stattfinden und wie dieses sich auf Bildung auswirkt. Das Kollegium welches Schüler auf dem zweiten Bildungsweg zu weiterführenden Abschlüssen bringt, hörte zunächst interessiert zu. Es kamen dann aber schnell die ersten Einwände. Gegen Ende meines Vortrages kam es dann sogar zu Grundsatzdiskussionen.
Bildung nutzt das Web on Prezi
Und bei diesen blieb es dann auch. Die meisten Teilnehmer blieben stumm. Einige fragten nach. Immer wieder kam die Frage, wie man denn nun diese von mir angerissenen Möglichkeiten praktisch im jeweiligen Unterrichtsfach nutzen könne – wo konkret bitte sehr? Ein Lehrer, der ehemals Informatik unterrichten musste, beklagte, dass dieser Unterricht weggefallen sei. Wo solle man denn jetzt diese neuen Sachen den Schülern beibringen? Im normalen Unterricht, konterte ich. Das verstanden einige nicht. Eine Französischlehrerin meinte, ihr Fach sei bis zum Abi so voll, da sei kein Platz für so etwas. Ein Englischlehrer, der sich mit dem Thema Internet recht gut auszukennen schien, schilderte, dass er gut vorbereitet Unterricht im PC Raum versucht hätte. Die Schüler hätten das Internet frei gehabt, so dass sie während seines Vortrags in der Wikipedia nachsehen konnten. Nach einer viertel Stunde Vortrags hätten die ersten Filmchen angesehen und das habe ihm gereicht. Das müsse er nicht mit sich machen lassen. Er war es übrigens auch, der als er in den Lehrerdienst als Seiteneinsteiger kam, direkt alle seine Profile in sozialen Netzwerken gelöscht hatte. Er wollte nicht, dass seine Schüler alles über sein Privatleben herausfänden, denn das wäre das Erste, was sie täten, nach den Lehrern googeln.
Der „Informatiker“ warf ein, als wir auf das Problem vernünftiger Umgang mit dem Netz kamen, dass Schule das nicht leisten könne. Da sein kein Platz für. Auch andere zweifelten an, dass Schule das Thema überhaupt angehen müsse. Ich verwies auf die Kernlehrpläne und die gesetzten Standards und das uns dieses verpflichten würde. Für manche war es neu, dass sogar Lehrbücher bereits das Internet mit Aufgabenstellungen einbeziehen. Andere kannten selbst Beispiele.
Natürlich kamen wir auch auf das Thema Hausaufgaben.de oder referate.de. So könnten Schüler ja schnell im Netz was suchen fürs Referat über Brecht. Solle der Lehrer dann nur noch den Vortrag bewerten? Klar gäbe es Seiten, womit man Plagiarismus aufspüren könne. Trotzdem könnten sich manche so Schüler ja geschickt durch alles durchmogeln. Wenn es denn so sei, konterte ich, warum dann nicht einfach mal drei oder vier gegoogelte oder gekaufte Referate nehmen und die Schüler vergleichen lassen und damit das Thema angehen. Das überzeugte kaum jemanden, leider.
Die Probleme mit der Selbstdarstellung um Netz wurden angesprochen. Was könne Schule denn da machen, fragte man mich. Da es im Religionsunterricht um die Person geht, warum nicht da das Thema mit einbinden, fragte ich zurück, oder in Sowi. So richtig überzeugen konnte ich auch damit kaum jemanden. Es schien den Lehrern kaum vorstellbar, dass man die neuen Möglichkeiten sinnvoll in den Unterricht integrieren kann. Ich skizzierte viele Szenarien, um ihnen eine Vorstellung zu geben. Das reichte aber lange nicht. Ein weiteres Beispiel von mir, Pro und Kontra für eine Erörterung in Gruppen oder dem Klassenverband in einem Google Doc sammeln und dann im Plenum noch einmal strukturieren und reduzieren, fand wenig Verständnis bei einigen. Das könne man doch an der Tafel machen, wo sei der Unterschied? Ich versuchte es ihnen wirklich gut klar zu machen. Manche sahen es wohl. Andere waren nicht zu überzeugen, wie es schien.
Ich hatte auch angedeutet, dass ein Chat oder gemeinsames Arbeiten an einem Dokument auch schüchternen Schülern eine Möglichkeit geben könne, sich im Unterricht einzubringen. Etwas später fragte man mich, ob das denn so gut wäre, denn diese Schüler müssten doch auch lernen, vor anderen Schülern zu reden und ihre Hemmungen zu überwinden. Natürlich stellte ich dann noch einmal klar, dass es nicht darum gehen könne, nur noch online zu arbeiten.
Den versammelten Lehrerinnen und Lehrern versuchte ich auch deutlich zu machen, dass es zwar große Veränderungen seien, die in den kommenden Jahren anstünden, man als Lehrer aber nur ein begrenztes Potential zu Veränderungen habe unter den gegebenen Bedingungen, und sie deshalb kleine Schritte machen sollten, so wie die Möglichkeiten sich ergäben.
Im Vortrag hatte ich angerissen, dass Schule weg müsse vom kanonisierten Wissen und hin zur Vermittlung von Kompetenzen. Wissen komme doch erst und dann die Kompetenzen und ohne Wissen gehe es ja wohl schon mal gar nicht bei Fremdsprachen. Da müsse man Vokabeln pauken, oder bei Mathe die Formeln. Ich hatte auch vom Lehrer als Chef-Lerner gesprochen. Auch das kam nicht gut an. Der Lehrer habe die Wissenshoheit und das wollten Lehrer sich auch nicht nehmen lassen. Manche sahen schon, dass Lehrer auch von Schülern lernen könnten.
Wir kamen dann so langsam zum Ende. Es war geplant, dass ich nach dem Vortrag den Teilnehmern das Verfahren Blended-Learning vorstellte und ihnen zwei mögliche Szenarien anbot. Das eine war lo-net, das geschlossen ist, nur eine Anmeldung je Teilnehmer braucht, sehr viel bietet, allerdings für wenig versierte User nicht gut zu nutzen sei, vor allem in der Rolle als Lehrer. Das andere war die Arbeit mit offenen Angeboten, Google Docs, offenen Wikis, Mindmapplattformen, drop.io, Weblogs und so weiter. Auf meine Frage, ob den nun ein Interesse da sei, ein über mehrere Wochen laufendes Blended-Learning zu machen (Länge und Umfang je nach Wunsch und Interesse), bekam ich weder ein zustimmende noch eine ablehnende Antwort. Es blieb bei undefinierbarem Gemurmel. Die Schulleitung ließ die Sache so laufen.
Zum Abschluss des Vortrages hatte ich eine Idee von @schb aufgegriffen und fragte etwas provokativ, was die Teilnehmer nun als wichtiger einschätzen würden, den Füller oder den Computer? Füller wählten zwei Teilnehmer, da das Geschriebene mit Füller auch für kommende Generationen noch vorhanden sein werde. Das Argument des anderen erinnere ich nicht mehr genau. Die anderen hatten keine Meinung. Ich deutete dann noch mal auf die Vorteile von mit PC geschriebenem hin, wodurch Schüler mit schlechter Handschrift nicht benachteiligt würden, wie das ja in der Benotung immer wieder geschehe (hatte ich frisch von @schb „Artikel 2 mit einem Abgesang auf die Handschrift: „Die Handschrift ist eine unnatürliche Art zu schreiben“ http://bit.ly/5KCXWY ). Das sah aber keiner ein, der an der Diskussion beteiligt war. Schlechte Handschrift und schon waren wir beim schlecht geführten Heft. Gute Handschrift zeige, dass sich jemand konzentriere und intensiv Mühe gäbe. Demnach ist dann bei schlechter Handschrift auch eine schlechtere Note gerechtfertigt. Auch, wenn beide Schüler sich an Heftlinierung und Ränder hielten und sonst gleich ordentlich das Heft führten, fragte ich. Keine Antwort darauf. Aber, dass man auch beim Schreiben mit PC mit Zeilenabstand und Schriftgröße gut oder schlecht gestalten könne und das dann wirke, brachte man mir noch entgegen. Was soll man da sagen?
In der verbleibenden knappen halben Stunde erklärte ich dann zumindest noch einmal wie man mit Google Docs selbst solche Dokumente und Ordner anlegen und freigeben könne und zeigte auf die Schnelle, weil gewünscht, wie man mit bit.ly Adressen verkürzen kann.
Ich hatte eine Anwesenheitsliste als Google Formular vorbereitet, um Vorname, Name und E-Mail zu erfassen. Der „Informatiker“ verkündete laut, Google bekäme seine Daten nie. Denen vertraue er überhaupt nicht. Dass er auch mit einem erfundenen Namen und einer Zweit-Mail-Adresse einen Account erstellen könnte, akzeptierte er dann als Möglichkeit.
Für mich war die Veranstaltung ein Desaster, für die Teilnehmer wohl auch. Die Feedbackbögen werde ich später sehen, da die Schule sie noch nicht kopiert hatte. Die Teilnehmer verschwanden in die Mittagspause. Keine Rückfragen, wie man es sonst hat, gab es, nichts. Die Schulleitung, die dem Kollegium um einiges Voraus scheint, fragte sich, ob sie die Grundsatzdiskussionen hätte abbrechen sollen. Ich hatte sie nicht komplett abwürgen wollen, um den Teilnehmern gerecht zu werden. Geholfen hat es der Sache aber nicht.
Gescheitert ist die Veranstaltung wohl an mehreren Faktoren. Einmal stimmten die mit der Schulleitung abgesprochenen Themen wohl nicht mit dem überein, was das Kollegium sich von mir erhoffte. Überzeugen, dass die Veränderungen, welche wir derzeit erleben, auch Schule berühren und verändern, konnte ich nur wenige. Dass sich daraus eine Verpflichtung für sie selbst ergibt, der sie sich stellen müssen, das fand noch weniger Anklang. Es sahen auch nur wenige die Möglichkeit, Web 2.0 und seine Möglichkeiten in den Unterricht zu integrieren. Für sie stellte sich das als ein zusätzlicher Inhalt dar, für den ihr vollgestopfter Lehrplan keinen Raum gibt. Mit den Thema verantwortungsvoller Umgang mit dem Internet sahen sie sich mehrheitlich scheinbar überfordert und sahen dafür ebenfalls keinen Raum in Schule. Inwieweit ich das Ding vor die Wand gefahren habe, darüber bin ich mir noch nicht ganz im Klaren. Hätte ich stärker lenken sollen, die Grundsatzdiskussionen im Keim abwürgen sollen, eine klare Entscheidung einfordern sollen? Ich bin jemand, der sich anderen nicht aufdrängt. Das liegt mir nicht. Etwas mehr erfahre ich vielleicht durch die Feedbackbögen. Ich werde auch noch einmal darüber schlafen müssen. Vielleicht sehe ich dann klarer, was noch falsch gelaufen ist. Meinen Vortrag zur Präsentation habe ich aufgezeichnet und muss ihn noch mal anhören. Eventuell ergeben sich daraus schon Hinweise.
Das klingt für mich, als hättest Du grundlegend schon mal das meiste richtig gemacht. Spontan fällt mir ein: You can lead a horse to water, you can’t make him drink.
Wenn Kollegen nicht bereit sind, den Horizont zu erweitern und sich kreativ mit Herausforderungen auseinanderzusetzen, kann sie keine Fortbildung der Welt überzeugen.
Zu einem ähnlichen Thema habe ich vor einiger Zeit mal was gepostet: http://www.rete-mirabile.net/lernen/nicht-missionieren-neugierig-machen
Insofern würde ich das zwar kritisch analysieren, mir nicht zu sehr den Kopf zerbrechen. Ich versuche immer, die Möglichkeiten für mich persönlich zu nutzen und darauf zu bauen, dass positive Effekte früher oder (meistens) später in kleinen Tröpfchen nach außen dringen, so dass andere neugierig werden.
Das ist ein guter Tipp. Beim nächsten Mal werde ich weniger vorweg referieren, mich auch nicht auf Diskussionen einlassen, sondern einfach sagen, wie die Dinge stehen und dann praktisch loslegen.
Ich habe auch gute Erfahrungen damit gemacht, die Probleme offen und klar zu benennen. Nach dem Motto: „Da steckt viel Potential, aber auch große Risiken drin – vielleicht können wir heute ja Ideen finden, wie wir Potential zu nutzen und die Risiken minimieren können“. Das zeigt dann den Skeptikern, dass man sie nicht übergehen möchte und schafft (wenn es gut läuft) eine konstruktive Stimmung.
[…] dem, was er sagt, hatte ich in meinem einleitenden Referat zu meiner Fortbildung eingebracht (siehe Fortbildungsdesaster – FAIL). Ein Teilnehmer nickte ab und zu mal einmal zustimmend, der Rest reagierte nicht, entweder weil […]