Damian Duchamps' Blog

Die Kontrollverlustangst der Schulen

Posted in Medienwelt, Schulentwicklung by damianduchamps on April 11, 2016

An vielen Schulen scheint sich mittlerweile die Erkenntnis durchzusetzen, dass sich in Bezug auf den Einsatz von digitalen Technologien im Unterricht etwas tun muss. Selbst bei Schulträgern habe ich in letzter Zeit mehrfach deutliches Interesse oder zumindest eine große Offenheit für den Einsatz von Tablets im Unterricht oder sogar Your Own Device (BYOD) feststellen können. Im Vergleich mit vielen anderen Ländern hinken wir in Deutschland beim Einsatz digitaler Technologien im Unterricht sehr hinterher. Von daher machen die geschilderten Beobachtungen bei einigen Schulen und Schulträgern zumindest ein wenig Hoffnung.

Leider aber gibt es aber auch noch immer Fälle, wo man an Schulen auf dem Stand von vor fünf Jahren stehen geblieben ist. Meine Schule teilt sich das Gebäude mit zwei weiteren Schulen, einer Realschule, die in zwei Jahren schließen wird, genau wie meine eigene Hauptschule, und einer Gesamtschule im Aufbau. Wo man an anderen Schulen von Bring BYOD redet, ist man an meinem Schulzentrum noch immer krampfhaft bemüht, das Thema Smartphone unter Kontrolle zu halten. Symptomatisch für die gesamte Einstellung zum Smartphone am Schulzentrum ist schon der Name der Regelung, welche den Umgang mit damit regelt. Wir sprechen hier nicht etwa von„Smartphone Regeln “, sondern von einem „Handy Verbot“. Sicherlich kann man das Smartphone noch immer unter dem Oberbegriff Handy fassen, doch letztlich ist der Begriff Handy ein Begriff von gestern. So veraltet wie die Begrifflichkeit ist auch das Verhalten der Schulen am Schulzentrum. Das Verbot besagt eigentlich, dass Handys, also Smartphones, nicht mitgebracht werden dürfen in die Schule. Dass dieses Verbot illusorisch ist, weiß jeder. Von daher wird das Mitbringen trotz Verbotes toleriert. Es gibt genug Eltern, die sogar darauf bestehen, dass ihre Kinder das Smartphone mitnehmen, um im Notfall erreichbar zu sein. Das Argument, in der Schule gebe es doch ein Telefon, welches die Schüler benutzen können, zählt bei diesen Eltern nicht, da die Kommunikation nicht nur telefonisch, sondern oft auch über soziale Medien, allen voran WhatsApp, abläuft. Die Schüler haben also ihre Smartphones dabei. Laut Handy Verbot dürfen sie diese jedoch nicht benutzen. Und dieses Verbot gilt nicht nur im Unterricht, sondern auch in der Pause und auf dem gesamten Schulgelände. In Notfällen ist erst ein Lehrer zu fragen, bevor das Smartphone aus der Tasche geholt werden darf, um beispielsweise die Mutter anzurufen, ihr eine Nachricht zu senden oder eine Nachricht zu lesen, die sie geschickt hat. Wird man als Schüler erwischt mit dem Smartphone in der Hand, nehmen viele Lehrer den Schülern das Smartphone sofort weg. Es wird dann im Sekretariat der jeweiligen Schule abgegeben und die Schüler können es sich am Ende des Unterrichtstages abholen. Nach dem dritten Verstoß müssen die Eltern erscheinen, um das Smartphone abzuholen. Rechtlich ist dieses ein völliges Unding, was der Schulleitung der Gesamtschule jedoch egal ist. Die Oberhand behalten, ist hier wichtiger.

Das ist schon ziemlich extrem. Und wie extrem das Verbot durchgesetzt wird, zeigen die folgenden zwei Beispiele.

Beispiel 1: In der 5 Minuten Pause versucht eine Schülerin der Klasse acht einer Mitschülerin zu helfen, deren Smartphone nicht richtig funktioniert. Sie nimmt deren Smartphone in die Hand, öffnet es, entnimmt den Akku und setzt ihn gerade wieder ein als ein Lehrer vorbeikommt und dieses sieht. Er nimmt der Schülerin das Smartphone weg.

Beispiel 2: Ein Schüler der Klasse zehn geht am Ende des Schultages zum Ausgang des Schulhofes in Richtung der wartenden Busse. Er zieht das Smartphone aus der Hosentasche, um nach eigenen Aussagen nach der Uhrzeit zu schauen. Die Schulleitung der Gesamtschule geht hinter ihm, sieht ihn und nimmt ihm das Smartphone weg. Die Begründung ist, er habe gegen das Handyverbot verstoßen.

Für mich ist diese extrem restriktive Regelung am Schulzentrum für die Nutzung von Smartphones ein ganz klares Beispiel für Kontrollverlustangst. Diese Angst ist symptomatisch für Schulleitungen und Lehrer, die es nicht verstanden haben. Es gibt noch immer viele, die so denken. Die Spuren dieser Angst, einem völlig entfesselten Medium gegenüberzustehen und dieses weder zu verstehen, noch es beherrschen zu können, finden sich vielerorts. In vielen Konzepten zum Einsatz von digitalen Medien finden sich präventive Maßnahmen völlig überproportioniert wieder. Das erinnert schon sehr an die Präventionskonzepte zu Zigaretten, Alkohol und anderen Drogen. Cybermobbing, Internetsucht, Computerspielsucht, Onlineabofallen, Pädophile im Internet, Netiquette, Prävention, verantwortungsvoller Umgang und ähnliche Schlagworte finden sich in manchen Medienkonzepten häufiger als solche, welche die Möglichkeiten beschreiben, Lernen und Lehren mit digitalen Technologien zu gestalten. Neben der völlig überdimensionierten Prävention gibt es dann noch je nach Schule etwas Textverarbeitung für das Schreiben eines Lebenslaufes und einer Bewerbung, rudimentäre Tabellenkalkulation, da das in den Lernstandserhebungen gefordert wird, etwas präsentieren und Online Recherche und vielleicht auch Programmierung. Alles findet im PC Raum statt, wo die PCs sicher weggesperrt sind. Das sagt eine Menge aus. Natürlich kann mit Smartphones und ihren vielen technischen Möglichkeiten für Bild-, Video- und Tonaufnahmen gekoppelt mit permanentem Onlinezugang, mit Computern, Spielkonsolen und sozialen Netzwerken jede Menge Missbrauch getrieben werden. Und es gibt diesen Missbrauch auch und jede Menge Gefahren und beides muss in der Schule thematisiert werden, so wie in der Fahrschule auch unverantwortliches Verhalten und die Gefahren im Straßenverkehr zur Sprache kommen. Hauptthema in der Fahrschule ist jedoch das Fahren, die Teilnahme am Straßenverkehr, und entsprechend muss für die Schule die Gestaltung  von Unterricht selbst mit digitalen Technologien den größten Anteil am gesamten Konzept einnehmen.

Für Schulen, welche den Umgang mit Smartphones noch immer extrem restriktiv handhaben, ist der Schritt zu Konzepten wie BYOD sehr schwierig. Man muss dafür erst einmal ein solches Verbot kippen und quasi ins Gegenteil verkehren. Das bedeutet anstrengende Überzeugungsarbeit und teilweise auch schwere Kämpfe für die, die etwas verändern wollen. Über Jahre gehegte Überzeugungen müssen aufgegeben werden. Man hat Angst, mit einem Mal die Glaubwürdigkeit zu verlieren. Und das alles nur, weil solche Schulen bisher nicht in der Lage waren, das Thema Smartphone in der Schule pädagogisch anzugehen. Ich bin mal gespannt, wie das an meinem Schulzentrum weitergeht. Die Zeit wird auch dort nicht stehen bleiben.

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