Damian Duchamps' Blog

Wir brauchen den Generationenwechsel

Posted in Alltag, Hauptschule, Schulentwicklung by damianduchamps on Januar 12, 2011

Schulentwicklung braucht Kraft und Energie und zwar direkt vor Ort an den Schulen. Veränderung braucht jedoch auch Köpfe, die sich von alten Vorstellungen lösen können. Eine Episode in meiner Schule, einer kleinen Hauptschule im südlichen Westfalen, machte mir dieses heute wieder einmal mehr als deutlich.

Im überregionalen Teil der Tageszeitung zitierte man ein Gymnasiallehrer aus Ennepetal, der seinen Standpunkt gegen die Gemeinschaftsschule darlegte. Ich selbst hatte den Artikel bereits am Morgen beim Frühstück gelesen. Der Kollege vom Gymnasium spricht sich vor allem gegen längeren gemeinsamen Unterricht aus.

Für einen Teil der Kollegen in meiner Hauptschule war dieser Artikel regelrecht Wasser auf die Mühlen. Ein Kollege hatte den Artikel mitgebracht und reichte ihn in Kopien umher. Durch den Artikel fühlten sich die Kollegen, die ohnehin für das gegliederte Schulsystem sind, in ihrer Meinung mehr als bestätigt. Seht ihr meinten sie, genau das sagen wir auch immer. Gemeinsames Lernen, heterogene Lerngruppen, Inclusion und ähnlich sind ihnen Fremdworte. Sie fahren ihren Unterricht so, wie sie das seit Jahrzehnten tun. Früher hatten wir natürlich auch andere Schüler, die gehen jetzt auf die Realschule oder sogar auf das Gymnasium, sagen sie. Unsere Schüler jetzt, die sind doch einfach nur faul, meinen sie, die wollen nicht lernen, zuhause stimmt es nicht und deswegen wundert es auch nicht, dass sie immer weniger lernen. Die Klassenarbeiten fallen entsprechend von Jahr zu Jahr schlechter aus. Wer nicht will, den kannst du auch nicht fördern. Da müssen erst mal die Eltern. Und in dem Ton geht es weiter.

Und dann kommen natürlich die Migranten dran. Wir haben ja hier nur die Dümmsten. Und viele von ihnen wollen gar nicht hier sein. Am besten gehen sie zurück, dahin wo sie hergekommen sind, so hört man diese Kollegen reden (Sarrazin lässt grüßen – sie finden, was er sagt übrigens richtig).

Spricht man sie dann auf Finnland an, dann sind die Migranten genau das Argument, welches ihnen Recht gibt, dass das finnische Modell hier bei uns auf gar keinen Fall funktionieren kann, denn die haben ja keine oder kaum Migranten. In Kanada habe man zwar mehr Migranten, sagen sie, wenn man nun auf Kanada und dort die Provinz Ontario verweist, aber in Kanada suche man sich seine Einwanderer sehr gezielt aus. Wer dumm ist oder keine Leistung bringen will, der komme gar nicht ins Land hinein. Also lasse sich dieses System mit unserem auch nicht vergleichen, so ihr Argument. Danach wettert man dann vielleicht noch ein wenig auf verfehlte Immigrationspolitik in Deutschland.

Modernere Unterrichtsmethoden, ach hör mir damit auf, meinen sie. Eine jüngere Kollegin, die sehr offen unterrichtet und einen dieser älteren konservativen Kollegen bat, seinen Unterricht in ihrer Klasse doch entsprechend ein wenig anzupassen, bekam zu hören, dass man sich mit 30 Berufsjahren Erfahrung doch nichts von einer jüngeren Kollegen vorschreiben lassen müsse.

Veränderung, dagegen sind diese Kollegen, von denen ich hier berichte, eigentlich nicht. Sie wünschen Veränderung, wie so viele andere auch. Die Veränderung, die Sie sich vorstellen, bedeutet jedoch das Rad um mindestens 20 oder gar 30 Jahre zurück zu drehen.

Nein, sagten sie mal, als bei uns eine Gruppe Veränderungen anstoßen wollte, wir stellen uns euch nicht den Weg, denn ihr müsst sie noch länger unterrichten. Dass sie sich dann an den Veränderungen beteiligen, das könne man von ihnen wohl aber nicht mehr erwarten. Damit war das Thema für sie erledigt.

Was ich hier geschildert habe an Beobachtungen, trifft nur auf einen Teil meines Kollegiums zu und lässt sich auch nicht für alle Kollegen und Kolleginnen über 50 verallgemeinern und das möchte ich auch nicht. Es gibt unter den älteren Kolleginnen und Kollegen viele, die über lange Jahre sehr engagiert an ihrer Schule gearbeitet haben und dieses auch heute noch immer tun, wenn vielleicht auch teilweise mit gedrosselter Energie. Aus meiner Erfahrung muss ich jedoch sagen, dass die veränderungsresistenten überwiegend älteren Kollegen den Entwicklungsprozess meiner Schule nicht unwesentlich be- oder vielleicht sogar auch verhindern. Einige von ihnen werden zum Ende des Schuljahres pensioniert und das ist auch gut so. Sie haben über viele Jahre gute Arbeit geleistet und dafür respektiere ich sie sehr. Ich kann jedoch nicht akzeptieren, dass sie sich als Bildungsprofis selber von Lernprozessen ausschließen. Von daher muss ich sagen, ist es besser, dass sie endlich gehen.

Natürlich wird mit den älteren Kollegen auch eine Menge an Erfahrung gehen und der Schule vielleicht auch fehlen. Es bleibt außerdem zu abzuwarten, ob für die ausscheidenden Kollegen brauchbarer jüngerer Nachwuchs kommen wird. Auch wenn derzeit die Ausbildung an Universität und in Studienseminaren vielfach noch weit von zeitgemäßen didaktischen Ansätzen entfernt ist, so lässt sich alles dieses vernachlässigen, wenn die nachrückenden Lehrerinnen und Lehrer zumindest das notwendige Engagement und die Begeisterung mitbringen, um Schule endlich zu verändern und nach vorne zu bringen. Darauf hoffe ich, und ich hoffe wohl nicht alleine.

Mangelverwaltung durch Mangelausgleich

Posted in Hauptschule, Schulpolitik by damianduchamps on Mai 26, 2010

Das Schuljahr nähert sich dem Ende und die Personalplanungen der zuständigen Dienststellen, sprich Dezernate, sind bereits seit einigen Wochen im Gange. Es gilt, die Weichen für das kommende Schuljahr zu stellen. Schulleiter werden von den für Stellenangelegenheiten verantwortlichen Dezernenten einbestellt und man schachert um die Zuteilung von Personal. Lehrer sind dabei eigentlich nichts weiter als Zählvieh. In meinem Schulamtsbezirk, der mit einem benachbarten zusammen verwaltet wird, fehlen an vielen Schulen Lehrer. Ersatz gibt es nicht. Vor allem im benachbarten, an Hessen angrenzenden Schulamtsbezirk ist die Situation schwierig, da Arbeitsplätze in wenige Kilometer entfernten Schulen vom Gehalt her lukrativer sind, bei gleicher Arbeit. Was also kann man tun?

Klar ist, dass man Schulen, die personell überbesetzt sind, Lehrer wegnimmt.  Das sind die Schulen, bei denen der Schülerschwund durch geburtenschwache Jahrgänge und sinkende Anmeldezahlen in Konkurrenz zu Realschule und Gymnasium schneller voranschreitet als der Personalrückgang durch Pensionierungen. Dann gibt es aber auch die Schulen, die genau richtig, also weder unter- noch überbesetzt sind. Und es gibt die Schulen, die leicht bis stark unterbesetzt sind. Es geht dabei nicht um fehlende Lehrer für bestimmte Unterrichtsfächer, sondern um die Zahl der Lehrer im Verhältnis zu der der Schüler.

Im Fall der Hauptschulen in den beiden Schulamtsbezirken, um die es in meinem Fall geht, sind wir jetzt bei der Verwaltung des Mangels angekommen. Da es keine überzähligen Lehrer mehr zu verteilen gibt, verteilt man nun den Mangel möglichst gleich, indem man den Schulen, die noch entsprechend ihrer Schülerzahl mit Lehrpersonal besetzt sind, Lehrer wegnimmt und sie an Schule, die deutlich zu wenige Lehrer haben, abordnet. Das geschieht meiner Schule nun zum neuen Schuljahr.

In Folge werden wir wohl wie viele andere Hauptschulen nun Unterricht kürzen müssen im neuen Schuljahr. Die Landesregierung sähe es natürlich gerne, wenn die fehlenden Unterrichtsstunden durch die mögliche unbezahlte Mehrarbeit von Lehrkräften aufgefangen würden. Drei Stunden pro Monat sind möglich, denn erst ab der vierten muss gezahlt werden. Bei einem Kollegium von 30 Lehrkräften, könnte man so theoretisch 90 Stunden in einem Monat gewinnen, was grob 0,75 Stellen entspricht. Vom Fachlehrermangel, an dessen Ausgleich niemand mehr denkt, will ich nicht erinnern. Nur eine Zahl: An Hauptschulen wird Englisch nur zu etwa 20 % von Fachkräften unterrichtet, der restliche Englischunterricht wird fachfremd erteilt. In den Naturwissenschaften, Kunst und Musik sieht es nicht besser aus, und auch dem Fach Mathematik gehen demnächst die Fachlehrer aus.

Warum, fragt mancher sich, stellt man nicht einfach neue Lehrer ein? Dafür gibt es zwei Gründe. Falls Stellen ausgeschrieben werden, finden sich oft keine geeigneten oder gar keine Bewerber. Insgesamt werden allerdings kaum noch Stellen ausgeschrieben. Die Zuteilung von Lehrern an Schulen orientiert sich an der Zahl der Schüler und wird mittels des Stellenschlüssels, einer fixen Zahl, berechnet. In den Landesstatistiken kennt man zwei Zahlen, die Entwicklung der Schülerpopulation und die der Lehrerpensionierungen. Was man in den Planungen hinnimmt, ist eine Verringerung der Zahl der Lehrer zu Ungunsten des Zahlenverhältnisses Schüler-Lehrer. Was man auf jeden Fall vermeiden will, ist eine Erhöhung der Zahl. Schrumpft zur Zeit die Zahl der Lehrer schneller als die der Schüler (durch Geburtenrückgänge), so ist man nicht bereit, dieses durch Neueinstellungen auszugleichen, da man vermeiden will, in späteren Jahren zu viele Lehrer im Verhältnis zur Zahl der Schüler im Sold zu haben, die man dann als Beamte nicht mehr los wird. Schüler, die zur Zeit die Schule besuchen, müssen den Mangel letztlich durch Unterrichtsausfall ausbaden.

Förderkonzept – auf der Suche

Posted in Alltag, Hauptschule, Schulentwicklung by damianduchamps on Mai 24, 2010

Wie schon an anderer Stelle erwähnt, möchte sich meine Schule (endlich) auf den Weg machen, einige grundlegende Dinge zu verändern. Dazu gehört auch ein Förderkonzept. Bisher haben wir zwar Förderempfehlungen geschrieben, nach Vorschrift. Die sind jedoch – meiner Meinung nach – das Papier, auf dem sie gedruckt sind, kaum Wert. Eine Förderwerkstatt haben wir noch, und da findet tatsächlich und wahrhaftig, als solche ausgewiesen, Förderung statt. Hier fördert eine Kollegin mit Montessoriausbildung die Fünfer und Sechser in den Fächern Deutsch und Mathematik. In der Regel können die Kinder nach einem halben Jahr ihre Leistungen um eine Notenstufe verbessern. Förderung erfolgt in Kleingruppen und die Schüler werden dazu aus dem regulären Unterricht dazu stundenweise herausgezogen. In den Genuss des Förderunterrichts kommt, wer in unseren kleinen Diagnosetests in Klasse Fünf auffällt oder später im Unterricht deutliche Probleme hat. Überwiegend sind es Kinder mit Migrantenhintergrund, dann solche mit verzögerter Entwicklung, Kinder mit Dyskalkulie, Dyslexi oder Legasthenie, und ab und an sind es auch die sprachlosen Kinder, Flüchtlingskinder aus Äthiopien oder Immigranten aus Polen oder sonst einem Land, die bei uns landen, ohne der deutschen Sprache mächtig zu sein.

Dass sich „meine Schule“ auf den Weg machen möchte, ist wohl mehr Wunschdenken. Es sind im Grunde genommen nur wenige, die das wirklich wollen, die Steuergruppe, der Schulleiter und ein paar Kollegen. Die Mehrheit möchte lieber so weiter machen wie bisher, auch wenn oft über immer ein immer größeres Auseinanderklaffen von Anspruch und Wirklichkeit im Unterricht geklagt wird in Gesprächen unter Kollegen.

Fördern, wozu, fragen viele. Wenn die faul sind und nicht wollen, hört man die Kolleginnen und Kollegen sagen, und damals da hatten wir noch Schüler, die was wollten, man sieht ja, aus denen ist noch was geworden, Ingenieure, Rechtsanwälte, aber heute, nein, die bringen doch keine Lernkultur mehr mit, alles nur Spaßgesellschaft, wenn die Eltern die mal erziehen würden, die sollten mal ihre Hausaufgaben machen, wie soll ich jemanden fördern, der nicht lernen will, …. und so geht die Litanei weiter, wenn es um das Thema geht. Warum sich viele im Kollegium größeren Veränderungen verschließen oder gar verweigern wollen, dafür gibt es viele Gründe, die von schlichtem Desinteresse bis zur in wenigen Jahren bevorstehenden Pensionierung reichen.

Klar ist an meiner Schule eines, es wird zum neuen Schuljahr strukturelle Veränderungen geben. Wir werden es mit dem 60-Minuten-Takt versuchen und wir werden ein Förderband einrichten. Förderband heißt das Konzept, da Fördern täglich stattfindet und zur gleichen Zeit und sich diese Förderzeit wie ein Band durch die Schulwoche zieht. Das Förderband soll eine halbe Stunde Dauer haben und mit ihm soll der Schulmorgen beginnen, viermal in der Woche. An einem Morgen soll die halbe Stunde für Klassengeschäfte zur Verfügung stehen. Bereits im Vorfeld hatten wir uns an einer anderen Schule ein Förderband angesehen. Das war die Overbergschule in Werl, eine Hauptschule wie die unsere, ausgezeichnet als Gütesiegelschule und so für eine Zeit ein Aushängeschild in der Schullandschaft NRW. In Aktion hatten wir das Förderband nicht gesehen. Die Schulleiterin hatte es uns vorgestellt mit viel Anschauungsmaterial. Die veränderten Arbeitsformen im Förderband hätten dann in den normalen Unterricht hinüber gewirkt und auch dort zu Veränderungen im positiven Sinn geführt. Das hatte uns gut gefallen. An der Overbergschule wählen die Schüler ihre Fördergruppen selbst und das Angebot geht über die Kernfächer hinaus. Fördermaterial haben die Lehrer der Schule gekauft sowie selbst erstellt, in großem Umfang. Um die Gruppen klein zu halten, sind zu Beginn des Schultages alle Lehrpersonen im Haus und man wirbt noch zusätzlich externe Helfer (Lese-Oma, etc.).

Wir in der Steuergruppe haben lange überlegt, wie wir die Sache angehen können. Im Hinterkopf hatten wir dabei immer das Wissen, dass ein Teil des Kollegiums ein Förderkonzept nur abnicken aber nicht wirklich mittragen wird. So beschlossen wir, das Fördern zunächst auf die drei Hauptfächer zu begrenzen, um die Sache für alle leichter zu machen. Da wir bezüglich der Zuteilung zu Förderthemen und -gruppen eher davon ausgehen, dass unsere Schüler weniger nach ihrem Förderbedarf entscheiden werden als nach Freundschaft und erwartetem Arbeitsaufwand, entschieden wir uns, dies in die Hand der Lehrer zu geben. Der Förderbedarf sollte sich aus dem vorherigen Halbjahr ergeben. Dazu entwickelten wir ein Raster, in welches die Fachlehrer am Ende eines Halbjahres für jeden Schüler den Förderbedarf eintragen. Das Raster hat fünf Themen- bzw. Kompetenzbereiche für jedes Halbjahr und drei Abstufungen: noch große Schwierigkeiten, teilweise noch Schwierigkeiten, kann das schon. Fachlehrer, die es sich einfach machen wollen, kreuzen einfach nur an. Wer mehr eintragen möchte kann dieses tun. Die fünf Themenschwerpunkte je Halbjahr waren von den Fachkonferenzen festzulegen. Das setzt aber auch voraus, dass in einer Jahrgangsstufe in einem Halbjahr zumindest die gleichen Themen behandelt werden. Bei uns ist das bisher außer in Englisch schon ein großes Problem. Alle Anstrengen in Mathematik scheiterten da in der Vergangenheit meines Wissens an der Eigenwilligkeit der Kollegen.

Praktisch stellten wir uns den Ablauf des Förderbandes wie folgt vor. Ein Schuljahr besteht aus zehn bis elf Förderperioden, von denen die erste in der zweiten Schulwoche beginnt. Es laufen immer zwei Fördermodule parallel, Montags und Donnerstags das eine, Dienstags und Freitags das andere, und am Mittwoch ist Klassenlehrerzeit. Je Jahrgang gibt es immer eine Fördergruppe mehr als es Klassen gibt. Das soll einmal die Gruppengröße bei ca. 15 Schülern halten und außerdem Kollegen daran hindern, normalen Unterricht zu machen, da sie so nie ihre Klasse bzw. ihren Kurs haben. Eine Förderperiode dauert somit vier oder fünf Wochen, womit ein Fördermodul mit vier bis fünf Stunden gefördert wird, verteilt auf acht bis zehn Halbstunden. Für jede Jahrgangsstufe gibt es ein Förderteam. Diesen stehen entsprechend der Gruppenzahl Räume zur Verfügung. Anhand des zum vorherigen Halbjahresende durch die Fachlehrer festgestellten Förderbedarfs werden die Schüler nun in Gruppen eingeteilt. Klassenlehrer haben zuvor den Förderbedarf ihrer Schüler in eine Übersichtsliste eingetragen. In den Fördergruppen findet zu Beginn ein Planungsgespräch statt mit den Schülern, so die Idee. Anschließend sollen die Schüler möglichst eigenständig an ihrem Thema arbeiten, wobei die Lehrperson lediglich beratende und unterstützende Funktion hat. Zum Ende des Fördermoduls bewerten die Schüler ihren Erfolg (noch große Schwierigkeiten, teilweise noch Schwierigkeiten, kann das schon). Verschiedene Fördermodule werden im Verlauf des Halbjahres mehrfach wiederholt, je nach Bedarf, um einmal allen Schülern mit entsprechendem Förderbedarf das Modul anbieten zu können und den Schülern, die nach einem ersten Durchlauf noch weiteren Förderbedarf haben, eine erneute Teilnahme am Modul zu ermöglichen.

Die Förderteams treffen sich im Laufe des Halbjahres regelmäßig, um die Zuteilung der Schüler zu den Gruppen zu regeln. Dabei können sie auch Themenänderungen vornehmen, wenn sich dieses aus dem aktuellen Bedarf ergeben sollte.

Um das eigenständige Arbeiten der Schüler im Fördermodul zu ermöglichen aber auch um fachfremde Kollegen beim Fördern in einem ihnen weniger vertrauten Bereich zu unterstützen, sollen für alle Fördermodule Materialpakete zusammengestellt werden. Die Inhalte sollen aus in der Schule über die Jahre gesammelten Materialien bestehen, aus neu erstellen Materialien und hinzugekauften. Vor allem in den unteren Jahrgangsstufen soll das Fördermaterial so angelegt sein, dass es verschiedene Zugänge zum Lerngegenstand ermöglicht. Für die zentrale Lagerung und Systematisierung der Materialienpakete soll es einen speziellen Raum geben.

Zu Beginn der Fünf, wo es keine Förderempfehlungen aus dem vorherigen Halbjahr gibt, sollen die Kinder getestet werden, um ihren Förderbedarf zu ermitteln. Erst danach soll ihre Förderung anlaufen. Starke Schüler aller aber vor allem der oberen Jahrgangsstufen sollen in ihren Stärken gefördert werden, indem sie in ihren starken Bereichen in Fördergruppen als Tutoren eingesetzt werden und dadurch ihre Stärken dort ausbauen. Dokumentiert wird die Förderung mit den Förderplänen und anderen Materialien in einem Förderportfolio über die Schulzeit hinweg.

Für mich klingt das System machbar. Der Aufwand für die Kollegen hält sich in Grenzen und der Verwaltungsaufwand sollte nicht zu groß sein. Ein Kraftakt ist jedoch die Zusammenstellung der Materialen zu Beginn und während des ersten Jahres. Später wird nur noch ergänzt und verbessert. Gute Materialien sollten es den Kollegen leicht machen und verhindern, dass selbst die, die wenig Interesse an der Veränderung haben, sich eben dieser Materialien bedienen anstatt einfach Kopien in die Gruppe zu geben oder sie sonst wie zu beschäftigen. Erhofft ist natürlich, dass Lehrer aus dem Förderunterricht Anregungen für ihren regulären Unterricht übernehmen, wenn sie sehen, wie gut es läuft (falls es gut läuft!). Wenn es so funktionierte, wäre das schön. Ich mache mir allerdings auch keine Illusionen, dass jeder mit Begeisterung mitmacht oder es nicht sogar Kollegen gibt, die sich nicht an die Regeln halten und machen, was ihnen passt. Anders als in der freien Wirtschaft scheint das in Schulen zur Normalität zu gehören.

Als Steuergruppe haben wir dieses Förderband erarbeitet und wollen es nach einem Jahr erstmals evaluieren. In einem Wiki haben wir bereits Fragen gesammelt für die Evaluation. Das hilft schon beim Erarbeiten des Konzeptes. Diese Woche machen wir eine Fortbildung zum Thema individuelle Förderung mit dem Kollegium. Eine Lehrerin, die sich durch Fortbildungen darauf spezialisiert hat und das Thema Förderband von zwei Schulen aus eigener Erfahrung kennt, wird die Veranstaltung leiten. Das Kollegium soll damit auf den Weg gebracht werden, sich mit dem Thema Fördermaterialien aktiv auseinanderzusetzen. Danach soll es daran gehen, diese Materialien dann, wie oben beschrieben, zusammenzustellen.

Im Planungsgespräch mit der Fortbildnerin redeten wir auch über unser Konzept für das Förderband. Sie findet es gut und hält es für machbar. Allerdings hat sie selbst andere Erfahrungen gemacht und sagte uns, Schüler wären am überzeugtesten bei einem Förderband dabei, wenn sie sähen, welchen Vorteil es hier und jetzt für sie brächte. Das wäre dann der Fall, wenn die Förderung einen unmittelbaren Bezug zu den gerade im Unterricht aktuellen Themen hätte. Außerdem solle man auch Sport in die Förderung einbeziehen, um Kinder mit Defiziten in Bewegung und Wahrnehmung dort zu fördern. Das hätte oft auch Auswirkungen auf andere Bereiche. Man solle nach ihrer Erfahrung generell in allen Fächern fördern. Das käme den Kollegen entgegen, die so nicht fachfremd fördern müssten. Viele kleine Gruppen, das klappt nach ihren Erfahrungen meist auch nur eingeschränkt, weshalb es dann letztlich doch auf Klassengruppen hinauslaufe. Habe man einen zusätzlichen Kollegen, könne dieser entweder in den Gruppen wechselnd unterstützen oder eben mal eine kleinere Gruppe herausziehen und in die Sporthalle gehen oder zu einem anderen Thema arbeiten. Es sei auch vorstellbar, dass man im Förderband mal eine Gruppenarbeit vom Vortag fortsetze oder  eine Gruppe etwas für den Sportunterricht aufbaue. Auch da sei Förderung möglich. Über Material, so sagte sie, brauche man sich zunächst weniger Gedanken machen, denn schließlich gebe es genug davon in der Schule verstreut und zu Hause bei den Kollegen.  Das solle man nehmen und eventuell ergänzen. So könne man die Arbeitsbelastung deutlich geringer halten. Diagnosematerial gäbe es mittlerweile ausreichend im Internet, wo man bei Bedarf drauf zugreifen könne.

Die Steuergruppe stellte nach dem Gespräch zunächst einmal unser bisheriges Konzept komplett in Frage. Und nun stehen wir wieder am Anfang, ohne ein Konzept. Was die Fortbildnerin gesagt hatte, klang vernünftig für die Mehrheit und mit Hinblick auf ein eher unwilliges Kollegium attraktiver.

Das kann ich schon nachvollziehen. Allerdings sehe ich auch, als jemand, der eher zu Pessimismus neigt, Schwachstellen. Ein Konzept wie dieses öffnet für mich der Beliebigkeit Tür und Tor. Ich habe lieber System, lieber ein Korsett, lieber Vorgaben, die es den Kollegen dann aber auch leicht machen können, die Richtung zu halten. Dass sich die Steuergruppe mit dem oben beschrieben Konzept im Kollegium weniger Freunde machen wird, ist aber auch klar. Grundsätzlich kann man natürlich sagen, jeder Unterricht ist Förderung. Doch damit macht man es sich nach meiner Meinung zu einfach.

Ein ehemaliger Kollege, der seit zwei Jahren an einer anderen kleineren Hauptschule unterrichtet, stellte uns mit einem seiner Kollegen das Förderband seiner neuen Schule vor. Dort reicht es mangels Lehrpersonal nur für Förderband mit Klassengruppen. Es wird dort schon anders gearbeitet als im normalen Unterricht, eigenständig. Man arbeitet viel mit Kopien und aus den Büchern und mit Starkheften in den oberen Klassen. Man hat ein Förderband und ist zufrieden damit. Mich sprach das nicht an. Ich erwarte mehr, vielleicht zu viel.

Förderkonzepte gibt es viele. Man findet einiges davon im Internet. Eine Schule fand ich, die legte viel Wert auf die Diagnose und ließ sich viele Kollegen für dieses Thema fortbilden, so dass man professionelle Testverfahren kompetent anwenden kann, um den Förderbedarf möglichst gut zu bestimmen. Eine andere Schule förderte täglich 45 Minuten und benotete diesen Förderunterricht sogar noch. Viele Schulen mit Förderband, die meisten, sind Ganztagsschulen. Sie können damit das Fördern noch anders integrieren. Wir müssen es mit der Stundentafel verrechnen, irgendwie. Das bedeutet, je eine Stunde weniger regulären Deutsch-, Mathematik- und Englischunterricht. Dazu kommt noch unsere zusätzliche Umstellung auf den 60-Minuten-Takt.

Das ist der Stand der Dinge an meiner Schule, was das Förderband und seine Organisation angeht. Irgendwie ist alles offen und was nun am Ende dabei herauskommt, kann ich nicht sagen. Der wichtigste Punkt wäre eigentlich eine Veränderung in den Köpfen der Lehrer an meiner Schule. Gäbe es die, bräuchte es nicht einmal die Krücke Förderband. Wir hoffen, und das ist die ungeschminkte Wahrheit, durch eine äußere, strukturelle Wandlung auf Dauer eine innere Veränderungen bewirken zu können.

Anhang:

Ein Mindmap zum Thema Förderband, Förderband-Organisation (ein paar PDFs)

Rüttgers und Hauptschule

Posted in Hauptschule by damianduchamps on April 9, 2010

In den WAZ Blättern stand die Woche zu lesen:

Geben Sie der Hauptschule im Falle Ihrer Wiederwahl eine Bestandsgarantie?

Rüttgers: Wir haben in den letzten fünf Jahren den Unterrichtsausfall halbiert, über 8 000 zusätzliche Lehrerstellen geschaffen und große Schritte getan, die individuelle Betreuung zu verbessern, – damit die Kinder mehr Chancen zum sozialen Aufstieg haben. Ich werbe darum, dass wir keine Schule als Restschule abstempeln, wie das die Opposition mit der Hauptschule macht. Hauptschüler sind keine Restschüler. Rund die Hälfte der Lehrstellen im Handwerk werden mit Hauptschulabsolventen besetzt. Ich bleibe bei meiner Linie: Wir versuchen den Unterricht für die Schüler zu verbessern, statt die Gymnasien, die Realschulen, die Hauptschulen und sogar die Gesamtschulen zu zerschlagen.

Mit Jürgen Rüttgers wird es also auch 2015 noch Hauptschulen in Nordrhein-Westfalen geben?

Rüttgers: Das ist die vernünftige und richtige Lösung für die jungen Menschen mit einer praktischen Begabung. Wir werden alles dafür tun, dass Hauptschüler mehr noch als bisher auch eine Lehrstelle bekommen und damit auch einen guten Beruf.

[…]

Rüttgers: In meiner Regierungszeit gibt es jetzt endlich auch an Gymnasien, Realschulen und Hauptschulen Ganztagsangebote. Das wollen wir bis 2015 auf 43 Prozent erhöhen. Ich möchte im übrigen, dass die Eltern selbst entscheiden können, ob sie ihr Kind auf eine Ganztagsschule schicken oder auf eine Halbtagsschule. Zwang wäre da völlig falsch.

Quelle: http://www.soester-anzeiger.de/nachrichten/nordrhein-westfalen/ich-bleibe-meiner-linie-706978.html

Herr Rüttgers bekennt sich zur Hauptschule. Schön. Der Hauptschule hilft das wenig. Sie ist quasi schon tot. Eltern stimmen mit den Füßen ab, und wer kann es ihnen verdenken? Der Ruf der Hauptschule ist so schlecht, dass es kaum noch schlechter geht. Wer das Etikett Hauptschule am Zeugnis hat, der hat das Nachsehen, wenn es um Lehrstellen geht. Und dabei sind Hauptschüler mitnichten schlechter als Realschüler. Selbst bei gleichem Abschluss, werden die Hauptschüler mittlerweile fast nur noch hintenan gestellt. Politik hat die Hauptschule jahrelang kaputt gemacht. Heute erleben wir die Folgen. Die Hauptschule ist für mich wie ein Koma-Patient, dem man nun in letzter Minute mit allerlei schönen, gut verkaufbaren Maßnahmen, noch einmal etwas Leben einhauchen will. Die Hauptschule ist an sich eine gute Schule und verglichen mit Realschule und Gymnasium sicher am progressivsten. Nach der Grundschule ist die Hauptschule wohl die am fortschrittlichsten entwickelte Schule. Doch was nützt es noch?

Wer an einer Hauptschule in NRW arbeitet, schwebt momentan quasi im luftleeren Raum. Wie wird die Wahl ausgehen? Was geschieht dann? Wird die Hauptschule aufgelöst? Werden wir zusammengelegt mit den Realschulen? Fragen über Fragen. Unsicherheit lähmt die Lehrerzimmer vieler Hauptschulen.

An meiner Hauptschule versucht die Steuergruppe trotz allem, die Entwicklung der Schule voranzubringen. Förderband und 60-Minuten-Takt sollen zum neuen Schuljahr kommen. Die Steuergruppe ist optimistisch, die Schulleitung unterstützt es und das Kollegium wartet ab. Ein Teil lehnt jegliche Veränderung kategorisch ab.

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