Damian Duchamps' Blog

Bye bye Hauptschule NRW

Posted in Hauptschule, Schulpolitik by damianduchamps on September 16, 2010

Wenn die Pläne der neuen Landesregierung so umgesetzt werden, wie beabsichtigt, wird nach der Grunschulzeit der Elternwille bei der Wahl der weiterführenden Schule Vorrang haben.

Im Koalitionsvertrag heißt es dazu:

Wir werden dafür sorgen, dass der Elternwille wieder Vorrang hat. Deshalb werden wir die Verbindlichkeit der Grundschulgutachten aufheben und den Prognoseunterricht abschaffen. Zukünftig sollen die Eltern beraten werden und dann selber entscheiden, welche Schule ihr Kind besuchen soll.

Gleichzeitig will man zukünftig Gymnasien und Realschulen dazu verpflichten, Schüler, die sie aufgenommen haben, selbst zum Ziel zu führen. Abschulen, wie bisher soll es demnach nicht mehr geben.

Die Frage ist nun natürlich, wie sich all dieses, sofern es in der Schulgesetzgebung des Landes umgesetzt wird, in der Praxis auswirken wird.

Wie die neue Bildungsministerin richtig in ihrer Rede zum Auftakt des neuen Schuljahres am 27.08.2010 feststellte, ist schon jetzt die Hauptschule in NRW diejenige Schulform, die den Rückgang der Schülerpopulation am deutlichsten spürt.

Trotz der Hauptschuloffensive der Vorgängerregierung ist die Hauptschule die Schulform, die prozentual die Hauptlast des gesamten Rückgangs der Schülerzahlen trägt. Das liegt nicht an der Arbeit in den Hauptschulen – die ist und bleibt ausgesprochen gut und hoch engagiert. Die Kolleginnen und Kollegen geben ihr Bestes für ihre Schülerinnen und Schüler. Eltern sehen aber für ihre Kinder in der Hauptschule keine oder zu wenig Perspektiven. Immer weniger Eltern entscheiden sich, ihre Kinder an einer Hauptschule anzumelden: Die Übergangsquoten von der Grundschule in die Hauptschule sind seit 2005 bis 2009 sogar von 16,2 auf 13,3 Prozent gesunken, während sie an anderen Schulformen steigen.

An der kleinen Hauptschule im ländlichen Raum, an welcher ich arbeite, ist die Welt längst nicht mehr in Ordnung. Zwar liegt die Übergangsquote hier vor Ort noch über der von Frau Löhrmann zitierten, doch auch bei uns ist der Trend eindeutig zu spüren. Wenn Eltern die Möglichkeit haben, melden sie ihr Kind an der Realschule im gleichen Schulzentrum an. Der Grund ist alleine der Kopf auf dem Zeugnis, der „Hauptschule“ lautet. Die Aussage einer Mutter gegenüber meiner Schulleitung bestätigt dieses. Sie sagte, dass sie unsere Schule in ihrer Arbeitsweise für die bessere halte, ihr Kind aber trotzdem auf der Realschule angemeldet habe, da es eben eine Realschule sei und das Kind mit deren Zeugnis die besseren Chancen haben werde.

Wir konnten an meiner Hauptschule noch so gerade eben drei Klassen in der neuen Fünf bilden, und das schulden wir nur der Tatsache, dass es in der Gemeinde so viele Kinder mit Förderbedarf gibt, dass wir eine GU Klasse einrichteten. Für das nächste Jahr rechnen wir, sollten die im Koalitionsvertrag erklärten Absichten bezüglich des Elternwillens Gesetz werden, damit, höchstens noch zwei Fünfer-Klassen bilden zu können. Wie Realschule und Gymnasien vor Ort auf die Veränderungen reagieren werden, ist nur zum Teil abzuschätzen.

Alle Schulen haben einen Selbsterhaltungstrieb. Auch Realschule und Gymnasien spüren bei uns den Rückgang der Schülerzahlen. Zwar stehen auch Pensionierungen an, den Statistiken zufolge schrumpfen die Schülerzahlen über die nächsten Jahre jedoch schneller. Keine Schule möchte Lehrer abgeben und auch Lehrer haben meist ein Interesse, nicht versetzt zu werden (da dieses oft mit weiteren Fahrtstrecken oder gar einem Umzug einhergeht). Die anderen weiterführenden Schulen werden in Folge also lieber auch schwächere Schüler aufnehmen und sehen, wie sie diese fördern können, wenn sie damit eine Schrumpfung im Personal vermeiden können.

Für meine Schule wird das Heil in der von der Koalition favorisierten Gemeinschaftsschule liegen. Wie die dann genau aussehen wird, ist noch offen. Vielleicht gibt es eine gemeinsame Eingangsstufe in Klasse 5 oder 5 und 6, nach welcher die Schüler im Haus aufgeteilt werden. Der Schulträger unserer Gemeinde wurde bereits von der Bundestagssabgeordneten des Kreises angesprochen und der hat Sondierungsgespräche aufgenommen mit allen beteiligten Gruppen. Hier vor Ort regiert zwar die CDU, doch über eine Verbundschule dachte man schon länger nach, auch um Kosten zu sparen – und in manchen Köpfen soll sogar noch der alte Gesamtschulgedanke herumspuken, den man vor mehr als dreißig Jahren bei der Errichtung des Schulzentrums einmal hegte.

Was das Thema Hauptschule angeht, in NRW gibt sich vermutlich kaum noch jemand der Illusion hin, dass diese Schulform eine Zukunft haben wird, weder in den Ballungsgebieten, wo sie schon jetzt  am Tropf hängt, noch in den ländlichen Regionen, wo sie bisher noch einigermaßen funktionierte.