Damian Duchamps' Blog

Sie verstehen kaum, was sie lesen oder hören

Posted in Hauptschule, Kompetenzen, Uncategorized by damianduchamps on Februar 5, 2017

An meiner Schule wurden 2016 letztmalig die Lernstandserhebungen Klasse 8 durchgeführt, letztmalig da die Hauptschule ausläuft. Die Ergebnisse für meinen Englisch Grundkurs waren bescheiden. Sie lagen beim Leseverstehen komplett im Niveau 1 und 2. Auch das Hörverstehen war vergleichbar bescheiden. Im Parallelkurs gab es zumindest noch einige wenige Schüler im Niveau 3.

Verglichen mit dem Landesdurchschnitt für die Schulform und den entsprechenden Standorttyp 1 waren diese Ergebnisse jedoch nicht deutlich abweichend. Warum aber, so fragt man sich, ist das Niveau so gering? Warum ist es an meiner Schule so gering und warum ist es auch an vergleichbaren Schulen nicht besser?

Da mir auch die Ergebnisse für das Leseverstehen Deutsch vorlagen, verglich ich diese mit denen von Englisch. Die Ergebnisse in Deutsch umfassen die gesamte Klasse, die meines Grundkurses nur einen Teil der Klasse. Nicht überraschend ist zunächst die Beobachtung, dass sich die Ergebnisse im Leseverstehen der beiden Grundkurse Englisch im Fach Deutsch der jeweiligen Klassen widerspiegeln.

leseverstehen

Mit großer Wahrscheinlichkeit rekrutieren sich die Schüler meines Grundkurs Englisch eher aus denen, die auch in Deutsch im Leseverstehen lediglich Niveau 1 und 2 erreichten (siehe Grafik). Schüler, die schon nicht in der Lage sind, einen deutschen Text lesend mehr als oberflächlich zu verstehen, werden dieses auch bei der englischen Sprache nicht besser können. Liegt eigentlich nahe. Entsprechendes ist für das Hörverstehen zu vermuten, welches in Deutsch nicht getestet wurde.

Das Leseverstehen (Englisch) meiner Schüler und von Schülern an Schulen mit gleichem Standorttyp und an der Schulform insgesamt ist erstaunlich gering. Mit dem Auffinden einfacher Informationen an der Textoberfläche haben die Schülerinnen und Schüler wenig Probleme und auch das Auffinden von Informationen, die in der Aufgabenstellung etwas anders formuliert sind als im Text, klappt noch so einigermaßen. Darüber hinaus geht aber kaum etwas.

Dass meine Schüler in Englisch sehr schwach sind, das wusste ich schon vor der Lernstandserhebung, und ich kenne auch einen Teil der Ursachen. Auch im Unterricht und den Leistungsüberprüfungen zeigte sich das geringe Lese- und Hörverstehen immer wieder deutlich. Sehr überrascht hat mich jedoch das insgesamt geringe Niveau des Leseverstehens in Deutsch. Zwei Drittel der Schüler schaffen nicht mehr als Niveau 2 – Einfaches Verstehen: „Schülerinnen und Schüler können wesentliche Gedanken eines Textes verstehen und Informationen einander zuordnen.“ Sie sind jedoch nicht in der Lage, aus dem Gelesenen Schlüsse zu ziehen, zwischen den Zeilen zu lesen oder einen Text differenziert zu deuten. Und das gilt nicht nur für meine Schule, sondern auch darüber hinaus für Schulform und den Standorttyp.

deutsch-lesen

Diese Ergebnisse gelten für den Standorttyp der Stufe 1. Das ist noch der günstigste Standorttyp, hier ist die Welt noch relativ in Ordnung.

Standorttyp der Stufe 1

  • Unter 5% der Schülerinnen und Schüler haben – unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit – einen Migrationshintergrund.
  • Unter 5% der Schülerinnen und Schüler bekommen Sozialgeld nach SGB II oder kommen aus Familien, die den gesetzlich geregelten Eigenanteil im Rahmen der Lernmittelfreiheit nicht aufbringen können und zur Unterstützung Sozialhilfe nach SGB XII erhalten.
  • Für die Mehrzahl der Schülerinnen und Schüler gilt, dass die elterliche Wohnung in einem Wohngebiet liegt,
    • dessen Einwohnerinnen und Einwohner ein hohes Einkommen aufweisen, o in dem der Anteil der Empfängerinnen und Empfänger von SGB II Leistungen sehr gering ist,
    • welches einen sehr niedrigen Ausländeranteil aufweist,
    • welches einen sehr niedrigen Arbeitslosenanteil aufweist.
  • Die Mehrzahl der Schülerinnen und Schüler stammt aus einem Wohnumfeld mit einem hohen Wohnwert.

Quelle: Deskriptive Beschreibung der Standorttypen von Schulen bei den Lernstandserhebungen in Nordrhein-Westfalen.pdf

Man fragt sich nun, wie die Ergebnisse der Lernstandserhebung bei den anderen, ungünstigeren Standorttypen ausfallen werden, besser sicher nicht.

Das geringe Leseverstehen, welches die Lernstandserhebung Deutsch den Schülern der Klasse 8 attestiert, wird sich nach meinen Erfahrungen auch in den verbleibenden Jahren an der Schule bei den wenigsten merkenswert verbessern. Es beeinträchtigt so die gesamte Schullaufbahn dieser Schüler. Immer wenn es um schriftliche Aufgabenstellungen und Anweisungen geht oder wenn Informationen aus Texten entnommen werden sollen, werden diese Schüler deutliche Probleme haben, Probleme, weil sie nur unzureichend verstehen, worum es geht. Selbst in der Fremdsprache Englisch schlägt sich dieses nieder, noch einmal zusätzlich beeinträchtigt durch unzureichend verfügbares Vokabular. Vielen wird diese Beeinträchtigung nicht einmal bewusst sein, da das Gehirn so etwas einfach ausblendet oder kompensiert.

Doch hier hört es leider nicht auf. Diese jungen Menschen, die meiner Schule im günstigen Umfeld und die vielen anderen aus weniger günstigen Standorttypen mit wohl noch geringerem (Hör- und) Leseverstehen werden bald in die Gesellschaft entlassen. Dort müssen sie ein Leben lang mit ihrem geringen Leseverstehen zurecht kommen, wenn sie am Arbeitsplatz sind, wenn sie Verträge für Käufe oder Versicherungen unterschreiben, wenn sie sich über etwas informieren wollen und ähnlich. Und wenn ich an die parteipolitische Landschaft unseres Landes denke, dann werden sie Parteien begegnen, die mit Parolen in einer einfachen, griffigen Sprache daher kommen, genau wie für sie gemacht, eine Sprache, die auch sie verstehen, eine Sprache auf Niveaustufe 1.

Wer ihnen dann in Zeitungen, Magazinen, Talkrunden oder anderen textlastigen Formaten erklären und ausführlich auseinandersetzen möchte, warum diese Parteien vielleicht nicht so gut sind, polarisieren wollen, ein einseitiges Menschenbild zeichnen und ähnlich, wird sie nicht erreichen, denn sie werden kaum verstehen, was sie da lesen oder hören.

Vielleicht ist das jetzt ein sehr einfach gezeichnetes Bild. Es ist auch nicht neu, dass Schule viele junge Menschen nur unzureichend auf das Leben vorbereitet entlässt. Mir war es jedoch, angeknüpft an die Ergebnisse der LSE 8 meiner Schule, noch einmal ein Anlass zum Nachdenken über die Tragweite dieser Versäumnisse des Systems Schule.

Die Bildungsverlierer

Posted in Hauptschule, Schulpolitik by damianduchamps on Februar 27, 2011

Nachdem ich heute das sehr interessante ZDF Interview mit Christian Füller las, musste ich mich auch des Themas annehmen. Worüber ich hier schreibe, ist nicht neu. Ich möchte allerdings einfach einmal aus meinem Erleben plastisch machen, was man sonst so allgemein beschreibt, wenn es um die Bildungsverlierer geht. Zu denen zähle ich nicht nur die Kinder, die am Ende ihrer Schulzeit ein Lesevermögen auf Grundschulniveau haben, sondern den Großteil der Kinder, die heute eine Hauptschule besuchen.

Ich unterrichte nunmehr seit 13 Jahren an einer Hauptschule im ländlichen Bereich. Über lange Jahre war hier die Welt scheinbar noch in Ordnung. Irgendwann kam im Schulzentrum eine Realschule hinzu. Das war vor meiner Zeit. Seit der Realschule sinken die Übergangsquoten von den Grundschulen zu unserer Schule kontinuierlich. Die Hauptschule mit einst nahezu 1200 Schülern hat heute noch knapp über 400 Schüler und die Realschule beinahe 500. In den letzten zehn Jahren machte sich die Abwanderung von Kindern, die traditionell Hauptschüler gewesen wären, zur Realschule im Leistungsniveau unserer Schüler immer stärker bemerkbar. Jeder neue Fünferjahrgang schien den vorherigen zu übertreffen in Bezug auf die Anzahl der Problemfälle und die allgemein schwachen Lernvoraussetzungen, welche die Kinder mitbrachten. Vor allem in den letzten Jahren nahm der Anteil der Neuzugänge mit massiven Problemen stark zu. Die Grundschulen stehen unter großem Druck der Eltern, die ihre Kinder um jeden Preis ans Gymnasium schicken möchten. Die Eltern kann man verstehen. Wer möchte nicht das Beste für sein Kind? Grundschulen zählen von ihrer Pädagogik her zum Modernsten, was unser Land momentan zu bieten hat. Sie unterrichten sehr offen und versuchen, ihren Schülern möglichst individuelle Lernwege zu eröffnen. Allerdings scheinen auch sie vielfach überfordert, wirklich alle Kinder dort abzuholen, wo sie stehen. Von Grundschullehrerinnen und -lehrern höre ich das zumindest immer wieder. Sie berichten von Fällen, die ihre Möglichkeiten einfach übersteigen. Das sind verhaltensauffällige Kinder, Kinder mit sprachlichen Problemen durch Migrationshintergrund, entwicklungsverzögerte Kinder, durch Familienprobleme traumatisierte Kinder, vernachlässigte Kinder, nicht erzogene Kinder, verhaltensgestörte Kinder, usw.. Diese Kinder fallen bereits in der Grundschule durchs Raster. Oft hat man an der Grundschule weder die Ressourcen noch die Expertise, um diesen Kindern zu helfen. Einige Kinder werden mit ihren Problemen übersehen, für einen Teil wird ein so genanntes GU-Verfahren eröffnet und wieder andere nimmt man einfach so mit. Die Kinder, für welche sonderpädagogischer Förderbedarf festgestellt wird, können einer GU-Klasse (Klassen mit gemeinsamem Unterricht, d.h. eine Lehrkraft einer Förderschule ist mit Stunden für die Klasse abgeordnet) zugewiesen werden, falls man ausreichend GU-Kinder in den entsprechenden Jahrgängen hat, und eine solche Klasse an der eigenen Schule aufmachen kann. Sonst werden Kinder mit festgestelltem Förderbedarf an eine Förderschule abgegeben (bzw. abgeschoben).

An meine Hauptschule kamen bisher alle Kinder, welche eine Empfehlung für die Hauptschule hatten oder eine eingeschränkte Empfehlung für die Realschule und von dieser abgewiesen wurden. Außerdem landeten bei uns auch alle so genannten GU-Kinder, also Schüler mit ausgewiesenem Förderbedarf, sofern die Mindestzahl von sechs Kindern erreicht wurde. Die ist notwendig, um überhaupt eine GU-Klasse eröffnen zu können. Auch zu Beginn dieses Schuljahres haben wir wieder eine solche Klasse aufgemacht. Es kamen mehrere Kinder mit Förderbedarf von den Grundschulen und für einen Schüler mit Migrationshintergrund aus der Fünf des Vorjahres war Förderbedarf festgestellt worden und er wurde dieser Klasse zugewiesen. In den ersten Wochen versuchen wir zu diagnostizieren, wo die Kinder stehen. In Mathematik erreichten von allen Kindern der drei Klassen nicht einmal 10 % den in dieser Altersgruppe zu erreichen Normalwert im Rechenvermögen. So extrem hatten wir das bisher noch nicht erlebt. Auch im Bereich Deutsch konnten wir bei vielen Kindern enorme Defizite feststellen.

Wir kämpfen jetzt mit Schwierigkeiten an vielen verschiedenen Fronten. Alleine in meiner Klasse mit 22 Kindern haben wir mindestens fünf Kinder mit riesigen Problemen. Zum Halbjahresende hatten wir mehrere Kinder mit über 100 Fehlstunden. Da ist ein Junge, der irgend eine Verhaltensstörung hat. Schon in der Grundschule gab es Probleme, welche die Mutter, getrennt lebend, jedoch der Schule zuschrieb und ihr Kind an einer anderen Grundschule anmeldete. Die Probleme blieben jedoch. Wir wussten davon zunächst nichts. Der Junge fällt bei seinen Mitschülern negativ auf, da immer wieder engen Körperkontakt sucht. Er fasst sie an, umarmt sie, greift sie in die Haare und ähnlich. In den Anfangswochen erlebten wir außerdem mehrfach, dass der Junge bei bestimmten Problemen mit Mitschülern völlig blockierte und sich starr wie eine Salzsäule an die Wand stellte und nicht mehr ansprechbar war für eine halbe Stunde und länger. In einem Fall kauerte er ohne jegliche Bewegung eine Unterrichtsstunde lang draußen auf dem Flur vor dem Klassenzimmer. Eine Schülerin kommt aus sozial sehr schwierigen Verhältnissen. Die Mutter und ihr Lebensgefährte sind Hartz IV Empfänger und die etwas ältere Schwester ist ein der GU-Fünf gelandet. Häufig kommt das Kind verdreckt in den Unterricht, Essensflecke auf der Kleidung. Das Mädchen fehlt häufig und hatte mehr als einmal Läuse. Regelmäßig fehlen Sachen in ihrer Schultasche. Wir versuchen, mit den Eltern zusammen zu arbeiten und bestimmte Maßnahmen für das Mädchen zu ergreifen. So haben wir zum Beispiel eine Hausaufgabenbetreuung an unserer Schule, in der siebten und achten Stunde. Das Mädchen möchte dort nicht hingehen, auch wenn es große Schwierigkeiten mit der Erledigung der Hausaufgaben hat. An unserer Schule kann man ein warmes Mittagessen haben. Das können die Eltern nicht bezahlen. Und Butterbrote für den Mittag, das will das Mädchen nicht und es wickelt seine Mutter um den Finger, so dass diese der Tochter Recht gibt. Das Jugendamt ist bereits eingeschaltet. Dann haben wir einen Jungen, der in seiner Entwicklung stark zurückgeblieben scheint. Er fehlt häufiger. Wir sind bei diesem Kind noch nicht sicher, was das Problem ist und hoffen nun, dass die Mutter bereit ist, mit dem Jugendamt zusammenzuarbeiten. Ein weiterer Junge ist in seinem Verhalten ebenfalls mehr als auffällig. Er ist sehr unruhig, kann sich kaum konzentrieren und hat entsprechende Schwierigkeiten im Unterricht. Was genau das Problem ist, wissen wir allerdings auch hier noch nicht. Ich könnte an dieser Stelle noch weiter aufzählen, was mit verschiedenen Kindern in der Klasse nicht stimmt. Auch aus dem Vorjahr hätte ich noch Beispiele zu bieten. Rein auf den Unterricht betrachtet, ist vielen gemein, dass sie zu wenig Anstrengungsbereitschaft haben, kaum Frustrationstoleranz, geringes Durchhaltevermögen, mangelnde Selbstorganisation, wenig Selbstdisziplin und zum Teil wenig Motivation irgendetwas zu ändern. Die Ursachen sind, wie angedeutet, höchst unterschiedlich. In der Regel hatten die Kinder ihre Probleme schon in der Grundschule und oft äußerten sie sich dort noch massiver als bei uns. Bei uns sammeln sich jetzt die Problemkinder aus den verschiedenen Grundschulen.

Die Probleme sind, wie oben angedeutet, äußerst vielfältig. Verhaltensauffälligkeiten scheinen uns sehr häufig im Elternhaus begründet. Auch auf dem Land haben wir mittlerweile viele zerbrochene Familien. Und häufig sind es genau die Kinder aus diesen Familien, welche Verhaltensauffälligkeiten entwickeln, die dann zu schulischen Problemen führen. Kinder mit Migrationshintergrund haben häufig Probleme, da sie die deutsche Sprache nicht sicher beherrschen. Wir haben Kinder, die von der Grundschule ohne einen Zahlenbegriff kommen. Genauso kommen Kinder, die nach vier oder teilweise fünf Jahren Grundschule nicht richtig schreiben und lesen können. Es braucht spezielles Wissen, um zum Beispiel herauszufinden, warum manche Kinder bestimmte Rechenprobleme haben. Unsere Mathematiklehrer haben dieses Wissen aus ihrer Ausbildung in der Regel nicht. Sie wissen nicht, dass diese Kinder in der Grundschule völlig falsche und abstruse Rechenstrategien entwickelt haben, die bei diesen Kindern zu falschen Rechenergebnissen oder extrem langen Rechenwegen und großer Frustration führen. Wer es nicht selbst erlebt hat, kann sich kaum vorstellen, welche gewaltige Rechenleistung diese Kinder auf einzelne Aufgaben verwenden, so dass sie zum einen entweder grundsätzlich zu falschen Ergebnissen kommen oder aber so viele Rechenschritte machen, dass sich die Fehlerwahrscheinlichkeit enorm erhöht und sie außerdem in der vorgegebenen Zeit nur sehr wenige Aufgaben rechnen können (in Arbeiten schaffen sie niemals alle Aufgaben!). Es braucht viel Zeit und ein intensives, individuelles Eingehen auf diese Kinder, um diese Strategien zu ermitteln. Erst dann kann Ihnen geholfen werden, eine einfachere und sichere Strategie zu entwickeln.

Wenn ich mir vorstelle, dass ich an einer Hauptschule auf dem Land bin, dann wage ich nicht mir auszumalen, wie es mittlerweile an den verbliebenen Hauptschulen in den Ballungsgebieten aussieht. Be a hero, be a teacher. Die wahren Helden unter den Lehrern sitzen dort.

In der gegenwärtigen Situation haben Hauptschulen natürlich versucht, sich auf diese Probleme einzustellen. Hauptschulen mit Schulsozialpädagogen oder Schulsozialarbeitern können sich glücklich schätzen, da diese ihnen enorme Unterstützung bieten mit ihrem Fachwissen und ihrer Vernetzung. Auch Hauptschulen mit GU-Klassen können froh sein über diese, da sie so mit den Förderschulpädagogen Experten im Haus haben, die sie zumindest um Rat fragen können. Das größte Problem der Hauptschulen sehe ich vor allem darin, dass ihre Lehrerschaft nicht ausgebildet wurde, um mit den Problemen, mit welchen sie in ihrem Alltag konfrontiert werden, professionell umzugehen. Auch mit dem Thema individuelle Förderung tut Hauptschule sich wie nahezu alle anderen Schulformen extrem schwer. Eine wirklich effektive individuelle Förderung aller Schüler wird sich an kaum einer Hauptschule finden. Hauptschulen erben die Probleme ihrer Schüler von den Grundschulen, da diese genauso überfordert sind.

Von schulischer Seite her ist das Problem der Bildungsverlierer nur durch mehr und entsprechend qualifiziertes Personal zu lösen, egal wie das Schulsystem aussieht. Individuelle Probleme der Schüler müssen, so wie man es uns in Finnland vormacht, früh erkannt werden, um entsprechend reagieren zu können.

Die Probleme, welche Kinder in der Schule haben oder von außen mit in sie hineinbringen, sind wie Krankheiten. Bleiben sie unbehandelt, werden aus einer Krankheit mehrere, werden sie chronisch und mutieren sie am Ende zum Krebsgeschwür, welches den Schüler komplett zerstört. Wer sprachliche Defizite hat oder durch Schwierigkeiten im Mathematik- oder Fremdsprachenunterricht leistungsmäßig mehr und mehr zurückfällt, sich im Unterricht immer mehr langweilt, keine Selbstwirksamkeit mehr erfährt, tendiert auch eher dazu auch im Verhalten auffällig zu werden. Nicht anders verhält es sich, wenn ein Kind familiäre oder persönliche Probleme mit sich herumtragen muss.

Für mich ist klar, dass vor allem ganz unten und auf breiter Front massiv eingegriffen werden muss, um die 15% Bildungsverlierer gar nicht erst entstehen zu lassen. Neben der pädagogischen Komponente gibt es noch die gesellschaftliche Seite. Die Eltern potentieller Bildungsverlierer sind, so erleben wir es an meiner Hauptschule, nicht immer an Hilfe interessiert oder verweigern sich dieser sogar. Oft brauchen sie selbst Hilfe, um ihren Kindern helfen zu können. Auch hierfür müssen Möglichkeiten gefunden werden. Es kann nicht sein, dass Kinder durch das System fallen, weil ihre Eltern nicht helfen können oder alles blockieren.

Interessant ist die jüngste Entwicklung in NRW. Mit Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung und demographischem Schülerschwund saugt jetzt die Realschule den letzten Rest Schüler, welcher der Hauptschule als relativ unproblematisch verblieben war, aus dieser heraus. Das tut die Realschule ihrem Selbsterhaltungswillen folgend. Abschulen darf die Realschule ab sofort niemanden mehr. Gleiches gilt für die Gymnasien, welche sich auch jetzt wieder kräftig bei den Realschulen bedienen, um sich zu erhalten, was dann dazu führt, dass die Realschulen kaum noch jemanden abweisen können. Für die Realschulen wird es in Kürze ein böses Erwachen geben. Bisher waren sie mit den Problemfällen, wie die Hauptschule sie seit Jahren kennt, kaum konfrontiert. Und wenn es Problemfälle gab, landeten die bei der Hauptschule – Problem gelöst. Das geht jetzt nicht mehr. Realschulen mit ihren Riesenklassen werden mit Problemschülern noch weitaus mehr überfordert sein als wir als Hauptschule. Was man sich damit antut, ahnt noch kaum einer. Man saugt sich, bildlich gesehen, gerade eine Menge Sand ins Getriebe.

Die Hauptschule wird verschwinden. Das ist klar und nicht mehr zu ändern, egal wie man dazu steht. Die Kinder, welche an Hauptschulen landen, weil man sie an anderen Schulen nicht haben will, werden in NRW in Zukunft an einer Verbundschule landen oder Gemeinschaftsschule und je nach Region vielleicht an einer Gesamtschule. Das Problem ist damit jedoch noch immer nicht gelöst, wie mit diesen Kindern umgegangen wird, dass aus ihnen keine Bildungsverlierer werden.

Wir brauchen den Generationenwechsel

Posted in Alltag, Hauptschule, Schulentwicklung by damianduchamps on Januar 12, 2011

Schulentwicklung braucht Kraft und Energie und zwar direkt vor Ort an den Schulen. Veränderung braucht jedoch auch Köpfe, die sich von alten Vorstellungen lösen können. Eine Episode in meiner Schule, einer kleinen Hauptschule im südlichen Westfalen, machte mir dieses heute wieder einmal mehr als deutlich.

Im überregionalen Teil der Tageszeitung zitierte man ein Gymnasiallehrer aus Ennepetal, der seinen Standpunkt gegen die Gemeinschaftsschule darlegte. Ich selbst hatte den Artikel bereits am Morgen beim Frühstück gelesen. Der Kollege vom Gymnasium spricht sich vor allem gegen längeren gemeinsamen Unterricht aus.

Für einen Teil der Kollegen in meiner Hauptschule war dieser Artikel regelrecht Wasser auf die Mühlen. Ein Kollege hatte den Artikel mitgebracht und reichte ihn in Kopien umher. Durch den Artikel fühlten sich die Kollegen, die ohnehin für das gegliederte Schulsystem sind, in ihrer Meinung mehr als bestätigt. Seht ihr meinten sie, genau das sagen wir auch immer. Gemeinsames Lernen, heterogene Lerngruppen, Inclusion und ähnlich sind ihnen Fremdworte. Sie fahren ihren Unterricht so, wie sie das seit Jahrzehnten tun. Früher hatten wir natürlich auch andere Schüler, die gehen jetzt auf die Realschule oder sogar auf das Gymnasium, sagen sie. Unsere Schüler jetzt, die sind doch einfach nur faul, meinen sie, die wollen nicht lernen, zuhause stimmt es nicht und deswegen wundert es auch nicht, dass sie immer weniger lernen. Die Klassenarbeiten fallen entsprechend von Jahr zu Jahr schlechter aus. Wer nicht will, den kannst du auch nicht fördern. Da müssen erst mal die Eltern. Und in dem Ton geht es weiter.

Und dann kommen natürlich die Migranten dran. Wir haben ja hier nur die Dümmsten. Und viele von ihnen wollen gar nicht hier sein. Am besten gehen sie zurück, dahin wo sie hergekommen sind, so hört man diese Kollegen reden (Sarrazin lässt grüßen – sie finden, was er sagt übrigens richtig).

Spricht man sie dann auf Finnland an, dann sind die Migranten genau das Argument, welches ihnen Recht gibt, dass das finnische Modell hier bei uns auf gar keinen Fall funktionieren kann, denn die haben ja keine oder kaum Migranten. In Kanada habe man zwar mehr Migranten, sagen sie, wenn man nun auf Kanada und dort die Provinz Ontario verweist, aber in Kanada suche man sich seine Einwanderer sehr gezielt aus. Wer dumm ist oder keine Leistung bringen will, der komme gar nicht ins Land hinein. Also lasse sich dieses System mit unserem auch nicht vergleichen, so ihr Argument. Danach wettert man dann vielleicht noch ein wenig auf verfehlte Immigrationspolitik in Deutschland.

Modernere Unterrichtsmethoden, ach hör mir damit auf, meinen sie. Eine jüngere Kollegin, die sehr offen unterrichtet und einen dieser älteren konservativen Kollegen bat, seinen Unterricht in ihrer Klasse doch entsprechend ein wenig anzupassen, bekam zu hören, dass man sich mit 30 Berufsjahren Erfahrung doch nichts von einer jüngeren Kollegen vorschreiben lassen müsse.

Veränderung, dagegen sind diese Kollegen, von denen ich hier berichte, eigentlich nicht. Sie wünschen Veränderung, wie so viele andere auch. Die Veränderung, die Sie sich vorstellen, bedeutet jedoch das Rad um mindestens 20 oder gar 30 Jahre zurück zu drehen.

Nein, sagten sie mal, als bei uns eine Gruppe Veränderungen anstoßen wollte, wir stellen uns euch nicht den Weg, denn ihr müsst sie noch länger unterrichten. Dass sie sich dann an den Veränderungen beteiligen, das könne man von ihnen wohl aber nicht mehr erwarten. Damit war das Thema für sie erledigt.

Was ich hier geschildert habe an Beobachtungen, trifft nur auf einen Teil meines Kollegiums zu und lässt sich auch nicht für alle Kollegen und Kolleginnen über 50 verallgemeinern und das möchte ich auch nicht. Es gibt unter den älteren Kolleginnen und Kollegen viele, die über lange Jahre sehr engagiert an ihrer Schule gearbeitet haben und dieses auch heute noch immer tun, wenn vielleicht auch teilweise mit gedrosselter Energie. Aus meiner Erfahrung muss ich jedoch sagen, dass die veränderungsresistenten überwiegend älteren Kollegen den Entwicklungsprozess meiner Schule nicht unwesentlich be- oder vielleicht sogar auch verhindern. Einige von ihnen werden zum Ende des Schuljahres pensioniert und das ist auch gut so. Sie haben über viele Jahre gute Arbeit geleistet und dafür respektiere ich sie sehr. Ich kann jedoch nicht akzeptieren, dass sie sich als Bildungsprofis selber von Lernprozessen ausschließen. Von daher muss ich sagen, ist es besser, dass sie endlich gehen.

Natürlich wird mit den älteren Kollegen auch eine Menge an Erfahrung gehen und der Schule vielleicht auch fehlen. Es bleibt außerdem zu abzuwarten, ob für die ausscheidenden Kollegen brauchbarer jüngerer Nachwuchs kommen wird. Auch wenn derzeit die Ausbildung an Universität und in Studienseminaren vielfach noch weit von zeitgemäßen didaktischen Ansätzen entfernt ist, so lässt sich alles dieses vernachlässigen, wenn die nachrückenden Lehrerinnen und Lehrer zumindest das notwendige Engagement und die Begeisterung mitbringen, um Schule endlich zu verändern und nach vorne zu bringen. Darauf hoffe ich, und ich hoffe wohl nicht alleine.

Bye bye Hauptschule NRW

Posted in Hauptschule, Schulpolitik by damianduchamps on September 16, 2010

Wenn die Pläne der neuen Landesregierung so umgesetzt werden, wie beabsichtigt, wird nach der Grunschulzeit der Elternwille bei der Wahl der weiterführenden Schule Vorrang haben.

Im Koalitionsvertrag heißt es dazu:

Wir werden dafür sorgen, dass der Elternwille wieder Vorrang hat. Deshalb werden wir die Verbindlichkeit der Grundschulgutachten aufheben und den Prognoseunterricht abschaffen. Zukünftig sollen die Eltern beraten werden und dann selber entscheiden, welche Schule ihr Kind besuchen soll.

Gleichzeitig will man zukünftig Gymnasien und Realschulen dazu verpflichten, Schüler, die sie aufgenommen haben, selbst zum Ziel zu führen. Abschulen, wie bisher soll es demnach nicht mehr geben.

Die Frage ist nun natürlich, wie sich all dieses, sofern es in der Schulgesetzgebung des Landes umgesetzt wird, in der Praxis auswirken wird.

Wie die neue Bildungsministerin richtig in ihrer Rede zum Auftakt des neuen Schuljahres am 27.08.2010 feststellte, ist schon jetzt die Hauptschule in NRW diejenige Schulform, die den Rückgang der Schülerpopulation am deutlichsten spürt.

Trotz der Hauptschuloffensive der Vorgängerregierung ist die Hauptschule die Schulform, die prozentual die Hauptlast des gesamten Rückgangs der Schülerzahlen trägt. Das liegt nicht an der Arbeit in den Hauptschulen – die ist und bleibt ausgesprochen gut und hoch engagiert. Die Kolleginnen und Kollegen geben ihr Bestes für ihre Schülerinnen und Schüler. Eltern sehen aber für ihre Kinder in der Hauptschule keine oder zu wenig Perspektiven. Immer weniger Eltern entscheiden sich, ihre Kinder an einer Hauptschule anzumelden: Die Übergangsquoten von der Grundschule in die Hauptschule sind seit 2005 bis 2009 sogar von 16,2 auf 13,3 Prozent gesunken, während sie an anderen Schulformen steigen.

An der kleinen Hauptschule im ländlichen Raum, an welcher ich arbeite, ist die Welt längst nicht mehr in Ordnung. Zwar liegt die Übergangsquote hier vor Ort noch über der von Frau Löhrmann zitierten, doch auch bei uns ist der Trend eindeutig zu spüren. Wenn Eltern die Möglichkeit haben, melden sie ihr Kind an der Realschule im gleichen Schulzentrum an. Der Grund ist alleine der Kopf auf dem Zeugnis, der „Hauptschule“ lautet. Die Aussage einer Mutter gegenüber meiner Schulleitung bestätigt dieses. Sie sagte, dass sie unsere Schule in ihrer Arbeitsweise für die bessere halte, ihr Kind aber trotzdem auf der Realschule angemeldet habe, da es eben eine Realschule sei und das Kind mit deren Zeugnis die besseren Chancen haben werde.

Wir konnten an meiner Hauptschule noch so gerade eben drei Klassen in der neuen Fünf bilden, und das schulden wir nur der Tatsache, dass es in der Gemeinde so viele Kinder mit Förderbedarf gibt, dass wir eine GU Klasse einrichteten. Für das nächste Jahr rechnen wir, sollten die im Koalitionsvertrag erklärten Absichten bezüglich des Elternwillens Gesetz werden, damit, höchstens noch zwei Fünfer-Klassen bilden zu können. Wie Realschule und Gymnasien vor Ort auf die Veränderungen reagieren werden, ist nur zum Teil abzuschätzen.

Alle Schulen haben einen Selbsterhaltungstrieb. Auch Realschule und Gymnasien spüren bei uns den Rückgang der Schülerzahlen. Zwar stehen auch Pensionierungen an, den Statistiken zufolge schrumpfen die Schülerzahlen über die nächsten Jahre jedoch schneller. Keine Schule möchte Lehrer abgeben und auch Lehrer haben meist ein Interesse, nicht versetzt zu werden (da dieses oft mit weiteren Fahrtstrecken oder gar einem Umzug einhergeht). Die anderen weiterführenden Schulen werden in Folge also lieber auch schwächere Schüler aufnehmen und sehen, wie sie diese fördern können, wenn sie damit eine Schrumpfung im Personal vermeiden können.

Für meine Schule wird das Heil in der von der Koalition favorisierten Gemeinschaftsschule liegen. Wie die dann genau aussehen wird, ist noch offen. Vielleicht gibt es eine gemeinsame Eingangsstufe in Klasse 5 oder 5 und 6, nach welcher die Schüler im Haus aufgeteilt werden. Der Schulträger unserer Gemeinde wurde bereits von der Bundestagssabgeordneten des Kreises angesprochen und der hat Sondierungsgespräche aufgenommen mit allen beteiligten Gruppen. Hier vor Ort regiert zwar die CDU, doch über eine Verbundschule dachte man schon länger nach, auch um Kosten zu sparen – und in manchen Köpfen soll sogar noch der alte Gesamtschulgedanke herumspuken, den man vor mehr als dreißig Jahren bei der Errichtung des Schulzentrums einmal hegte.

Was das Thema Hauptschule angeht, in NRW gibt sich vermutlich kaum noch jemand der Illusion hin, dass diese Schulform eine Zukunft haben wird, weder in den Ballungsgebieten, wo sie schon jetzt  am Tropf hängt, noch in den ländlichen Regionen, wo sie bisher noch einigermaßen funktionierte.

Was bitte ist „Individuelle Förderung“? (1)

Posted in Hauptschule, Schulentwicklung by damianduchamps on Juli 18, 2010

Wer ab und an in mein Blog schaut, hat gesehen, dass ich mich momentan mit dem Thema Individuelle Förderung intensiver beschäftige, denn an meiner Schule soll sich etwas bewegen in diese Richtung. In NRW ist Individuelle Förderung vom Schulgesetz vorgeschrieben, sogar dem Wortlaut nach.

Schulgesetz NRW (Stand: 15. 2. 2010)

Erster Teil

Allgemeine Grundlagen

Erster Abschnitt

Auftrag der Schule

§ 1

Recht auf Bildung, Erziehung und individuelle Förderung

(1) Jeder junge Mensch hat ohne Rücksicht auf seine wirtschaftliche Lage und Herkunft und sein Geschlecht ein Recht auf schulische Bildung, Erziehung und individuelle Förderung. Dieses Recht wird nach Maßgabe dieses Gesetzes gewährleistet.

Quelle: http://www.schulministerium.nrw.de/BP/Schulrecht/Gesetze/SchulG_Info/Schulgesetz.pdf

Wie man verschiedentlich hört, setzen Gerichte in diesem Bundesland das Recht auf Individuelle Förderung in der Rechtsprechung bereits um. Eltern, die gegen Noten klagen oder das Sitzenbleiben ihres Kindes, erhalten Recht, da die betroffenen Schulen Individuelle Förderung in den seltensten Fällen nachweisen können.

Individuelle Förderung ist ein Begriff, der sich für mich im Laufe der Zeit gewandelt hat. Ich habe eine Vorstellung davon, jetzt, was ich darunter verstehe. Allerdings habe ich auch gemerkt, dass in meinem Kollegium die Vorstellungen dazu sehr auseinandergehen. In der Steuergruppe steht man meinen Vorstellungen recht nah, weil wir gemeinsam am Konzept arbeiten und ich ein wenig die Rolle des Vordenkers übernommen habe. Einige im Kollegium lehnen Individuelle Förderung mehr oder weniger ab und andere haben andere Ideen oder stehen irgendwo dazwischen.

Die meisten Informationen, die ich zum Thema Individuelle Förderung bisher hatte, fand ich im Netz. Dort findet sich viel und auch wieder nicht. Es gibt Informationen von Seiten der Schulministerien, Handreichungen, Materialien, Anleitungen, Konzepte einzelner Schulen, Ideen einzelner Lehrer und mehr. Viele Schulen aller Schulformen erwähnen auf ihren Seiten Individuelle Förderung, bleiben jedoch inhaltlich eher vage. Daneben finden sich einige Druckwerke aus der Fachwelt und Fördermaterialien der Verlage. Klett (und Auer, von denen sie Material übernommen haben) und Cornelsen scheinen dabei auf einer ähnlichen Linie zu liegen.

Aufgefallen ist mir bei meinen Recherchen, dass es scheinbar eine Reihe verschiedener Konzepte von Individueller Förderung gibt. Das ist also nicht nur ein Phänomen, das ich in meinem Kollegium beobachten konnte. Es scheint, jede Schule hat ein eigenes Konzept und nur einige Konzepte sind vergleichbar.

Für mich war das ein Grund, mich intensiver mit dem Begriff auseinanderzusetzen. Dazu habe ich noch einmal Revue passieren lassen, wie das mit meiner Vorstellung oder besser meinen Vorstellungen von Individueller Förderung war und sich diese entwickelt haben.

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Fortbildung bläst frischen Wind ins Förderkonzept

Posted in Alltag, Hauptschule, Schulentwicklung by damianduchamps on Mai 30, 2010

Eine gelungene Fortbildung zum Thema Individuelle Förderung hat in der letzten Woche endlich das erreicht, was die Steuergruppe meiner Schule bisher im Kollegium nicht erreichen konnte. Mehrheitlich ist man dort nun endlich überzeugt, dass individuelle Förderung nicht nur eine Modeerscheinung oder zu ignorierende gesetzliche Vorgabe ist, sondern tatsächlich helfen kann, unseren Schülern gerechter zu werden und Lehrern auf Dauer Entlastung zu verschaffen.

Zu verdanken ist dieses der Frau, welche die Fortbildung geschickt leitete und es schaffte, die Widerstände zu überwinden, indem sie wahre Überzeugungsarbeit leistete. Das gelang ihr durch ihre offene und ehrliche Art und Weise. Selbst brachte sie die Erfahrung zweier Schulen zum Thema individuelle Förderung und Förderband mit und verkaufte so keine leeren Konzepte und tote Theorie. Sie begründete die Notwendigkeit, individuelle Förderung in Angriff zu nehmen, machte keinen Hehl aus der bevorstehenden Arbeit und der Tatsache, dass es auch mit individueller Förderung Schüler geben wird, denen nicht zu helfen ist.

Jetzt im Nachhinein verstehe ich vielleicht besser, warum meine Kolleginnen und Kollegen dem Projekt mit so wenig Begeisterung und teilweise auch offener Ablehnung gegenüberstanden. Es war Verunsicherung und auch Angst vor etwas Unbekanntem, einer Sache, die sich nicht abschätzen lässt. In der Fortbildung erhielt das, was nun vor dem Kollegium liegt, endlich Dimensionen und Konturen. Das zu vermitteln, war uns als Steuergruppe nicht gelungen, da wir ja selbst auch keine Erfahrungen mit einem Förderband haben.

Die Bewertungen der Veranstaltung am Ende waren fast durchgängig positiv, wie z.B. diese: Durststrecke – noch sehr viel Arbeit bis zur praktischen Einführung. Vorfreude – wenn alles steht, wird’s entspannt.Wirkliche Ablehnung des Vorhabens gab es keine mehr: Werde nur noch in die Thematik kurz hineinschnuppern, da ich ins letzte Berufsjahr komme, bleibe aber skeptisch was unwillige Schüler angeht. Hoffentlich haben die Kollegen Erfolg!

Vor dem Kollegium liegt nun eine Menge Arbeit, die Materialien für das Förderband zusammenzustellen. Wer sich für den ersten groben Entwurf unseres Förderkonzept nach der Fortbildung interessiert, der liest unten weiter.

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Mangelverwaltung durch Mangelausgleich

Posted in Hauptschule, Schulpolitik by damianduchamps on Mai 26, 2010

Das Schuljahr nähert sich dem Ende und die Personalplanungen der zuständigen Dienststellen, sprich Dezernate, sind bereits seit einigen Wochen im Gange. Es gilt, die Weichen für das kommende Schuljahr zu stellen. Schulleiter werden von den für Stellenangelegenheiten verantwortlichen Dezernenten einbestellt und man schachert um die Zuteilung von Personal. Lehrer sind dabei eigentlich nichts weiter als Zählvieh. In meinem Schulamtsbezirk, der mit einem benachbarten zusammen verwaltet wird, fehlen an vielen Schulen Lehrer. Ersatz gibt es nicht. Vor allem im benachbarten, an Hessen angrenzenden Schulamtsbezirk ist die Situation schwierig, da Arbeitsplätze in wenige Kilometer entfernten Schulen vom Gehalt her lukrativer sind, bei gleicher Arbeit. Was also kann man tun?

Klar ist, dass man Schulen, die personell überbesetzt sind, Lehrer wegnimmt.  Das sind die Schulen, bei denen der Schülerschwund durch geburtenschwache Jahrgänge und sinkende Anmeldezahlen in Konkurrenz zu Realschule und Gymnasium schneller voranschreitet als der Personalrückgang durch Pensionierungen. Dann gibt es aber auch die Schulen, die genau richtig, also weder unter- noch überbesetzt sind. Und es gibt die Schulen, die leicht bis stark unterbesetzt sind. Es geht dabei nicht um fehlende Lehrer für bestimmte Unterrichtsfächer, sondern um die Zahl der Lehrer im Verhältnis zu der der Schüler.

Im Fall der Hauptschulen in den beiden Schulamtsbezirken, um die es in meinem Fall geht, sind wir jetzt bei der Verwaltung des Mangels angekommen. Da es keine überzähligen Lehrer mehr zu verteilen gibt, verteilt man nun den Mangel möglichst gleich, indem man den Schulen, die noch entsprechend ihrer Schülerzahl mit Lehrpersonal besetzt sind, Lehrer wegnimmt und sie an Schule, die deutlich zu wenige Lehrer haben, abordnet. Das geschieht meiner Schule nun zum neuen Schuljahr.

In Folge werden wir wohl wie viele andere Hauptschulen nun Unterricht kürzen müssen im neuen Schuljahr. Die Landesregierung sähe es natürlich gerne, wenn die fehlenden Unterrichtsstunden durch die mögliche unbezahlte Mehrarbeit von Lehrkräften aufgefangen würden. Drei Stunden pro Monat sind möglich, denn erst ab der vierten muss gezahlt werden. Bei einem Kollegium von 30 Lehrkräften, könnte man so theoretisch 90 Stunden in einem Monat gewinnen, was grob 0,75 Stellen entspricht. Vom Fachlehrermangel, an dessen Ausgleich niemand mehr denkt, will ich nicht erinnern. Nur eine Zahl: An Hauptschulen wird Englisch nur zu etwa 20 % von Fachkräften unterrichtet, der restliche Englischunterricht wird fachfremd erteilt. In den Naturwissenschaften, Kunst und Musik sieht es nicht besser aus, und auch dem Fach Mathematik gehen demnächst die Fachlehrer aus.

Warum, fragt mancher sich, stellt man nicht einfach neue Lehrer ein? Dafür gibt es zwei Gründe. Falls Stellen ausgeschrieben werden, finden sich oft keine geeigneten oder gar keine Bewerber. Insgesamt werden allerdings kaum noch Stellen ausgeschrieben. Die Zuteilung von Lehrern an Schulen orientiert sich an der Zahl der Schüler und wird mittels des Stellenschlüssels, einer fixen Zahl, berechnet. In den Landesstatistiken kennt man zwei Zahlen, die Entwicklung der Schülerpopulation und die der Lehrerpensionierungen. Was man in den Planungen hinnimmt, ist eine Verringerung der Zahl der Lehrer zu Ungunsten des Zahlenverhältnisses Schüler-Lehrer. Was man auf jeden Fall vermeiden will, ist eine Erhöhung der Zahl. Schrumpft zur Zeit die Zahl der Lehrer schneller als die der Schüler (durch Geburtenrückgänge), so ist man nicht bereit, dieses durch Neueinstellungen auszugleichen, da man vermeiden will, in späteren Jahren zu viele Lehrer im Verhältnis zur Zahl der Schüler im Sold zu haben, die man dann als Beamte nicht mehr los wird. Schüler, die zur Zeit die Schule besuchen, müssen den Mangel letztlich durch Unterrichtsausfall ausbaden.

Förderkonzept – auf der Suche

Posted in Alltag, Hauptschule, Schulentwicklung by damianduchamps on Mai 24, 2010

Wie schon an anderer Stelle erwähnt, möchte sich meine Schule (endlich) auf den Weg machen, einige grundlegende Dinge zu verändern. Dazu gehört auch ein Förderkonzept. Bisher haben wir zwar Förderempfehlungen geschrieben, nach Vorschrift. Die sind jedoch – meiner Meinung nach – das Papier, auf dem sie gedruckt sind, kaum Wert. Eine Förderwerkstatt haben wir noch, und da findet tatsächlich und wahrhaftig, als solche ausgewiesen, Förderung statt. Hier fördert eine Kollegin mit Montessoriausbildung die Fünfer und Sechser in den Fächern Deutsch und Mathematik. In der Regel können die Kinder nach einem halben Jahr ihre Leistungen um eine Notenstufe verbessern. Förderung erfolgt in Kleingruppen und die Schüler werden dazu aus dem regulären Unterricht dazu stundenweise herausgezogen. In den Genuss des Förderunterrichts kommt, wer in unseren kleinen Diagnosetests in Klasse Fünf auffällt oder später im Unterricht deutliche Probleme hat. Überwiegend sind es Kinder mit Migrantenhintergrund, dann solche mit verzögerter Entwicklung, Kinder mit Dyskalkulie, Dyslexi oder Legasthenie, und ab und an sind es auch die sprachlosen Kinder, Flüchtlingskinder aus Äthiopien oder Immigranten aus Polen oder sonst einem Land, die bei uns landen, ohne der deutschen Sprache mächtig zu sein.

Dass sich „meine Schule“ auf den Weg machen möchte, ist wohl mehr Wunschdenken. Es sind im Grunde genommen nur wenige, die das wirklich wollen, die Steuergruppe, der Schulleiter und ein paar Kollegen. Die Mehrheit möchte lieber so weiter machen wie bisher, auch wenn oft über immer ein immer größeres Auseinanderklaffen von Anspruch und Wirklichkeit im Unterricht geklagt wird in Gesprächen unter Kollegen.

Fördern, wozu, fragen viele. Wenn die faul sind und nicht wollen, hört man die Kolleginnen und Kollegen sagen, und damals da hatten wir noch Schüler, die was wollten, man sieht ja, aus denen ist noch was geworden, Ingenieure, Rechtsanwälte, aber heute, nein, die bringen doch keine Lernkultur mehr mit, alles nur Spaßgesellschaft, wenn die Eltern die mal erziehen würden, die sollten mal ihre Hausaufgaben machen, wie soll ich jemanden fördern, der nicht lernen will, …. und so geht die Litanei weiter, wenn es um das Thema geht. Warum sich viele im Kollegium größeren Veränderungen verschließen oder gar verweigern wollen, dafür gibt es viele Gründe, die von schlichtem Desinteresse bis zur in wenigen Jahren bevorstehenden Pensionierung reichen.

Klar ist an meiner Schule eines, es wird zum neuen Schuljahr strukturelle Veränderungen geben. Wir werden es mit dem 60-Minuten-Takt versuchen und wir werden ein Förderband einrichten. Förderband heißt das Konzept, da Fördern täglich stattfindet und zur gleichen Zeit und sich diese Förderzeit wie ein Band durch die Schulwoche zieht. Das Förderband soll eine halbe Stunde Dauer haben und mit ihm soll der Schulmorgen beginnen, viermal in der Woche. An einem Morgen soll die halbe Stunde für Klassengeschäfte zur Verfügung stehen. Bereits im Vorfeld hatten wir uns an einer anderen Schule ein Förderband angesehen. Das war die Overbergschule in Werl, eine Hauptschule wie die unsere, ausgezeichnet als Gütesiegelschule und so für eine Zeit ein Aushängeschild in der Schullandschaft NRW. In Aktion hatten wir das Förderband nicht gesehen. Die Schulleiterin hatte es uns vorgestellt mit viel Anschauungsmaterial. Die veränderten Arbeitsformen im Förderband hätten dann in den normalen Unterricht hinüber gewirkt und auch dort zu Veränderungen im positiven Sinn geführt. Das hatte uns gut gefallen. An der Overbergschule wählen die Schüler ihre Fördergruppen selbst und das Angebot geht über die Kernfächer hinaus. Fördermaterial haben die Lehrer der Schule gekauft sowie selbst erstellt, in großem Umfang. Um die Gruppen klein zu halten, sind zu Beginn des Schultages alle Lehrpersonen im Haus und man wirbt noch zusätzlich externe Helfer (Lese-Oma, etc.).

Wir in der Steuergruppe haben lange überlegt, wie wir die Sache angehen können. Im Hinterkopf hatten wir dabei immer das Wissen, dass ein Teil des Kollegiums ein Förderkonzept nur abnicken aber nicht wirklich mittragen wird. So beschlossen wir, das Fördern zunächst auf die drei Hauptfächer zu begrenzen, um die Sache für alle leichter zu machen. Da wir bezüglich der Zuteilung zu Förderthemen und -gruppen eher davon ausgehen, dass unsere Schüler weniger nach ihrem Förderbedarf entscheiden werden als nach Freundschaft und erwartetem Arbeitsaufwand, entschieden wir uns, dies in die Hand der Lehrer zu geben. Der Förderbedarf sollte sich aus dem vorherigen Halbjahr ergeben. Dazu entwickelten wir ein Raster, in welches die Fachlehrer am Ende eines Halbjahres für jeden Schüler den Förderbedarf eintragen. Das Raster hat fünf Themen- bzw. Kompetenzbereiche für jedes Halbjahr und drei Abstufungen: noch große Schwierigkeiten, teilweise noch Schwierigkeiten, kann das schon. Fachlehrer, die es sich einfach machen wollen, kreuzen einfach nur an. Wer mehr eintragen möchte kann dieses tun. Die fünf Themenschwerpunkte je Halbjahr waren von den Fachkonferenzen festzulegen. Das setzt aber auch voraus, dass in einer Jahrgangsstufe in einem Halbjahr zumindest die gleichen Themen behandelt werden. Bei uns ist das bisher außer in Englisch schon ein großes Problem. Alle Anstrengen in Mathematik scheiterten da in der Vergangenheit meines Wissens an der Eigenwilligkeit der Kollegen.

Praktisch stellten wir uns den Ablauf des Förderbandes wie folgt vor. Ein Schuljahr besteht aus zehn bis elf Förderperioden, von denen die erste in der zweiten Schulwoche beginnt. Es laufen immer zwei Fördermodule parallel, Montags und Donnerstags das eine, Dienstags und Freitags das andere, und am Mittwoch ist Klassenlehrerzeit. Je Jahrgang gibt es immer eine Fördergruppe mehr als es Klassen gibt. Das soll einmal die Gruppengröße bei ca. 15 Schülern halten und außerdem Kollegen daran hindern, normalen Unterricht zu machen, da sie so nie ihre Klasse bzw. ihren Kurs haben. Eine Förderperiode dauert somit vier oder fünf Wochen, womit ein Fördermodul mit vier bis fünf Stunden gefördert wird, verteilt auf acht bis zehn Halbstunden. Für jede Jahrgangsstufe gibt es ein Förderteam. Diesen stehen entsprechend der Gruppenzahl Räume zur Verfügung. Anhand des zum vorherigen Halbjahresende durch die Fachlehrer festgestellten Förderbedarfs werden die Schüler nun in Gruppen eingeteilt. Klassenlehrer haben zuvor den Förderbedarf ihrer Schüler in eine Übersichtsliste eingetragen. In den Fördergruppen findet zu Beginn ein Planungsgespräch statt mit den Schülern, so die Idee. Anschließend sollen die Schüler möglichst eigenständig an ihrem Thema arbeiten, wobei die Lehrperson lediglich beratende und unterstützende Funktion hat. Zum Ende des Fördermoduls bewerten die Schüler ihren Erfolg (noch große Schwierigkeiten, teilweise noch Schwierigkeiten, kann das schon). Verschiedene Fördermodule werden im Verlauf des Halbjahres mehrfach wiederholt, je nach Bedarf, um einmal allen Schülern mit entsprechendem Förderbedarf das Modul anbieten zu können und den Schülern, die nach einem ersten Durchlauf noch weiteren Förderbedarf haben, eine erneute Teilnahme am Modul zu ermöglichen.

Die Förderteams treffen sich im Laufe des Halbjahres regelmäßig, um die Zuteilung der Schüler zu den Gruppen zu regeln. Dabei können sie auch Themenänderungen vornehmen, wenn sich dieses aus dem aktuellen Bedarf ergeben sollte.

Um das eigenständige Arbeiten der Schüler im Fördermodul zu ermöglichen aber auch um fachfremde Kollegen beim Fördern in einem ihnen weniger vertrauten Bereich zu unterstützen, sollen für alle Fördermodule Materialpakete zusammengestellt werden. Die Inhalte sollen aus in der Schule über die Jahre gesammelten Materialien bestehen, aus neu erstellen Materialien und hinzugekauften. Vor allem in den unteren Jahrgangsstufen soll das Fördermaterial so angelegt sein, dass es verschiedene Zugänge zum Lerngegenstand ermöglicht. Für die zentrale Lagerung und Systematisierung der Materialienpakete soll es einen speziellen Raum geben.

Zu Beginn der Fünf, wo es keine Förderempfehlungen aus dem vorherigen Halbjahr gibt, sollen die Kinder getestet werden, um ihren Förderbedarf zu ermitteln. Erst danach soll ihre Förderung anlaufen. Starke Schüler aller aber vor allem der oberen Jahrgangsstufen sollen in ihren Stärken gefördert werden, indem sie in ihren starken Bereichen in Fördergruppen als Tutoren eingesetzt werden und dadurch ihre Stärken dort ausbauen. Dokumentiert wird die Förderung mit den Förderplänen und anderen Materialien in einem Förderportfolio über die Schulzeit hinweg.

Für mich klingt das System machbar. Der Aufwand für die Kollegen hält sich in Grenzen und der Verwaltungsaufwand sollte nicht zu groß sein. Ein Kraftakt ist jedoch die Zusammenstellung der Materialen zu Beginn und während des ersten Jahres. Später wird nur noch ergänzt und verbessert. Gute Materialien sollten es den Kollegen leicht machen und verhindern, dass selbst die, die wenig Interesse an der Veränderung haben, sich eben dieser Materialien bedienen anstatt einfach Kopien in die Gruppe zu geben oder sie sonst wie zu beschäftigen. Erhofft ist natürlich, dass Lehrer aus dem Förderunterricht Anregungen für ihren regulären Unterricht übernehmen, wenn sie sehen, wie gut es läuft (falls es gut läuft!). Wenn es so funktionierte, wäre das schön. Ich mache mir allerdings auch keine Illusionen, dass jeder mit Begeisterung mitmacht oder es nicht sogar Kollegen gibt, die sich nicht an die Regeln halten und machen, was ihnen passt. Anders als in der freien Wirtschaft scheint das in Schulen zur Normalität zu gehören.

Als Steuergruppe haben wir dieses Förderband erarbeitet und wollen es nach einem Jahr erstmals evaluieren. In einem Wiki haben wir bereits Fragen gesammelt für die Evaluation. Das hilft schon beim Erarbeiten des Konzeptes. Diese Woche machen wir eine Fortbildung zum Thema individuelle Förderung mit dem Kollegium. Eine Lehrerin, die sich durch Fortbildungen darauf spezialisiert hat und das Thema Förderband von zwei Schulen aus eigener Erfahrung kennt, wird die Veranstaltung leiten. Das Kollegium soll damit auf den Weg gebracht werden, sich mit dem Thema Fördermaterialien aktiv auseinanderzusetzen. Danach soll es daran gehen, diese Materialien dann, wie oben beschrieben, zusammenzustellen.

Im Planungsgespräch mit der Fortbildnerin redeten wir auch über unser Konzept für das Förderband. Sie findet es gut und hält es für machbar. Allerdings hat sie selbst andere Erfahrungen gemacht und sagte uns, Schüler wären am überzeugtesten bei einem Förderband dabei, wenn sie sähen, welchen Vorteil es hier und jetzt für sie brächte. Das wäre dann der Fall, wenn die Förderung einen unmittelbaren Bezug zu den gerade im Unterricht aktuellen Themen hätte. Außerdem solle man auch Sport in die Förderung einbeziehen, um Kinder mit Defiziten in Bewegung und Wahrnehmung dort zu fördern. Das hätte oft auch Auswirkungen auf andere Bereiche. Man solle nach ihrer Erfahrung generell in allen Fächern fördern. Das käme den Kollegen entgegen, die so nicht fachfremd fördern müssten. Viele kleine Gruppen, das klappt nach ihren Erfahrungen meist auch nur eingeschränkt, weshalb es dann letztlich doch auf Klassengruppen hinauslaufe. Habe man einen zusätzlichen Kollegen, könne dieser entweder in den Gruppen wechselnd unterstützen oder eben mal eine kleinere Gruppe herausziehen und in die Sporthalle gehen oder zu einem anderen Thema arbeiten. Es sei auch vorstellbar, dass man im Förderband mal eine Gruppenarbeit vom Vortag fortsetze oder  eine Gruppe etwas für den Sportunterricht aufbaue. Auch da sei Förderung möglich. Über Material, so sagte sie, brauche man sich zunächst weniger Gedanken machen, denn schließlich gebe es genug davon in der Schule verstreut und zu Hause bei den Kollegen.  Das solle man nehmen und eventuell ergänzen. So könne man die Arbeitsbelastung deutlich geringer halten. Diagnosematerial gäbe es mittlerweile ausreichend im Internet, wo man bei Bedarf drauf zugreifen könne.

Die Steuergruppe stellte nach dem Gespräch zunächst einmal unser bisheriges Konzept komplett in Frage. Und nun stehen wir wieder am Anfang, ohne ein Konzept. Was die Fortbildnerin gesagt hatte, klang vernünftig für die Mehrheit und mit Hinblick auf ein eher unwilliges Kollegium attraktiver.

Das kann ich schon nachvollziehen. Allerdings sehe ich auch, als jemand, der eher zu Pessimismus neigt, Schwachstellen. Ein Konzept wie dieses öffnet für mich der Beliebigkeit Tür und Tor. Ich habe lieber System, lieber ein Korsett, lieber Vorgaben, die es den Kollegen dann aber auch leicht machen können, die Richtung zu halten. Dass sich die Steuergruppe mit dem oben beschrieben Konzept im Kollegium weniger Freunde machen wird, ist aber auch klar. Grundsätzlich kann man natürlich sagen, jeder Unterricht ist Förderung. Doch damit macht man es sich nach meiner Meinung zu einfach.

Ein ehemaliger Kollege, der seit zwei Jahren an einer anderen kleineren Hauptschule unterrichtet, stellte uns mit einem seiner Kollegen das Förderband seiner neuen Schule vor. Dort reicht es mangels Lehrpersonal nur für Förderband mit Klassengruppen. Es wird dort schon anders gearbeitet als im normalen Unterricht, eigenständig. Man arbeitet viel mit Kopien und aus den Büchern und mit Starkheften in den oberen Klassen. Man hat ein Förderband und ist zufrieden damit. Mich sprach das nicht an. Ich erwarte mehr, vielleicht zu viel.

Förderkonzepte gibt es viele. Man findet einiges davon im Internet. Eine Schule fand ich, die legte viel Wert auf die Diagnose und ließ sich viele Kollegen für dieses Thema fortbilden, so dass man professionelle Testverfahren kompetent anwenden kann, um den Förderbedarf möglichst gut zu bestimmen. Eine andere Schule förderte täglich 45 Minuten und benotete diesen Förderunterricht sogar noch. Viele Schulen mit Förderband, die meisten, sind Ganztagsschulen. Sie können damit das Fördern noch anders integrieren. Wir müssen es mit der Stundentafel verrechnen, irgendwie. Das bedeutet, je eine Stunde weniger regulären Deutsch-, Mathematik- und Englischunterricht. Dazu kommt noch unsere zusätzliche Umstellung auf den 60-Minuten-Takt.

Das ist der Stand der Dinge an meiner Schule, was das Förderband und seine Organisation angeht. Irgendwie ist alles offen und was nun am Ende dabei herauskommt, kann ich nicht sagen. Der wichtigste Punkt wäre eigentlich eine Veränderung in den Köpfen der Lehrer an meiner Schule. Gäbe es die, bräuchte es nicht einmal die Krücke Förderband. Wir hoffen, und das ist die ungeschminkte Wahrheit, durch eine äußere, strukturelle Wandlung auf Dauer eine innere Veränderungen bewirken zu können.

Anhang:

Ein Mindmap zum Thema Förderband, Förderband-Organisation (ein paar PDFs)

Wieder auf Kurs mit 60-Minuten-Takt

Posted in Alltag, Hauptschule by damianduchamps on April 22, 2010

Letzte Woche sah es noch fast so aus, als ob das an unserer Schule geplante Projekt 60-Minuten-Takt scheitern könnte. Nach verschiedenen Gesprächen ist die Steuergruppe nun wieder auf Kurs. Es bleibt dabei: wir werden ab dem nächsten Schuljahr 60-Minuten-Takt und 30-Minuten-Förderband einführen. In einer Lehrerkonferenz wurde dieses noch einmal bekräftigt.

Am Montag wird sich die Steuergruppe noch einmal mit den Stundenplanern treffen und Details absprechen, bzw. klären, wo noch Informationen fehlen. Bis Mitte Mai sollen die drei Fachkonferenzen Deutsch, Mathematik und Englisch für jedes Halbjahr für alle Jahrgänge jeweils fünf Förderschwerpunkte erarbeiten. Diese werden am Ende der Halbjahre dazu dienen, den Förderbedarf der Schüler schnell und einfach festzulegen. Entsprechend werden die Schüler dann im ersten Halbjahr des neuen Schuljahres ihren Fördergruppen zugeteilt werden.

Nächster Punkt ist das Thema Fördermaterial und individuelle Förderung. Wir wollen eine schulinterne Fortbildung machen. Eine Expertin haben wir schon. Zunächst wollten wir die Schulung in der letzten Ferienwoche machen. Doch das ist eigentlich zu spät und hilft uns jetzt nicht. Es muss bereits in den nächsten Wochen damit begonnen werden, für die Förderschwerpunkte Material zusammenzustellen. Aus alten Zeiten haben wir eine Menge. Da war ja mal Stationenlernen, Lernwerkstatt und so weiter. Davon existiert noch einiges, das vor vielen Jahren häufig in mühevoller Kleinarbeit erarbeitet wurde. Das kann man nun wieder verwenden, wenn man es wieder findet. Nun hoffen wir, die Expertin kann schon Ende Mai ihre Fortbildung mit uns durchführen.

Fördern ist so eine Sache. Wir wollen natürlich sehen, dass den Schülern möglichst viele Zugänge zum Lerngegenstand gegeben werden, im Idealfall in Richtung vorbereitete Lernumgebung. Es wird aber auch Kolleginnen und Kollegen geben, da machen wir uns keine Illusionen, die werden im Förderband vor allem auf Kopien setzen. Das lässt sich nur vermeiden, wenn wir ihnen genug alternatives Material an die Hand geben. Außerdem ist da ja noch das Problem mit den Fächern. Da wir erst einmal nur in den drei Hauptfächern fördern, lässt es sich nicht vermeiden, dass fachfremd gearbeitet werden muss. Bei Deutsch mag das noch recht einfach sein, bei Mathematik und Englisch, da ist es für Nichtfachleute schwierig.

Wir brauchen also Material und das muss gut sein, ob selbst erarbeitet, aus alten Beständen reaktiviert, von zu Hause mitgebracht oder neu gekauft. Den Fehler einer Schule im gleichen Schulamtsbezirk, die über ein Jahr lang in Hyperaktivität verfiel und so viel Material erstellte, dass sie es nun gar nicht alles braucht, den wollen wir vermeiden.

Aufgeben – so schnell nicht

Posted in Alltag, Hauptschule by damianduchamps on April 16, 2010

Die Sitzung der Steuergruppe mit den Stundenplanmachern war insgesamt doch sehr ernüchternd. Der Verlauf des Gesprächs war nicht ideal, vermutlich weil nicht alle Mitglieder der  Steuergruppe anwesend waren. Nun hat sich erst einmal alles gesetzt. Gespräche der Steuergruppenmitglieder ergaben aber, dass man sich noch lange nicht vom 60-Minuten-Takt verabschiedet hat. Die Planungen sind immerhin schon recht weit gediehen, die Elternschaft und Schüler sind bereits eingeschworen auf das Thema, die Schulleitung steht dahinter, die Schulkonferenz hat zugestimmt und auch von Seiten der Schulaufsicht hat die Schule grünes Licht. In der nächsten Sitzung soll die Strategie überdacht werden. So schnell will man nun doch nicht aufgeben.

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