Damian Duchamps' Blog

Das Ende des Schulbuchs – lang lebe das Schulbuch

Posted in Alltag, Medienwelt, OER by damianduchamps on November 18, 2012

Das Schulbuch hat sich über Jahrhunderte bewährt, um Wissen in die Hand von Schülern zu geben – und wird vermutlich noch über viele weitere Jahre diese Rolle innehaben. Doch es ist in die Jahre gekommen. Seit Ewigkeiten hat es sich nicht wirklich verändert. Die Zeit ist weiter gegangen, doch das Schulbuch von heute sieht noch immer aus wie das unserer Eltern und Großeltern und Urgroßeltern und so weiter. Einverstanden, es ist bunter geworden und größer und aufwändiger im Layout. Auch die Inhalte haben sich durchaus verändert, wie auch die Aufgabenformate. Sogar Differenzierungsangebote finden sich. Und auch das Internet hat Einzug gehalten ins Schulbuch in Form von Links oder Webcodes. Geblieben ist jedoch die starre Struktur. Noch immer müssen Schülerinnen und Schüler mit schnell veraltenden Büchern lernen und der Trend zum Veralten nimmt sogar zu, denn die Veränderungen in Gesellschaft, Wissenschaft und Technologie schreiten immer rasanter voran.

Heute gilt das Primat des schülerorientierten Unterrichts, der sich an den Bedürfnissen des Individuums orientieren soll, um ihm damit das optimale Lernergebnis zu ermöglichen. Aber noch immer bekommen alle Schülerinnen und Schüler ein und das selbe Buch vorgesetzt. Die im Buch angebotenen Differenzierungsmöglichkeiten sind in der Regel auf sehr wenige Leistungsniveaus angelegt, zumeist auf gerade einmal zwei.

Wie Schüler sind auch  Schulen eigentlich Individuen in ihren regionalen Settings. Genau wie man heute nicht mehr von homogenen Lerngruppen ausgehen kann (es eigentlich auch nie wirklich konnte), kann man auch nicht von einer homogenen Gruppe von Schulen ausgehen. Gymnasium A ist nicht gleich Gymnasium B. Die Schülerschaft rekrutiert sich beim einem Kleinstadtgymnasium sicherlich aus anderen Bevölkerungsgruppen als im Gymnasium einer Großstadt. Selbiges lässt sich für jede Schulform sagen. Schon die Zentralen Leistungsüberprüfungen am Ende der Klasse 10 belegen dieses (zumindest in NRW) an den unterschiedlichen Niveaus der Ergebnisse mehr als deutlich. Mit Wissen um diesen Sachverhalt, werden die Schulen bereits unterschiedlich eingestuft für die Auswertung.

Langer Rede kurzer Sinn – es kann eigentlich nicht angehen, dass in einem Bundesland alle Schulen über einen Kamm geschoren werden und alle mit identischen Schulbüchern arbeiten müssen. Zwar kann noch gewählt werden zwischen den Angeboten der verschiedenen Verlage, doch da enden die Wahlmöglichkeiten auch schon. Nur sehr wenige Lehrwerke werden es vermutlich schaffen, falls überhaupt, die Bedürfnisse sämtlicher Schulen eines Schultyps in einem Bundesland zu befriedigen. Viele Lehrerinnen und Lehrer klagen über Probleme mit den Büchern, zu schwer, zu leicht, zu wenig Übungen, die falschen Übungen, zu wenig Methoden, usw.. Wie viel oder wie wenig an einer Schule von einem einzelnen Schulbuch genutzt wird, ist von Schule zu Schule unterschiedlich. Ich habe von Lehrerinnen und Lehrern gehört, dass sie gerade einmal 20% des Schulbuches mit ihren Schülern nutzen. An einer Schule erlebte ich in einer Zehn, dass man dort ein sehr altes nicht mehr verlegtes Mathematikbuch verwendete. In noch einer anderen Klasse bekam ich mit, wie man ein im eigenen Bundesland nicht zugelassenes Lehrwerk eines anderen Bundeslandes nutzte, die Schüler zur „Tarnung“ aber das zugelassene anschaffen ließ.

Verlage bieten Zusatzmaterialien und hoffen, so die Mängel der Lehrwerke zum Geschäft zu machen. Arbeitshefte, Formelsammlungen, Übungsaufgabensammlungen, einzelne Arbeitsblätter , Geschichtensammlungen, Lektüren und vieles mehr werden angeboten. Manchmal entdecken Lehrkräfte andere Schulbücher aus anderen Schulformen oder anderen Bundesländern. Einführen dürfen sie diese an ihren Schulen jedoch nicht, selbst wenn sie genau dem entsprechen würden, was diese Schulen gerne hätten. Die Liste der zugelassenen Lehrmittel verhindert es (z.B. in NRW).

Warum hat sich das Schulbuch nicht mit der Zeit gewandelt? Warum sind Schulen durch Zulassungsverfahren und die daraus resultierende Liste der zugelassenen Lehrwerke in ihrer Auswahl eingeschränkt? Müssen Schulbücher immer wieder veraltet sein? Schulen sollen heute selbständig sein. Ihre Schulbücher können sie jedoch nicht frei wählen. Das ist ein Widerspruch in sich. In Finnland z.B. ist vorgegeben, was am Ende der Schullaufbahn herauskommen soll. Wie die Schulen dort hin kommen, mit welchen Lehrmitteln, das bleibt den Schulen selbst überlassen, denn sie sind tatsächlich selbständige Schulen.

Jede Schule kann selber entscheiden, welches Unterrichtsmaterial sie zur Erreichung des Lehrplans einsetzt, denn auch die Genehmigungspflicht für Schulbücher fiel durch die Reform der 90er Jahre weg.“ Quelle: Finnland – Hans Joss, Word Dokumente

Man vertraut auf die gute Ausbildung der finnischen Lehrerinnen und Lehrer, dass sie nicht nur die richtigen Methoden wählen werden, sondern auch die richtigen Materialien.

Lehrer wollen freier wählen und kombinieren können und das gilt nicht nur für die, welche schon digital arbeiten.

„Etwa 30 Prozent der Lehrer nutzen bereits digitale Medien für ihren Unterricht. Ein Teil der Lehrer, das wurde in der Diskussion deutlich, fühlt sich durch digitale Lehrbücher, die sich nicht bearbeiten lassen, von den Verlagen geradezu entmündigt. Gefordert seien stattdessen frei kombinierbare Lehrmodule (idealerweise verschiedener Verlage), die den Lehrer bei der Konzipierung einer Unterrichtsstunde unterstützen. Diese im Podium umstrittene Ansicht stützte Christian Fey (Uni Augsburg): In einer aktuellen Studie seines Fachbereichs habe sich gezeigt, dass Lehrer immer stärker Inhalte verschiedener Lehr- und Arbeitsbücher, Internetquellen und weiterer Medien frei kombinieren würden.“ Quelle, Börsenblatt, 15.11.2012

Bei uns trägt man diesem Wunsch nicht Rechnung. Es hat sich bisher nichts geändert. Die Zulassungslisten bleiben und ersticken damit jede Innovation. Verlage könnten ihre Schulbücher durchaus auch modular anbieten. So könnten in den Schulen die Fachschaften ihre Fachbücher entsprechend ihren Bedürfnissen und pädagogischen Vorstellungen zusammenstellen, nach Inhalt und Umfang, orientiert an Kernlehrplänen und schulinternen Lehrplänen. Man könnte eventuell eine Standardausgabe anbieten, welche Fachschaften dann verändern, indem sie umstellen, ergänzen, reduzieren etc.. Schulen könnten hierbei womöglich sogar eigene Materialien integrieren und im Idealfall die anderer Verlage. Die Plattform auf welcher dieses geschieht, wäre so intelligent angelegt, dass sie das Glossar oder die Vokabelliste oder ähnlich automatisch anpassen könnte. Anschließend würden die Bücher im Print-on-Demand Verfahren gedruckt. Jede Schule erhielte so ihr eigenes individuell zugeschnittenes Fachbuch. Das würde vermutlich nicht einmal wesentlich teurer sein, wenn das Verfahren in großem Umfang genutzt wird.

Was sich bereits im Print realisieren ließe, könnte im digitalen Format noch einmal deutlich gesteigert werden. Digitale Schulbücher ließen sich in Anlehnung an das zuvor skizzierte Modell noch einfacher realisieren, da das Drucken entfiele wie auch die Verteilung von Totholz. Sogar mit dem Digitalen Schulbuch der deutschen Verlage in Version 1.0 ließe sich dieses Modell umsetzen. Echte digitale Schulbücher, welche das volle digitale Potential nutzen könnten zusätzlich direkt digital mit Medien, Interaktivität (soll in Zukunft noch kommen, laut Verlagen) und sozialen Funktionen erweitert werden. Auch aktualisieren ließen sie sich leichter.

Enter OER. Freie Bildungsinhalte können auf zweierlei Weise zu einem modernen Schulbuch beitragen. Variante 1: Sie lassen sich in die modularen Schulbücher der Verlage integrieren. Variante 2: Es existieren freie modulare Schulbücher (open textbooks), die aus freien Bildungsinhalten bestehen und offen für jegliche weitere Inhalte sind.

Dieser Vision folgt – Schulbuch-o-mat:

Unsere Vision vom Schul-E-Book: Es ist modular aufgebaut, enthält verschiedene Aufgaben für verschiedene Lernniveaus, Tests, multimediale Grafiken und Filme. Quelle Schulbuch-o-Mat, Freie Schul-E-Books

Ergänzen könnte man diese Vision sicher noch um Funktionen sozialer Interaktivität.

Wie diese open textbooks nun zustande kommen, ist wieder eine andere Frage. Schulbuch-o-mat ist ein Versuch. Booksprints von entsprechend motivierten Personen aus dem Bildungsbereich könnte ein anderer sein. Auch die Wikibooks stehen am Start und suchen nur noch mehr willige Macher. Braucht es staatlichen Anschub wie in Polen? Kann es auch so gehen? Die Zeit wird zeigen, was geht. Fakt ist jedoch, ändern muss sich etwas. Das Schulbuch ist noch lange nicht tot, doch weiterleben kann es auf Dauer nur, wenn es sich wandelt. Nur so kann es den sich verändernden Anforderungen einer veränderten schulischen Bildung gerecht werden.

Anmerkung: Dieser Beitrag geht davon aus, dass Lernen auch in absehbarer Zukunft noch überwiegend lehrgangsbasiert stattfindet und Schulbücher in diesem Zusammenhang weiterhin Sinn machen.

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OER, wenn nicht Lehrer, wer dann?

Posted in OER by damianduchamps on November 11, 2012

Kaum jemand, der sich mit freien Bildungsinhalten (OER) beschäftigt, ist nicht von deren Nutzen überzeugt. Nachdem längere Zeit über das Thema debattiert wurde, online wie offline, herrscht nun weitestgehend Einigkeit, dass es Zeit ist Fakten zu schaffen, sprich freie Bildungsmaterialien zu erstellen. Soweit so gut.

Anders schaut es jedoch bei der Umsetzung aus. Woher sollen sie kommen, die freien Bildungsinhalte?

Lehrerinnen und Lehrer

Sollen es die Lehrer sein, die sie erstellen? Einiges spricht dafür, manches aber auch dagegen. Lehrer kommen aus der Praxis und sind es gewohnt eigene Arbeitsmaterialien zu erstellen. Oft gilt die Regel, je jünger desto mehr. Im Laufe der Jahre entstehen riesige Materialsammlungen in den Arbeitszimmern und Rechnern der Lehrer, nur sind die eben oft nicht frei lizenzierbar. Als Praktiker haben Lehrer in der meist einen guten Überblick über das Materialangebot der Verlage und deren Schwächen und Fehler. Manche Lehrer sind nebenbei sogar als Lehrbuchautoren tätig. Ein Problem für viele in schulischen Bildung Tätige ist jedoch die verfügbare Zeit. Wer mit vier oder fünf Korrekturen, Familie und Haus ausgelastet ist, hat kaum Freiraum für größere OER Projekte, wie etwa Booksprints. Selbst für kleinere Projekte fehlt oft die Zeit, verständlicherweise.

Universitäten

Gerade Universitäten wären gute Produzenten von freien Bildungsmaterialien. In den Seminaren der Lehramtsstudierenden werden Berge von Unterrichtsmaterialien erstellt und oft auch erprobt, zumeist für die Mülltonne. Hier wäre ein Potential vorhanden, wenn die Materialien aus praktischen Übungen und Hausarbeiten wie auch aus Praktika von vorne herein unter Berücksichtigung von freien Lizenzformen (Creative Commons) erstellt würden und anschließend auf Universitätsservern systematisiert und veröffentlicht würden, um dann anschließend über ein System wie EduTags an einer Stelle recherchierbar zu sein. Wir alle finanzieren die Ausbildung der Studenten. Warum sollte die Gesellschaft nicht auch eine Dividende in Form von freien Bildungsmaterialien erhalten?

Nicht nur im Bereich der Lehrämter entstehen an den Universitäten Materialien, die für Bildungszwecke interessant sind. Auch hier sollten diese Materialien frei lizenziert zur Verfügung gestellt werden.

Studienseminare

Gerade in der letzten Phase der Lehrerausbildung werden noch einmal Unmengen an Unterrichtsmaterialien erstellt, sei es für den Unterricht oder für die Unterrichtsbesuche. Auch hier wäre es kein Problem, diese Materialien direkt unter Berücksichtigung freier Lizenzierungen zu erstellen und anschließend über die Seminare oder eine Universität online zur Verfügung zu stellen. Gerade im Zusammenhang mit dem Referendariat sollten sehr hochwertige Materialien entstehen, die durch Mentoren und unterrichtliche Erprobung in ihrer Qualität abgesichert sein sollten.

Museen und Archive

Institutionen wie Museen und Archive sind oft von der öffentlichen Hand finanziert und publizieren mittlerweile eine Menge online. In einigen Fällen entstehen hier im Rahmen der Museumspädagogik sogar didaktisierte Materialien. Es gibt keinen Grund, warum diese Materialien nicht als freie Bildungsmaterialien der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden sollten.

Kultusministerien

In der Lehrerfortbildung entstehen durch Fachleute hochwertige Unterrichtsmaterialien. Auch Landesinstitute erarbeiten oftmals umfangreiche Materialien. Bisher wurden diese zumeist ohne Berücksichtigung freier Lizenzen erstellt. Auch hier könnten freie Lizenzen bei der Erstellung genutzt werden und die Ergebnisse an die Öffentlichkeit freigegeben werden. Heimatorte für die erstellten Materialien könnten die Landesbildungsserver sein. Grundsätzlich sollten alle auf den Landesbildungsservern bereitgestellten Bildungsmaterialien frei lizenziert sein.

Andere Ministerien

Das BMU geht mit gutem Beispiel voran und stellt umfangreiche Materialien (Umwelt im Unterricht) frei lizenziert für Bildungszwecke zur Verfügung. Dem Beispiel könnten andere folgen, die Materialien und Informationen publizieren, die bildungsrelevant sein könnten.

Firmen, Stiftungen und Vereine

An vielen Stellen entstehen Materialien, die für Bildungszwecke von Interesse sind. In der Regel stehen sie jedoch unter dem normalen Urheberrecht. Sie können dann zwar gelesen, nicht jedoch für Arbeitsmaterialien in der Bildung verwendet werden. Auch hier könnte sich etwas ändern. Gerade die Industrie hat ein großes Interesse, eine gut gebildete Bevölkerung zu haben, aus der sie ihre Arbeitskräfte rekrutieren kann. Über die Bereitstellung von Materialien unter freien Lizenzen könnte man hier einen Beitrag leisten.

Das Thema ist hier nur gob angerissen. Ich hoffe aber, ich konnte zeigen, dass die Last, freie Bildungsmaterialien zu erstellen, nicht nur auf den Schultern der Lehrerinnen und Lehrer ruhen muss. Wer aus dieser Gruppe möchte und kann, der sollte auch. Doch es gibt auch viele weitere andere Gruppierungen, die viel leichter dazu beitragen könnten, dass sie der für alle verfügbare Fundus an freien Bildungsmaterialien ständig erweitert und aktualisiert.

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Das digitale Schulbuch, erste Eindrücke nach dem offiziellen Start

Posted in Medienwelt by damianduchamps on November 6, 2012

Schon als das digitale Schulbuch auf der letzten Didacta mit großer Fanfare von den Schulbuchverlagen vorgestellt wurde, war schnell klar, es wird nicht das sein, was sich zumindest die digital versierteren Lehrerinnen und Lehrer wünschen würden. Entsprechend herb fielen die Kritiken aus.

Jetzt ist das digitale Schulbuch gelandet und ich habe mich einem Selbstversuch unterzogen.

Unter http://digitale-schulbuecher.de erfolgt die Registrierung für die Plattform. Dort gab es für mich schon die erste Hürde zu überwinden. Mein Passwortmanager 1Passwort war nicht in der Lage, das generierte sichere Passwort einzutragen, da diese Möglichkeit in der in Flash angelegten Seite nicht aktiviert ist. Also musste ich das Passwort von Hand aus dem Passwortmanager kopieren und einfügen. Mit einem Bestätigungsmail wurde der Account aktiviert. Zur Begrüßung gab es einen Freischalt-Code für ein Beispielbuch. Angeboten wird das digitale Bücherregal online, als Download für PC und Mac. Versionen für das iPad und Android sind angekündigt.

Mit dem Code ließ sich dann ein zehnseitiges Beispielbuch laden im digitalen Bücherregal. Zunächst testete ich nur die Online-Version. Unter dem Menü „Titel verwalten“ wurde das Buch hinzugefügt. Nächste Hürde war der Pop-up Blocker im Chrome Browser. Das Buch öffnet sich in einem Pop-up Fenster und dieses musste ich zunächst zulassen.

Ganz im Retro-Stil ließ sich das Buch blättern, sowohl per Mausklick auf einen Pfeil rechts und links neben wie auch unter dem Buch als auch mit den entsprechenden Pfeiltasten der Tastatur. Die Blätterbewegung wird durch ein Blättergeräusch ergänzt.

Alles läuft auf der Basis von Flash, auch im Pop-up Fenster der Buchanzeige. Diverse Funktionen sind verfügbar: Suche, Anzeigegröße, Seitennavigation bei Vergrößerung, Inhaltsverzeichnis, Lesezeichen, Notizen, Seite bearbeiten, Ton und Zusatzmaterialien. Hinter „Seite bearbeiten“ verbirgt sich eine Whiteboard Funktion, mit welcher Markierungen, Hervorhebungen und Formen eingefügt werden können. Diese werden gespeichert und sollen synchronisierbar sein, so dass sie auch verfügbar sind, wenn das digitale Buch auf einem anderen Gerät aufgerufen wird. Lesen im digitalen Schulbuch ist, wie der Test mit digitalen Lehrwerken anschließend zeigen wird, ohne Vergrößerungs-Funktion auf kleineren Displays nicht möglich. Doch so viel war schon aus der Vorstellung der digitalen Schulbücher bekannt. Soweit so gut.

Wie schaut es nun mit den Büchern der Verlage selbst aus? Alle teilnehmenden Verlage sind auf der Webseite von digitale Schulbücher gelistet und verlinkt. Das Englisch Lehrwerk meiner Schule ist von Klett. Zunächst versuche ich es, indem ich direkt zu meinem Lehrwerk gehe. Fehlanzeige, es werden nur die analogen Versionen der Print Titel aufgeführt. Vermutlich gibt es noch keine digitale Version. Doch halt, in der Übersicht zum Lehrwerk steht tatsächlich „Digitale Schulbücher“. Angeboten werden drei Titel zum Thema Berufswahl. Angegeben wird dabei, dass es eine Laufzeit von 12 Monaten gibt und das Buch 0,00 EUR während der Erprobungsphase kostet. Ein Titel wandert in den Warenkorb.

Über die allgemeine Suchfunktion der Seite werden bei der Suche nach „digitales Schulbuch“ 1188 Titel gelistet, darunter 1171 Einzelwerke und 0 Lehrwerke/ Reihen. Enthalten sind in der Liste auch Materialien auf DVD oder CD-Rom.

Testweise angeklickt, erhält man zu „Geschichte und Geschehen“ (ist das nicht ein Lehrwerk?) wieder die Information, dass es eine Laufzeit von 12 Monaten gibt und das Buch während der Erprobungsphase kostenlos ist. Außerdem erfährt man bei diesem Titel, wie schon bei der Vorstellung auf der Didacta angekündigt, „Online-Links in den einzelnen Kapiteln verweisen auf das abgestimmte Angebot im Internet.“ Im Warenkorb kann gewählt werden, ob ich oder meine Schule Lizenznehmer ist. Je Titel können bis zu 35 Lizenzen bestellt werden. Bestellt wird dann per Rechnung in zwei weiteren Schritten.

Etwa zehn Minuten später treffen die Freischalt-Codes ein und die Freischaltung in der Online Version des digitalen Bücherregals erfolgt problemlos. Auf den Seiten der digitalen Bücher wird unterhalb der Seitenzahlen jeweils der Name des Nutzers, der das Buch erworben hat angezeigt.

Bei Cornelsen landet man von der Plattform Digitale Schulbücher direkt beim digitalen Schulbuch Angebot des Verlages. Das ist hier deutlich besser gestaltet als bei Klett. Leider trügt der erste sehr positive Eindruck, denn der Bestellvorgang ist vollkommen unübersichtlich. Nach dem Login kann bestellt werden. Preise sind bei den verfügbaren digitalen Schulbüchern jedoch keine angegeben, auch nicht, dass sie gegenwärtig eventuell noch kostenlos verfügbar sein könnten, so wie bei Klett. Um nach der Titelwahl fortzufahren, ist zu bestätigen, dass man den „Print Titel“ erworben hat und die AGBs akzeptiert. Danach wird man zum Absenden aufgefordert. Nirgendwo ein Wort, was danach passieren wird. Nach dem „Absenden“ erfährt man, dass der Verlag sich per E-Mail mit dem Besteller in Verbindung setzen wird. Zwei E-Mails treffen kurz darauf ein, beide in verstümmeltem HTML formatiert und damit schlecht zu lesen. Im ersten E-Mail wird eine Bestellung als solche bestätigt. Mit dem zweiten E-Mail bestätigt man mir den Empfang eines E-Mails an den Cornelsen Verlag, welches ich nie gesendet habe. Von einer Bestellung wird zunächst nicht geredet, sondern von einer Anfrage und es werden ein paar Zeilen tiefer die Details zur „Bestellung eines digitalen Schulbuches“ aufgeführt (nun also doch wieder Bestellung!).

Weiter ist nun nichts mehr geschehen, was diese Bestellung angeht. Habe ich nun die Katze im Sack gekauft? Wie viel muss ich zahlen? Wie geht es weiter?

Erst Stunden später kommt dann das E-Mail mit dem Code. Zu etwaigen Kosten steht darinnen nichts, was schließen lässt, dass das Angebot wie bei Klett vorerst noch kostenlos ist.

Bei Cornelsen ist das alles höchst undurchsichtig und verbraucherunfreundlich gestaltet. Klar, die Plattform steht noch am Anfang, doch seit der Didacta sind schon einige Monate vergangen. Da hätte man mehr erwarten können zum offiziellen Start.

Wie sieht es nun mit der Nutzung der digitalen Schulbücher tatsächlich aus?

An den zwei Klett Titeln „Geschichte und Geschehen 2“ und „Kickoff: Praxisnahes Englisch für Schule und Beruf“ und einem Cornelsen Titel „Context 21 – Starter“ teste ich die Nutzung im Chrome Browser.

Es fällt zunächst mehr als deutlich auf, dass das Layout der Buchseiten für Print gestaltet wurde. Viele Doppelseiten wurden auch in der Gestaltung als solche angelegt. Auf einem kleinen Display, z.B. 11 Zoll, funktioniert das nur eingeschränkt. Zwar erhält man einen Gesamteindruck, die Schrift ist jedoch überwiegend zu klein, um sie auf einem kleinen Display lesen zu können. Selbst auf einem 15 Zoll Gerät ist die Darstellung bei Vollbildanzeige nur schwierig zu lesen, wenn die Doppelseite komplett angezeigt wird. Das digitale Schulbuch ist sowohl für Schüler als auch Lehrer gedacht, wie auch das gedruckte Buch. Schüler werden wohl eher selten mit großen Laptops in der Schultasche unterwegs sein, müssen also immer in die Seiten hinein zoomen. Das aber zerbricht das Layout der Doppelseiten. Mit einem Projektor an die Wand geworfen, wird es vielleicht kein Problem sein.
Einen Vorteil hat die Vergrößerungsfunktion allerdings, wie sich beim Geschichtsbuch zeigt, hier kann in Darstellungen von Landkarten hinein gezoomt werden, so dass man Details erkennt, die im Buch vermutlich so nicht zu sehen sind, außer eventuell mit einer Lupe.

Im Klett Geschichtsbuch finden sich die im Online Katalog angekündigten „Online-Links … auf das abgestimmte Angebot im Internet.“ Hier hat man die Webcodes der Druckausgabe um einen aktiven Link erweitert. Meist befindet er sich direkt neben dem Webcode, teilweise jedoch auch auf der anderen Seite der Seite. Auf Klick öffnet sich eine separate Webseite des Verlags, auf welcher dann auch ein externer Link angeboten wird neben einem Quiz, der ein Klett eigenes zusätzliches Material darstellt.

Im Cornelsen Buch finden sich ebenfalls die Webcodes des gedruckten Buches, leider jedoch nicht klickbar. Sie können nicht einmal kopiert und auf der entsprechenden Cornelsen Seite eingefügt werden. Sie müssen, völlig unpraktisch, von Hand eingetippt werden, wie auch die Adresse der Cornelsen Webseite selbst. Manche werden sie vermutlich sogar zunächst auch einen Zettel schreiben, wenn sie im Vollbildmodus mit dem Buch arbeiten.

Recht nützlich ist die Suchfunktion der Plattform, mit der sich zumindest einfache Suchen durchführen lassen. Auf der rechten Seite erscheint dann eine Trefferliste mit Seitenangaben und Hervorhebungen des Suchbegriffs, die per Mausklick direkt zum jeweiligen Ergebnis führt.

In beiden Büchern finden sich auf den ersten Seiten die Nutzerhinweise der Printausgabe eins zu eins abgebildet, mit Hinweisen auf zusätzliches Material auf CD und auf der Verlagswebseite. Der bei Klett angebrachte Hinweis auf die klickbaren Links fehlt bei der Information über die Webcodes leider. Der Nutzer muss leider von selbst auf die Möglichkeit stoßen.
Keines der Bücher nutzt die Möglichkeit, die zusätzlichen Materialien der CDs, auf die immer wieder hingewiesen wird, direkt ins Buch einzubinden, weder die MP3s im Englischbuch, noch Übungsmaterialien oder ähnlich in den anderen Büchern.

Die Plattform für digitale Schulbücher lässt es leider nicht zu, mit einem User an zwei Geräten gleichzeitig zu arbeiten, auch wenn man zwei verschiedene Bücher ansehen möchte. Nach dem Login auf dem zweiten Gerät wird man auf dem anderen Gerät aus der Plattform zwangsabgemeldet.

Sicherlich schaut das Angebot der deutschen Schulbuchverlage auf ihrer gemeinsamen Plattform recht nett aus. Menschen, welche wenig Erfahrung mit der Nutzung digitaler Medien haben und deren wahres Potential nicht kennen, werden sich dafür sogar begeistern können. Digitale Schulbücher, das klingt modern, das möchte man haben. Sogar Schulträger, Schulleitungen und Fachschaften wird man damit problemlos gewinnen können, wenn der Wille zur behutsamen Modernisierung vorhanden ist. Die analoge Anmutung des Angebots macht das einfach. Sie sorgt geschickt dafür, dass auch weniger versierte Nutzer nicht abgeschreckt werden. Im Prinzip ist es doch das alte gewohnte Buch, welches man blättern kann und wobei man sogar das vertraute Geräusch des Blätterns noch hört. „Blättern, Suchen, etwas Markieren und Lesezeichen, OK, aber zum Glück nicht mehr.“ So oder ähnlich werden viele reagieren, die mit dem digitalen Schulbuch konfrontiert werden. Die fehlende Interaktivität, die Möglichkeit, Inhalte zu verändern und mit anderen zu teilen, wird gerade vielen Lehrerinnen und Lehrern entgegenkommen, da man so auf bekanntem Territorium arbeiten kann. Schon alleine, ein digitales Schulbuch auf dem Projektor anzuzeigen, dürfte für viele genug an Herausforderung bieten.

Den Einstieg in die Welt der digitalen Schulbücher gestalten die deutschen Schulbuchverlage behutsam, für sich wie auch ihre Kunden. Man möchte auf der sicheren Seite bleiben und wird damit vermutlich durchaus Erfolg haben. Hauptnutzer werden zunächst vermutlich Lehrerinnen und Lehrer sein an Schulen, welche viel mit Projektoren in den Schulräumen arbeiten. Ob das Angebot auch von Eltern und Schülern angenommen werden wird, wird man sehen. Eventuell werden Notebook Klassen auf digitale Schulbücher umsteigen, soweit möglich und damit die Last in der Schultasche reduzieren.

Es stellt sich auch die Frage, wie man das Angebot auf anderen Plattformen umsetzen wird. Angekündigt ist dieses immerhin von den Verlagen. Auf iOS Geräten kann man die Flash Version nicht nutzen, auf neueren Android Tablets wird es gar kein Flash oder nur ältere Versionen der mobilen Flash Version geben (da Adobe hier die Entwicklung eingestellt hat). Zudem ist Flash gerade auf Mobilgeräten nicht gerade dafür bekannt, den Akku zu schonen. Wie es mit Windows 8 aussieht, ist noch schwieriger abzuschätzen. Eines ist zumindest jetzt schon klar. Auf der günstigeren und für den Bildungsbereich dadurch attraktiveren Windows RT Plattform ist die schon existierende PC Software Version des digitalen Bücherregals nicht zu nutzen. Entweder es wird hier eine separate Software entwickelt oder das digitale Bücherregal muss im Browser genutzt werden. Dann aber müssen Lehrer und Schüler zu Nutzung permanent online sein.

Das digitale Schulbuch der deutschen Schulbuchverlage befindet sich momentan in der Version 1.0. Auch den Verlagen wird klar sein, dass das gegenwärtige Angebot noch massiv ausbaufähig ist. Damit ist nicht nur die Anzahl der verfügbaren Titel gemeint, sondern vor allem die Nutzungsmöglichkeit digitaler Schulbücher. Was gegenwärtig massiv eingeschränkt ist und sich zu 99% am gedruckten Buch orientiert, kann sich auf Dauer nicht dem Nutzungspotential digitaler Medien verschließen. Auch die Nutzer entwickeln sich weiter und erwarten mehr. Mögen gegenwärtig vielleicht viele Lehrerinnen und Lehrer mit dem Angebot zufrieden sein, so werden Schülerinnen und Schüler vermutlich eher enttäuscht sein von den schönen neuen digitalen Schulbüchern. Der Motivationsfaktor, den diese Bücher bieten, übersteigt den der analogen Vorbilder nur minimal.
Solange die neuen digitalen Schulbücher nur digitale Kopien ihrer Printausgaben sind, werden auch ihre Inhalte weiterhin veralten und nicht aktualisiert werden. Digitale Schulbücher, die regelmäßige, kurzfristige inhaltliche Updates erhalten, können nur als eigenständige Werke ohne Zwangsbindung an Printausgaben existieren. Bis Verlage sich trauen, diesen Schritt zu gehen, wird es noch einige Zeit dauern.

Die Anlage der Plattform deutet darauf hin, dass in absehbarer Zeit zumindest Filmchen und Ton in den digitalen Schulbüchern kommen wird. Vielleicht gibt es im aktuellen Angebot bereits einzelne Titel. Hier wurden lediglich drei kursorisch durchgesehen.

In der Community der Edu-Geeks und Edu-Hacker werden viele vom neuen Angebot der Verlage extrem enttäuscht sein, da das digitale Potential in keiner Weise genutzt wird. Das äußerte sich schon bei der ersten Vorstellung des Angebotes auf der Didacta. Es bleibt nur zu hoffen, dass sich hier in Zukunft etwas mehr bewegt und die Verlage den Möglichkeiten nicht ewig auf Jahre hinterher hinken.

Abgesehen davon stellt sich für mich immer wieder die Frage, ob wir ein Schulbuch herkömmlicher Art überhaupt noch benötigen. Doch das ist ein anderes Thema.

Nachtrag:

Ohne Online-Verbindung geht nichts, auch bei der installierbaren Version

Mittlerweile konnte ich die PC Version des Digitalen Bücherregals testen. Nach dem Download ist das Programm schnell installiert. Beim Start begrüßt es einen mit einem Bildschirm, der identisch ist mit der Online-Version. Möglich sind Login und Neuregistrierung. Für beides ist eine Internetverbindung erforderlich. Nach dem ersten Login bietet das Programm automatisch an, den Bücherbestand zu synchronisieren. Dabei kann gewählt werden zwischen komplettem Bestand und einzelnen Büchern. Download und Installation der Bücher dauern recht lange. Alle vier Bücher haben bei mir mit schneller Internetverbindung mehr als eine viertel Stunde benötigt. Bücher öffnen im Programm mit der gleichen Benutzeroberfläche wie in der Online-Version. Auch hier ist zumindest die Buchdarstellung mit Flash umgesetzt, wie ein Rechtsklick auf die Programmoberfläche zeigt. Schließt man das Programm, werden Lesezeichen und andere „Veränderungen“ gespeichert. Beim nächsten Start ist wieder ein Login erforderlich. Der User muss sowohl Benutzername als auch Passwort eintippen, da das Programm sich diese nicht merkt. Ohne Online-Verbindung verweigert das Programm den Start, da es die Nutzerdaten nicht online abgleichen kann. Mit geöffnetem Programm setzte ich meinen Rechner über Nacht in Schlafmodus. Nachdem ich ihn wieder aufgeweckt hatte, verschwand das Bücherregal und es erschien statt dessen die Meldung „Ihre Sitzung ist abgelaufen„. Die Software gibt also auch vor, wie lange das Digitale Bücherregal am Stück genutzt werden kann. Nach Bestätigung landet man wieder beim bekannten Login-Screen.

Die Schulalltagstauglichkeit setzen diese sehr restriktiven Sicherheitsvorgaben doch gewaltig herab. Die Position der Schulbuchverlage ist klar. Man setzt auf maximale Sicherheit und möchte verhindern, dass mehrere Personen die Software auf ihren Rechnern installieren und diese dann parallel nutzen. Wie andere Software zeigt, könnte solches jedoch völlig anders realisiert werden. Selbst bei installiertem Digitalem Bücherregal sind Nutzer so gezwungen, erstens immer in der Lage zu sein, online gehen zu können, wenn sie damit arbeiten möchten, und zweitens müssen sie auch ständig Nutzernamen und Passwort parat haben. Beides kann im Schulalltag leicht zu Problemen führen, sei es dass der Internetzugang gestört ist oder ein Schüler seine Zugangsdaten nicht vergessen oder verlegt hat.