Damian Duchamps' Blog

Fortbildung bläst frischen Wind ins Förderkonzept

Posted in Alltag, Hauptschule, Schulentwicklung by damianduchamps on Mai 30, 2010

Eine gelungene Fortbildung zum Thema Individuelle Förderung hat in der letzten Woche endlich das erreicht, was die Steuergruppe meiner Schule bisher im Kollegium nicht erreichen konnte. Mehrheitlich ist man dort nun endlich überzeugt, dass individuelle Förderung nicht nur eine Modeerscheinung oder zu ignorierende gesetzliche Vorgabe ist, sondern tatsächlich helfen kann, unseren Schülern gerechter zu werden und Lehrern auf Dauer Entlastung zu verschaffen.

Zu verdanken ist dieses der Frau, welche die Fortbildung geschickt leitete und es schaffte, die Widerstände zu überwinden, indem sie wahre Überzeugungsarbeit leistete. Das gelang ihr durch ihre offene und ehrliche Art und Weise. Selbst brachte sie die Erfahrung zweier Schulen zum Thema individuelle Förderung und Förderband mit und verkaufte so keine leeren Konzepte und tote Theorie. Sie begründete die Notwendigkeit, individuelle Förderung in Angriff zu nehmen, machte keinen Hehl aus der bevorstehenden Arbeit und der Tatsache, dass es auch mit individueller Förderung Schüler geben wird, denen nicht zu helfen ist.

Jetzt im Nachhinein verstehe ich vielleicht besser, warum meine Kolleginnen und Kollegen dem Projekt mit so wenig Begeisterung und teilweise auch offener Ablehnung gegenüberstanden. Es war Verunsicherung und auch Angst vor etwas Unbekanntem, einer Sache, die sich nicht abschätzen lässt. In der Fortbildung erhielt das, was nun vor dem Kollegium liegt, endlich Dimensionen und Konturen. Das zu vermitteln, war uns als Steuergruppe nicht gelungen, da wir ja selbst auch keine Erfahrungen mit einem Förderband haben.

Die Bewertungen der Veranstaltung am Ende waren fast durchgängig positiv, wie z.B. diese: Durststrecke – noch sehr viel Arbeit bis zur praktischen Einführung. Vorfreude – wenn alles steht, wird’s entspannt.Wirkliche Ablehnung des Vorhabens gab es keine mehr: Werde nur noch in die Thematik kurz hineinschnuppern, da ich ins letzte Berufsjahr komme, bleibe aber skeptisch was unwillige Schüler angeht. Hoffentlich haben die Kollegen Erfolg!

Vor dem Kollegium liegt nun eine Menge Arbeit, die Materialien für das Förderband zusammenzustellen. Wer sich für den ersten groben Entwurf unseres Förderkonzept nach der Fortbildung interessiert, der liest unten weiter.

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Wer etwas verändern will, macht sich leicht unbeliebt

Posted in Alltag, Schulentwicklung by damianduchamps on Mai 27, 2010

Ich bin nur ein Lehrer wie viele andere. In einer Sache unterscheide ich mich allerdings deutlich von einem großen Teil meiner Kolleginnen und Kollegen: ich möchte Dinge verändern, grundlegend und möglichst jetzt. Damit macht man sich allerdings schnell außerordentlich unbeliebt.

Wie mit anderen Dingen auch, habe ich mit denen im Kollegium, mit denen ich mich ohnehin verstehe und die ich entsprechend einschätze, geredet und ihre Bereitschaft zu Veränderungen ausgelotet. Da rannte ich bei einigen offene Türen ein. Dann folgte der erste Versuch, meine Schule von unten her zu verändern. Die kleine Gruppe, die sich dafür engagierte, arbeitete fleißig an einem Konzept und stellte dieses dem Kollegium vor. Offene Ablehnung hielt sich in Grenzen. Sie kam vor allem aus dem „konservativen Block der Neinsager„. Die Mehrheit äußerte sich nicht und stimmte für unser Vorhaben oder enthielt sich zumindest. Bei der Umsetzung scheiterte das Vorhaben dann letztlich. Es fanden sich keine weiteren Kollegen zur direkten Mitarbeit und von der Co-Schulleitung kam ein Torpedo direkt vor den Bug. Die Schulleitung, die das ganze zwar guthieß und auch unterstützte, versäumte es, rettend einzugreifen. Damit sank das Schiff und der Versuch, eine Veränderung einzuleiten hinterließ bei einigen im Kollegium einen bitteren Nachgeschmack, auch wenn sich für niemanden auch nur eine Minute etwas verändert hatte bis dahin.

Im Nachhinein muss ich sagen, war beim ersten Versuch die Strategie die falsche. Ich hatte versucht, das Pferd sozusagen von der falschen Stelle aufzuzäumen. Mein Versuch war übrigens nicht der erste Versuch, an der Schule etwas ins Rollen zu bringen. Da war schon einmal ein Kollege, wie ich jünger und sehr motiviert. Er engagierte sich zweihundertprozentig, hatte den Rückhalt der Schulleitung und scheiterte am Widerstand des Kollegiums, die so weitermachen wollten wie sie das immer getan hatten. Er hatte sich dabei sehr viele Feinde im Kollegium geschaffen. Folglich zog er die Konsequenz und suchte sich eine eigene Schule, die er als Schulleiter verändern konnte. Er bekam sie, klotze einige Jahre voll rein und veränderte die Schule tatsächlich, gegen den Widerstand des dortigen Kollegiums, unterstützt von der Schulaufsicht und den von dieser veranlassten Versetzungen nicht kooperierender Kollegiumsmitglieder.

Meinen zweiten Versuch startete ich zusammen mit der Steuergruppe. Die steht voll hinter der Idee, etwas zu verändern. Sie hatte sich beim ersten Versuch bereits ein wenig eingeklinkt, jedoch zu spät. Allen in der Steuergruppe ist klar, dass es kaum möglich ist, direkt etwas in den Köpfen der Kollegen zu verändern. Wieder steht die Schulleitung hinter der Sache und diesmal aktiver. Wir kamen also auf die Idee, durch äußere Veränderungen ein Zeichen zu setzen und so vielleicht innere Veränderungen anzustoßen. Das war dann die Idee mit dem 60-Minuten-Takt und dem Förderband (siehe dazu meine diversen Einträge in diesem Blog). Zunächst einmal erarbeiteten wir ein Leitbild für die Schule und Leitziele und holten dazu Eltern und Schüler ins Boot. Das stellten wir dann dem Kollegium vor und das musste es so, wie es war, absegnen. Versuche, es zu zerreden wurden abgeblockt, denn Schüler, Eltern, Steuergruppe und Schulleitung standen bereits voll dahinter. Abgeleitet aus Leitbild und Leitzielen wurde dem Kollegium nun die Absicht kund getan, größere Veränderungen einzuleiten. Später wurde noch einmal über den Zwischenstand der Arbeiten der Steuergruppe informiert. Es wurde außerdem noch einmal bekräftigt, dass es einen 60-Minuten-Takt und ein Förderband geben werde. Um das Kollegium auf das Thema individuelle Förderung einzustimmen und es auch etwas mit Wissen zu versorgen, wurde eine Fortbildung angesetzt.

Kommunikation ist so wichtig. An dieser Stelle läuft bei diesem Versuch einiges nicht so, wie es sollte. Zwar ist die Umstellung auf den neuen Zeittakt und das Förderband eine beschlossene Sache, doch wie wir dahin kamen, das sorgte schon für Zündstoff. Es wurde dem Lehrerkollegium eigentlich keine Möglichkeit zur Abstimmung gegeben. Es wurden mögliche Stundenpläne ausgehängt für einen 60-Minuten-Takt und dazu die Möglichkeit gegeben, Kritiken oder Änderungsvorschläge an ein Flipchart zu schreiben. Es kam kein einziger Eintrag. Die Schulleitung interpretierte das als Zustimmung und verzichtete auf eine Diskussion und Abstimmung (auch mit dem Hintergrund, dass eine Zustimmung dann vermutlich nicht zu erreichen gewesen wäre).

Der Fortbildungstermin wurde viel zu spät kommuniziert. Wir haben unseren Terminkalender online gestellt und verzichten auf den bisherigen kopierten. Viele Kollegen sehen aber keine Notwendigkeit, so scheint es, im Onlinekalender nachzuschauen, was ansteht. Sie machen das nicht, also machen sie es nicht. Deswegen wussten sie auch erst eine Woche vor dem Termin, dass er stattfindet, nämlich dann, als die Eltern per Schreiben informiert wurden. Der Unmut, der mit dem Anliegen an sich zu tun hat, wird so durch schlechte Kommunikation noch verstärkt.

Menschen sind Gewohnheitstiere. Was immer so war, wird immer so bleiben und was nicht sein kann, das darf auch nicht sein. So einfach kann man das fassen. Veränderungen verursachen Unsicherheit und Unsicherheit erzeugt Ablehnung. Noch ist im Kollegium meiner Schule wenig Information über die vorstehenden Veränderungen angekommen. Das hängt zum einen damit zusammen, dass auch die Steuergruppe noch nicht alle Informationen hat und geben kann. Es hängt auch damit zusammen, dass man dem Kollegium ein möglichst ausgereiftes Konzept vorlegen vorsetzen möchte und auch damit, dass man sich in der Steuergruppe davor fürchtet, das Kollegium redet, angestachelt vom „konservativen Block der Neinsager“ alles kaputt. Desinteresse des Kollegiums ist auch ein Grund. Jeder weiß, wer in der Steuergruppe ist und plant, man braucht nur fragen. Alle wissen, alles Tun der Steuergruppe, alle Planungen, sind ausführlich in einem Wiki dokumentiert und für jedermann einsichtig. Das geplante Schema für das Förderband wurde auf einer Schrankwand über eine Länge von vier Metern gut sichtbar mit Erklärungen aufgehängt. Nur wenige sahen es sich einmal genauer an.

So soll meine Schule nun grundlegend verändert werden. Jeder weiß, wie sehr ich die Sache mit vorantreibe. Manche machen meine Rolle vielleicht größer als sie ist. Dass ich mir mit diesem Versuch nur wenig Freunde machen werde, war mir klar. Die Hoffnung der Steuergruppe ist, dass wir mit dem Ergebnis überzeugen können. Darauf hoffe  ich natürlich auch, denn dann hätte ich mir deutlich weniger Feinde gemacht. Dafür aber muss die Sache erst einmal laufen und das braucht die Mitarbeit des Kollegiums, und da ist derzeit ein großes Fragezeichen.

Mangelverwaltung durch Mangelausgleich

Posted in Hauptschule, Schulpolitik by damianduchamps on Mai 26, 2010

Das Schuljahr nähert sich dem Ende und die Personalplanungen der zuständigen Dienststellen, sprich Dezernate, sind bereits seit einigen Wochen im Gange. Es gilt, die Weichen für das kommende Schuljahr zu stellen. Schulleiter werden von den für Stellenangelegenheiten verantwortlichen Dezernenten einbestellt und man schachert um die Zuteilung von Personal. Lehrer sind dabei eigentlich nichts weiter als Zählvieh. In meinem Schulamtsbezirk, der mit einem benachbarten zusammen verwaltet wird, fehlen an vielen Schulen Lehrer. Ersatz gibt es nicht. Vor allem im benachbarten, an Hessen angrenzenden Schulamtsbezirk ist die Situation schwierig, da Arbeitsplätze in wenige Kilometer entfernten Schulen vom Gehalt her lukrativer sind, bei gleicher Arbeit. Was also kann man tun?

Klar ist, dass man Schulen, die personell überbesetzt sind, Lehrer wegnimmt.  Das sind die Schulen, bei denen der Schülerschwund durch geburtenschwache Jahrgänge und sinkende Anmeldezahlen in Konkurrenz zu Realschule und Gymnasium schneller voranschreitet als der Personalrückgang durch Pensionierungen. Dann gibt es aber auch die Schulen, die genau richtig, also weder unter- noch überbesetzt sind. Und es gibt die Schulen, die leicht bis stark unterbesetzt sind. Es geht dabei nicht um fehlende Lehrer für bestimmte Unterrichtsfächer, sondern um die Zahl der Lehrer im Verhältnis zu der der Schüler.

Im Fall der Hauptschulen in den beiden Schulamtsbezirken, um die es in meinem Fall geht, sind wir jetzt bei der Verwaltung des Mangels angekommen. Da es keine überzähligen Lehrer mehr zu verteilen gibt, verteilt man nun den Mangel möglichst gleich, indem man den Schulen, die noch entsprechend ihrer Schülerzahl mit Lehrpersonal besetzt sind, Lehrer wegnimmt und sie an Schule, die deutlich zu wenige Lehrer haben, abordnet. Das geschieht meiner Schule nun zum neuen Schuljahr.

In Folge werden wir wohl wie viele andere Hauptschulen nun Unterricht kürzen müssen im neuen Schuljahr. Die Landesregierung sähe es natürlich gerne, wenn die fehlenden Unterrichtsstunden durch die mögliche unbezahlte Mehrarbeit von Lehrkräften aufgefangen würden. Drei Stunden pro Monat sind möglich, denn erst ab der vierten muss gezahlt werden. Bei einem Kollegium von 30 Lehrkräften, könnte man so theoretisch 90 Stunden in einem Monat gewinnen, was grob 0,75 Stellen entspricht. Vom Fachlehrermangel, an dessen Ausgleich niemand mehr denkt, will ich nicht erinnern. Nur eine Zahl: An Hauptschulen wird Englisch nur zu etwa 20 % von Fachkräften unterrichtet, der restliche Englischunterricht wird fachfremd erteilt. In den Naturwissenschaften, Kunst und Musik sieht es nicht besser aus, und auch dem Fach Mathematik gehen demnächst die Fachlehrer aus.

Warum, fragt mancher sich, stellt man nicht einfach neue Lehrer ein? Dafür gibt es zwei Gründe. Falls Stellen ausgeschrieben werden, finden sich oft keine geeigneten oder gar keine Bewerber. Insgesamt werden allerdings kaum noch Stellen ausgeschrieben. Die Zuteilung von Lehrern an Schulen orientiert sich an der Zahl der Schüler und wird mittels des Stellenschlüssels, einer fixen Zahl, berechnet. In den Landesstatistiken kennt man zwei Zahlen, die Entwicklung der Schülerpopulation und die der Lehrerpensionierungen. Was man in den Planungen hinnimmt, ist eine Verringerung der Zahl der Lehrer zu Ungunsten des Zahlenverhältnisses Schüler-Lehrer. Was man auf jeden Fall vermeiden will, ist eine Erhöhung der Zahl. Schrumpft zur Zeit die Zahl der Lehrer schneller als die der Schüler (durch Geburtenrückgänge), so ist man nicht bereit, dieses durch Neueinstellungen auszugleichen, da man vermeiden will, in späteren Jahren zu viele Lehrer im Verhältnis zur Zahl der Schüler im Sold zu haben, die man dann als Beamte nicht mehr los wird. Schüler, die zur Zeit die Schule besuchen, müssen den Mangel letztlich durch Unterrichtsausfall ausbaden.

Geld alleine löst keine Probleme

Posted in Schulentwicklung, Schulpolitik by damianduchamps on Mai 25, 2010

Deutschland muss sparen. So viel ist klar. Wenn es aber um die Frage geht, wo gespart werden kann und soll, dann scheiden sich die Geister. Für die einen ist der Bereich Bildung und Forschung definitiv ein Kandidat und für andere geht hier gar nichts und man möchte die Ausgaben sogar noch steigern in den kommenden Jahren. Was ist nun richtig? Oder muss die Frage vielleicht völlig anders gestellt werden?

Die FAZ griff das Thema am 24. Mai mit dem Artikel Sparen an der Bildung – aber richtig auf und versucht, eine Position in der Mitte zu finden (Dank für den Hinweis auf den Artikel an @janschuette). Der Autor, Winand von Petersdorff, ist der Meinung, dass man durchaus Ansätze zum Sparen finden kann, nämlich dort, wo Ausgaben nichts oder wenig bewirken. Als Extrembeispiele führt er Hochschulen an, die nicht einmal wissen, wie sie die Fülle an Geld sinnvoll ausgeben sollen. Richtig weist er darauf hin, dass zwischen der ins Bildungssystem investierten Geldmenge und  dem, was dabei herauskommt, nicht unbedingt ein proportionaler Zusammenhang bestehen muss. Die Gesamtschulen zeigen, denke ich, wie richtig er mit dieser Aussage liegt. Entsprechend erteilt er der Forderung nach kleineren Klassen zur Verbesserung des Lernerfolges eine klare Absage und stützt sich dabei auf Ergebnisse wissenschaftlicher Studien. Diesen Studien widerspreche ich auch nicht, denn Klassengröße ist nicht das entscheidende Kriterium für eine Verbesserung von Unterricht. Von daher stimme ich ihm hier auch zu. Allerdings würde ich nicht soweit gehen, nun auch gleich zu sagen, man könne Klassen ohne Nachteile vergrößern, um damit dann Personal (sprich Geld) zu sparen.

Eines stellt Winand von Petersdorff absolut richtig fest, Geld, welches für Bildung ausgegeben wird, kommt eher denen zu Gute, die es nicht brauchen als denen, die es am nötigsten hätten. Die schlechtere Stellung von Kindern aus bildungsfernen Schichten zeigt sich an vielen Stellen, von der Empfehlung der Grundschulen für eine weiterführende Schule, zur Entscheidung der Eltern dieser Kinder für eine Sekundarschule und eben auch darin, wie wenig diese Kinder von Bildungsausgaben profitieren. Eine Lösung dieses Problems sieht von Petersdorff im Timing von Bildungsinvestitionen. Um die nachteiligen Effekte der sozialen Herkunft  auf den Bildungserfolg zu reduzieren, spricht er sich für Investitionen in die frühkindliche Bildung aus. Aus der Sicht eines Hauptschullehrers kann ich dieses nur unterstützen. Viele der Kinder, mit denen ich zu tun habe, kommen mit großen Defiziten in verschiedensten Bereichen an meine Schule. Für Hauptschulen, deren Klientel sich heute überwiegend auf die Kinder bildungsferner Schichten beschränkt, ist das Alltag. Viele der Defizite, mit denen wir zu kämpfen haben, lassen sich auf Versäumnisse in der frühen Kindheit und Kindheit zurückführen. Wir als Schule können nur noch notdürftig kitten, doch beheben können wir die Defizite häufig nicht und so verfolgen sie diese Kinder ein Leben lang.

Die Übel, die unser Bildungssystem plagen, haben auch mit Geld zu tun und damit, wer von Bildungsinvestitionen profitiert und wer nicht. Für mich ist die zentrale Frage jedoch eine andere. Wie kann man die Struktur unseres Bildungssystems ändern, so dass alle davon gleichermaßen profitieren?

Ich glaube, Schule muss sich grundlegend verändern. Wer glaubt, unser bestehendes System durch Mehrausgaben zu besseren Ergebnissen zu bringen, kommt nicht vom Fleck. Was wir brauchen, ist eine neue Struktur, eine Revolution, wie Sir Ken Robinson fordert. Außerdem benötigen wir einen Unterricht, der Schülern als Individuen gerecht wird und ihnen ihre eigenen Lernwege ermöglicht. Das geht jedoch nicht ohne Lehrer, die in der Lage sind, anders zu unterrichten. Lehrer müssen fortgebildet werden, und es ist nicht mit ein paar Veranstaltungen hier und da und dort getan. Es muss eine nachhaltige Fortbildung sein, die Lehrer zu kompetenten Lehrern des 21. Jahrhunderts macht. Das kann nur über Wochen und Monate gehen, praktisch und unterrichtsbegleitend. Dafür braucht es Ressourcen. Lehrer müssen freigestellt werden für Fortbildung. Aus eigenen Mitteln können die meisten Schulen dieses derzeit kaum leisten.

An Hauptschulen wäre das vielleicht noch machbar, durch Vergrößerung der Klassen, da diese etwas kleiner sind als an anderen Schulformen. An Realschulen und Gymnasien mit Klassengrößen von 30 und mehr Schülern halte ich diesen Weg jedoch nicht für gangbar. Und in dem Moment, wo man zu der Lösung käme, größere Klassen wären machbar, würden findige Ministerialbeamte sofort den Stellenschlüssel, sprich das Schüler zu Lehrer Zahlenverhältnis, erhöhen und damit diese Möglichkeit zunichtemachen.

Die Lösung wäre, meiner Meinung nach, eine Zuteilung weiterer Lehrkräfte an die Schulen, um Lehrer über längere Zeiträume für Fortbildung freizusetzen. Das muss zumindest für eine Umbauphase von vermutlich fünf bis sieben Jahren möglich sein. Damit könnte man die Lehrer, die derzeit an Schulen arbeiten und noch auf mindestens 20 Jahre die Mehrheit in den Kollegien stellen, auf einen aktuellen Stand von schülerorientiertem Unterricht bringen. Fortbildung ist selbstverständlich für alle verpflichtend. Außerdem ist die Lehrerausbildung selbst auf den diesen Stand zu bringen, um nicht weiter Lehrernachwuchs zu produzieren, der in seinen Kompetenzen auf dem Stand von vor 20 Jahren ist. Mit einer auf diesem Weg bewirkten Veränderung von Schule könnte zudem der Lehrerberuf wieder zu einem attraktiven Beruf werden. Wir brauchen kluge Köpfe für die Schulen, die klügsten Köpfe überhaupt.

Beginnen sollte man am besten sofort. Es sind bereits zu viele Kinder in unserem System auf der Strecke geblieben. Schulen und Lehrer, die sich auf einen schülerorientierten Unterricht verstehen und diesen seit Jahren erfolgreich praktizieren, gibt es ausreichend. Von ihnen könnten wir lernen.

Tyrannei des Verstandes

Posted in Diverses, Schulentwicklung, Schulpolitik by damianduchamps on Mai 24, 2010

Sir Ken Robinson hat eine Botschaft. Was er sagt, findet viel Zustimmung. Der Mann ist schon beinahe Kult in Kreisen, die moderner zeitgemäßer Bildung gegenüber aufgeschlossen sind. In seiner jüngsten TED Rede: Bring on the learning revolution! macht er einen interessanten Ausspruch, den ich sehr treffend finde: „… the great problem for reform or transformation is the tyranny of common sense.“ Und er erklärt, was er damit meint: „… things that people think, well this can’t be done any other way because that’s the way they’re done.

Die Tyrannei des Verstandes wehrt Veränderungsversuche ab, da sie Gewohntes in Frage stellen. Vielleicht erklärt das die Hartnäckigkeit, mit der die Dreigliedrigkeit des Schulsystems und die Zuweisung zu den weiterführenden Schulen nach der vierten Klasse von großen Teilen der Politik und auch des Bildungsestablishments verteidigt werden. Da können Studien national und international auf die Probleme und ihre Ursachen hindeuten, es überzeugt nicht, da was nicht sein kann, nicht sein darf. Wenn das System zu ungünstigen Resultaten führt, wird die Ursache dafür überall gesucht, nur nicht im System selbst. Wenn man überhaupt Probleme im System erkennt, dann versucht man es mit Reformen des bestehenden Systems, in unserem Fall mit Standardsetzungen und einem Wechsel von Lernziel- zur Kompetenzorientierung. Reform, so sagt Sir Ken Robinson richtig, reicht nicht. Was es braucht, ist eine Revolution. Dafür fehlt bei uns zur Zeit jedoch noch immer die kritische Masse.

In anderen Ländern, siehe Frankreich, da gehen Schüler und Studenten auf die Straßen. Es brennen die Autos, Politiker müssen ihren Hut nehmen. Soweit muss es mit der Revolution bei uns nicht gehen. Es wundert mich allerdings, dass sich bei uns fast gar nichts rührt. Es sind mal die Studenten hier oder die Eltern in Hamburg, doch das war es schon. Hat denn der Rest keine Stimme oder unterliegen auch sie der Tyrannei des Verstandes?

Förderkonzept – auf der Suche

Posted in Alltag, Hauptschule, Schulentwicklung by damianduchamps on Mai 24, 2010

Wie schon an anderer Stelle erwähnt, möchte sich meine Schule (endlich) auf den Weg machen, einige grundlegende Dinge zu verändern. Dazu gehört auch ein Förderkonzept. Bisher haben wir zwar Förderempfehlungen geschrieben, nach Vorschrift. Die sind jedoch – meiner Meinung nach – das Papier, auf dem sie gedruckt sind, kaum Wert. Eine Förderwerkstatt haben wir noch, und da findet tatsächlich und wahrhaftig, als solche ausgewiesen, Förderung statt. Hier fördert eine Kollegin mit Montessoriausbildung die Fünfer und Sechser in den Fächern Deutsch und Mathematik. In der Regel können die Kinder nach einem halben Jahr ihre Leistungen um eine Notenstufe verbessern. Förderung erfolgt in Kleingruppen und die Schüler werden dazu aus dem regulären Unterricht dazu stundenweise herausgezogen. In den Genuss des Förderunterrichts kommt, wer in unseren kleinen Diagnosetests in Klasse Fünf auffällt oder später im Unterricht deutliche Probleme hat. Überwiegend sind es Kinder mit Migrantenhintergrund, dann solche mit verzögerter Entwicklung, Kinder mit Dyskalkulie, Dyslexi oder Legasthenie, und ab und an sind es auch die sprachlosen Kinder, Flüchtlingskinder aus Äthiopien oder Immigranten aus Polen oder sonst einem Land, die bei uns landen, ohne der deutschen Sprache mächtig zu sein.

Dass sich „meine Schule“ auf den Weg machen möchte, ist wohl mehr Wunschdenken. Es sind im Grunde genommen nur wenige, die das wirklich wollen, die Steuergruppe, der Schulleiter und ein paar Kollegen. Die Mehrheit möchte lieber so weiter machen wie bisher, auch wenn oft über immer ein immer größeres Auseinanderklaffen von Anspruch und Wirklichkeit im Unterricht geklagt wird in Gesprächen unter Kollegen.

Fördern, wozu, fragen viele. Wenn die faul sind und nicht wollen, hört man die Kolleginnen und Kollegen sagen, und damals da hatten wir noch Schüler, die was wollten, man sieht ja, aus denen ist noch was geworden, Ingenieure, Rechtsanwälte, aber heute, nein, die bringen doch keine Lernkultur mehr mit, alles nur Spaßgesellschaft, wenn die Eltern die mal erziehen würden, die sollten mal ihre Hausaufgaben machen, wie soll ich jemanden fördern, der nicht lernen will, …. und so geht die Litanei weiter, wenn es um das Thema geht. Warum sich viele im Kollegium größeren Veränderungen verschließen oder gar verweigern wollen, dafür gibt es viele Gründe, die von schlichtem Desinteresse bis zur in wenigen Jahren bevorstehenden Pensionierung reichen.

Klar ist an meiner Schule eines, es wird zum neuen Schuljahr strukturelle Veränderungen geben. Wir werden es mit dem 60-Minuten-Takt versuchen und wir werden ein Förderband einrichten. Förderband heißt das Konzept, da Fördern täglich stattfindet und zur gleichen Zeit und sich diese Förderzeit wie ein Band durch die Schulwoche zieht. Das Förderband soll eine halbe Stunde Dauer haben und mit ihm soll der Schulmorgen beginnen, viermal in der Woche. An einem Morgen soll die halbe Stunde für Klassengeschäfte zur Verfügung stehen. Bereits im Vorfeld hatten wir uns an einer anderen Schule ein Förderband angesehen. Das war die Overbergschule in Werl, eine Hauptschule wie die unsere, ausgezeichnet als Gütesiegelschule und so für eine Zeit ein Aushängeschild in der Schullandschaft NRW. In Aktion hatten wir das Förderband nicht gesehen. Die Schulleiterin hatte es uns vorgestellt mit viel Anschauungsmaterial. Die veränderten Arbeitsformen im Förderband hätten dann in den normalen Unterricht hinüber gewirkt und auch dort zu Veränderungen im positiven Sinn geführt. Das hatte uns gut gefallen. An der Overbergschule wählen die Schüler ihre Fördergruppen selbst und das Angebot geht über die Kernfächer hinaus. Fördermaterial haben die Lehrer der Schule gekauft sowie selbst erstellt, in großem Umfang. Um die Gruppen klein zu halten, sind zu Beginn des Schultages alle Lehrpersonen im Haus und man wirbt noch zusätzlich externe Helfer (Lese-Oma, etc.).

Wir in der Steuergruppe haben lange überlegt, wie wir die Sache angehen können. Im Hinterkopf hatten wir dabei immer das Wissen, dass ein Teil des Kollegiums ein Förderkonzept nur abnicken aber nicht wirklich mittragen wird. So beschlossen wir, das Fördern zunächst auf die drei Hauptfächer zu begrenzen, um die Sache für alle leichter zu machen. Da wir bezüglich der Zuteilung zu Förderthemen und -gruppen eher davon ausgehen, dass unsere Schüler weniger nach ihrem Förderbedarf entscheiden werden als nach Freundschaft und erwartetem Arbeitsaufwand, entschieden wir uns, dies in die Hand der Lehrer zu geben. Der Förderbedarf sollte sich aus dem vorherigen Halbjahr ergeben. Dazu entwickelten wir ein Raster, in welches die Fachlehrer am Ende eines Halbjahres für jeden Schüler den Förderbedarf eintragen. Das Raster hat fünf Themen- bzw. Kompetenzbereiche für jedes Halbjahr und drei Abstufungen: noch große Schwierigkeiten, teilweise noch Schwierigkeiten, kann das schon. Fachlehrer, die es sich einfach machen wollen, kreuzen einfach nur an. Wer mehr eintragen möchte kann dieses tun. Die fünf Themenschwerpunkte je Halbjahr waren von den Fachkonferenzen festzulegen. Das setzt aber auch voraus, dass in einer Jahrgangsstufe in einem Halbjahr zumindest die gleichen Themen behandelt werden. Bei uns ist das bisher außer in Englisch schon ein großes Problem. Alle Anstrengen in Mathematik scheiterten da in der Vergangenheit meines Wissens an der Eigenwilligkeit der Kollegen.

Praktisch stellten wir uns den Ablauf des Förderbandes wie folgt vor. Ein Schuljahr besteht aus zehn bis elf Förderperioden, von denen die erste in der zweiten Schulwoche beginnt. Es laufen immer zwei Fördermodule parallel, Montags und Donnerstags das eine, Dienstags und Freitags das andere, und am Mittwoch ist Klassenlehrerzeit. Je Jahrgang gibt es immer eine Fördergruppe mehr als es Klassen gibt. Das soll einmal die Gruppengröße bei ca. 15 Schülern halten und außerdem Kollegen daran hindern, normalen Unterricht zu machen, da sie so nie ihre Klasse bzw. ihren Kurs haben. Eine Förderperiode dauert somit vier oder fünf Wochen, womit ein Fördermodul mit vier bis fünf Stunden gefördert wird, verteilt auf acht bis zehn Halbstunden. Für jede Jahrgangsstufe gibt es ein Förderteam. Diesen stehen entsprechend der Gruppenzahl Räume zur Verfügung. Anhand des zum vorherigen Halbjahresende durch die Fachlehrer festgestellten Förderbedarfs werden die Schüler nun in Gruppen eingeteilt. Klassenlehrer haben zuvor den Förderbedarf ihrer Schüler in eine Übersichtsliste eingetragen. In den Fördergruppen findet zu Beginn ein Planungsgespräch statt mit den Schülern, so die Idee. Anschließend sollen die Schüler möglichst eigenständig an ihrem Thema arbeiten, wobei die Lehrperson lediglich beratende und unterstützende Funktion hat. Zum Ende des Fördermoduls bewerten die Schüler ihren Erfolg (noch große Schwierigkeiten, teilweise noch Schwierigkeiten, kann das schon). Verschiedene Fördermodule werden im Verlauf des Halbjahres mehrfach wiederholt, je nach Bedarf, um einmal allen Schülern mit entsprechendem Förderbedarf das Modul anbieten zu können und den Schülern, die nach einem ersten Durchlauf noch weiteren Förderbedarf haben, eine erneute Teilnahme am Modul zu ermöglichen.

Die Förderteams treffen sich im Laufe des Halbjahres regelmäßig, um die Zuteilung der Schüler zu den Gruppen zu regeln. Dabei können sie auch Themenänderungen vornehmen, wenn sich dieses aus dem aktuellen Bedarf ergeben sollte.

Um das eigenständige Arbeiten der Schüler im Fördermodul zu ermöglichen aber auch um fachfremde Kollegen beim Fördern in einem ihnen weniger vertrauten Bereich zu unterstützen, sollen für alle Fördermodule Materialpakete zusammengestellt werden. Die Inhalte sollen aus in der Schule über die Jahre gesammelten Materialien bestehen, aus neu erstellen Materialien und hinzugekauften. Vor allem in den unteren Jahrgangsstufen soll das Fördermaterial so angelegt sein, dass es verschiedene Zugänge zum Lerngegenstand ermöglicht. Für die zentrale Lagerung und Systematisierung der Materialienpakete soll es einen speziellen Raum geben.

Zu Beginn der Fünf, wo es keine Förderempfehlungen aus dem vorherigen Halbjahr gibt, sollen die Kinder getestet werden, um ihren Förderbedarf zu ermitteln. Erst danach soll ihre Förderung anlaufen. Starke Schüler aller aber vor allem der oberen Jahrgangsstufen sollen in ihren Stärken gefördert werden, indem sie in ihren starken Bereichen in Fördergruppen als Tutoren eingesetzt werden und dadurch ihre Stärken dort ausbauen. Dokumentiert wird die Förderung mit den Förderplänen und anderen Materialien in einem Förderportfolio über die Schulzeit hinweg.

Für mich klingt das System machbar. Der Aufwand für die Kollegen hält sich in Grenzen und der Verwaltungsaufwand sollte nicht zu groß sein. Ein Kraftakt ist jedoch die Zusammenstellung der Materialen zu Beginn und während des ersten Jahres. Später wird nur noch ergänzt und verbessert. Gute Materialien sollten es den Kollegen leicht machen und verhindern, dass selbst die, die wenig Interesse an der Veränderung haben, sich eben dieser Materialien bedienen anstatt einfach Kopien in die Gruppe zu geben oder sie sonst wie zu beschäftigen. Erhofft ist natürlich, dass Lehrer aus dem Förderunterricht Anregungen für ihren regulären Unterricht übernehmen, wenn sie sehen, wie gut es läuft (falls es gut läuft!). Wenn es so funktionierte, wäre das schön. Ich mache mir allerdings auch keine Illusionen, dass jeder mit Begeisterung mitmacht oder es nicht sogar Kollegen gibt, die sich nicht an die Regeln halten und machen, was ihnen passt. Anders als in der freien Wirtschaft scheint das in Schulen zur Normalität zu gehören.

Als Steuergruppe haben wir dieses Förderband erarbeitet und wollen es nach einem Jahr erstmals evaluieren. In einem Wiki haben wir bereits Fragen gesammelt für die Evaluation. Das hilft schon beim Erarbeiten des Konzeptes. Diese Woche machen wir eine Fortbildung zum Thema individuelle Förderung mit dem Kollegium. Eine Lehrerin, die sich durch Fortbildungen darauf spezialisiert hat und das Thema Förderband von zwei Schulen aus eigener Erfahrung kennt, wird die Veranstaltung leiten. Das Kollegium soll damit auf den Weg gebracht werden, sich mit dem Thema Fördermaterialien aktiv auseinanderzusetzen. Danach soll es daran gehen, diese Materialien dann, wie oben beschrieben, zusammenzustellen.

Im Planungsgespräch mit der Fortbildnerin redeten wir auch über unser Konzept für das Förderband. Sie findet es gut und hält es für machbar. Allerdings hat sie selbst andere Erfahrungen gemacht und sagte uns, Schüler wären am überzeugtesten bei einem Förderband dabei, wenn sie sähen, welchen Vorteil es hier und jetzt für sie brächte. Das wäre dann der Fall, wenn die Förderung einen unmittelbaren Bezug zu den gerade im Unterricht aktuellen Themen hätte. Außerdem solle man auch Sport in die Förderung einbeziehen, um Kinder mit Defiziten in Bewegung und Wahrnehmung dort zu fördern. Das hätte oft auch Auswirkungen auf andere Bereiche. Man solle nach ihrer Erfahrung generell in allen Fächern fördern. Das käme den Kollegen entgegen, die so nicht fachfremd fördern müssten. Viele kleine Gruppen, das klappt nach ihren Erfahrungen meist auch nur eingeschränkt, weshalb es dann letztlich doch auf Klassengruppen hinauslaufe. Habe man einen zusätzlichen Kollegen, könne dieser entweder in den Gruppen wechselnd unterstützen oder eben mal eine kleinere Gruppe herausziehen und in die Sporthalle gehen oder zu einem anderen Thema arbeiten. Es sei auch vorstellbar, dass man im Förderband mal eine Gruppenarbeit vom Vortag fortsetze oder  eine Gruppe etwas für den Sportunterricht aufbaue. Auch da sei Förderung möglich. Über Material, so sagte sie, brauche man sich zunächst weniger Gedanken machen, denn schließlich gebe es genug davon in der Schule verstreut und zu Hause bei den Kollegen.  Das solle man nehmen und eventuell ergänzen. So könne man die Arbeitsbelastung deutlich geringer halten. Diagnosematerial gäbe es mittlerweile ausreichend im Internet, wo man bei Bedarf drauf zugreifen könne.

Die Steuergruppe stellte nach dem Gespräch zunächst einmal unser bisheriges Konzept komplett in Frage. Und nun stehen wir wieder am Anfang, ohne ein Konzept. Was die Fortbildnerin gesagt hatte, klang vernünftig für die Mehrheit und mit Hinblick auf ein eher unwilliges Kollegium attraktiver.

Das kann ich schon nachvollziehen. Allerdings sehe ich auch, als jemand, der eher zu Pessimismus neigt, Schwachstellen. Ein Konzept wie dieses öffnet für mich der Beliebigkeit Tür und Tor. Ich habe lieber System, lieber ein Korsett, lieber Vorgaben, die es den Kollegen dann aber auch leicht machen können, die Richtung zu halten. Dass sich die Steuergruppe mit dem oben beschrieben Konzept im Kollegium weniger Freunde machen wird, ist aber auch klar. Grundsätzlich kann man natürlich sagen, jeder Unterricht ist Förderung. Doch damit macht man es sich nach meiner Meinung zu einfach.

Ein ehemaliger Kollege, der seit zwei Jahren an einer anderen kleineren Hauptschule unterrichtet, stellte uns mit einem seiner Kollegen das Förderband seiner neuen Schule vor. Dort reicht es mangels Lehrpersonal nur für Förderband mit Klassengruppen. Es wird dort schon anders gearbeitet als im normalen Unterricht, eigenständig. Man arbeitet viel mit Kopien und aus den Büchern und mit Starkheften in den oberen Klassen. Man hat ein Förderband und ist zufrieden damit. Mich sprach das nicht an. Ich erwarte mehr, vielleicht zu viel.

Förderkonzepte gibt es viele. Man findet einiges davon im Internet. Eine Schule fand ich, die legte viel Wert auf die Diagnose und ließ sich viele Kollegen für dieses Thema fortbilden, so dass man professionelle Testverfahren kompetent anwenden kann, um den Förderbedarf möglichst gut zu bestimmen. Eine andere Schule förderte täglich 45 Minuten und benotete diesen Förderunterricht sogar noch. Viele Schulen mit Förderband, die meisten, sind Ganztagsschulen. Sie können damit das Fördern noch anders integrieren. Wir müssen es mit der Stundentafel verrechnen, irgendwie. Das bedeutet, je eine Stunde weniger regulären Deutsch-, Mathematik- und Englischunterricht. Dazu kommt noch unsere zusätzliche Umstellung auf den 60-Minuten-Takt.

Das ist der Stand der Dinge an meiner Schule, was das Förderband und seine Organisation angeht. Irgendwie ist alles offen und was nun am Ende dabei herauskommt, kann ich nicht sagen. Der wichtigste Punkt wäre eigentlich eine Veränderung in den Köpfen der Lehrer an meiner Schule. Gäbe es die, bräuchte es nicht einmal die Krücke Förderband. Wir hoffen, und das ist die ungeschminkte Wahrheit, durch eine äußere, strukturelle Wandlung auf Dauer eine innere Veränderungen bewirken zu können.

Anhang:

Ein Mindmap zum Thema Förderband, Förderband-Organisation (ein paar PDFs)

Kompetenzraster (wiederentdeckt)

Posted in Kompetenzen, Schulentwicklung by damianduchamps on Mai 21, 2010

Vom kompetenzorientierten Unterricht sind wir an den meisten Schulen im Lande wohl meilenweit entfernt (siehe Ist kompetenzorientierter Unterricht ein Papiertiger?), doch damit ist das Thema natürlich nicht tot. Auch wenn sich sogar die Universitäten des Themas in der Lehrerausbildung kaum annehmen und die Studienseminare gerade zaghafte erste Schritte in Richtung kompetenzorientierten Unterrichts unternehmen, so gibt es hier und da Bewegung im Kleinen. Von Seiten des Landes tut sich eher wenig, wie es aussieht. Wohl arbeitet man in Kommissionen an neuen Kernlehrplänen für die Nebenfächer, die Hauptfächer lässt man aber scheinbar links liegen. Was man an Material findet, stammt vielfach aus der Konzeptionsphase von vor sieben oder acht Jahren. Trotzdem gibt es ein wenig Leben in der Thematik. Das stammt von kleinen Inseln der Aktivität, von Schulen, welche die Initiative ergriffen und sich auf den Weg gemacht haben, Häuser des Lernens, auf die der Ausspruch von Sir Ken Robinson „It’s important not to be frustrated by the whole system. Change happens one school at a time. Be the change where you are.“ gut passt. Das sind Schulen, die eher von der Reformpädagogik inspiriert sind, Schulen, die zum Archiv der Zukunft Netzwerk gehören oder diesem nahestehen, Montessorischulen, Schulen, die sich im Schulverbund Blick über den Zaun organisieren, und einige andere. Es sind die Schulen, die den Bildungsforscher Andreas Schleicher nicht wegen seiner harschen aber zutreffenden Kritik am deutschen Schulsystem verurteilen, sonder schon lange die Richtung gehen, die er einfordert. Für diese Schulen ist der Begriff Kompetenzraster kein Neuland mehr. Viele von ihnen verwenden Kompetenzraster in verschiedener Form.

Ich selbst hatte wohl das eine oder andere Mal den Begriff Kompetenzraster gehört, mehr nicht. Vor kurzem kam ich dann mit dem Begriff etwas anders in Berührung. Das war beim 1. Regionaltreffen des ADZ NRW an der Friedensschule in Köln. Diese Schule, die mich sehr beeindruck hat, arbeitet kompetenzorientiert und nutzt auch Kompetenzraster. Das machte mich neugierig und ich forschte nach. Worauf ich zuerst stieß, waren die sehr umfassenden Kompetenzraster des Instituts Beatenberg, einer Schule in der Schweiz. Diese Kompetenzraster werden an vielen Stellen zitiert. Über einen Tweet von Rolf Kröger (@watueueh) stieß ich nun auf einen recht aktuellen (oder zumindest im März aktualisierten) Eintrag im Bereich Toolbox BildungKompetenzraster – eine neue Form der Leistungsbewertung. Das ist das Modell des Instituts Beatenberg. Neu ist das Modell nicht. Es wurde 2004 veröffentlicht und stammt damit aus der Zeit, als man bei uns gerade eben die Implementierung der neuen am Kompetenzmodell orientierten KMK-Bildungsstandards und der daraus abgeleiteten Kernlehrpläne für die Hauptfächer (NRW) anging. Sowenig wie der kompetenzorientierte Unterricht bisher in den Schulen angekommen ist, so wenig kennt man dort Kompetenzraster.

Von Wiederentdeckt kann man, wie ich beim Durchsehen der Bertelsmann Seite vermutete, wohl eher nicht sprechen. Das Thema Kompetenzraster ist im Mainstream kaum vertreten, wie Google Insight deutlich zeigt. (Den Google Dienst kann ich übrigens nur wärmsten empfehlen, um Einblicke in solche Thematiken zu erhalten. Leider liefert er Daten jedoch erst ab 2004.) Abgesehen von zwei kurzen Phasen im Februar 2008 und Januar 2009 war das Thema online nicht wahrzunehmen.

Web-Suche-Interesse: kompetenzraster
Deutschland, Österreich, Schweiz
2004 – heute
Kategorie: Bildung

Auch wenn sich die Masse derer im System Bildung Beteiligten dafür wenig interessiert, sind Kompetenzraster auf jeden Fall einen Blick wert, da sie das, worum es beim kompetenzorientierten Unterricht geht, leichter verständlich machen. Zunächst einmal finde ich, ist die Überschrift auf der Webseite der Bertelsmann Stiftung Kompetenzraster – eine neue Form der Leistungsbewertung mehr als irreführend, denn es geht eben nicht um die Bewertung von Leistung im herkömmlichen Sinne, sondern um Kompetenzen und über welche davon ein Lernender in welchem Ausmaß verfügt.

Da es in der Schule beim Lernen um Kompetenzen geht, und zwar in allen Bereichen, hat man beim Institut Beatenberg für alle Bereiche Kompetenzraster erstellt. Das betrifft damit die traditionellen Schulfächer wie auch das Arbeits- und Sozialverhalten oder Gesundheit und Selbstorganisation. Erfunden hat das Institut Beatenberg die Kompetenzraster vermutlich nicht, denn in ähnlicher Form findet man Vergleichbares auch an anderer Stelle. Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen  (oder exakt Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen für Sprachen: Lernen, lehren, beurteilen) ist im Grunde genommen nichts anderes als ein Kompetenzraster. Auch hier werden Kompetenzen nach Niveaus gestuft abgebildet. Packt man die verschiedenen Kompetenzbereiche der Kernlehrpläne des Fachs Englisch (NRW) in ihrer dreifachen Abstufung nach Doppeljahrgangsstufen in eine Tabelle (siehe Kompetenzerwartungen am Ende der Jahrgangsstufen), erhält man ebenfalls ein Kompetenzraster. Letztere Beispiele sind zwar Kompetenzraster, haben aber mit denen von Schule eines nicht gemein. Sie sind nicht für die Hand von Schülern gedacht. Kompetenzraster als Instrumente zur Steuerung von Lernprozessen sind in der Regel so formuliert, dass sie für Schüler verständlich sind. Sie können außerdem anders dimensioniert sein und müssen z.B. nicht Kompetenzen bis zur höchsten Kompetenzstufe abbilden.

Was ein Kompetenzraster genau ausmacht, beschreibt das Institut Beatenberg sehr gut und ich zitiere ihren Text deshalb mit zwei kleinen Abänderungen hier:

Kompetenzraster beschreiben, was man in einem bestimmten LernFachbereich können könnte. Oder anders gesagt: Sie bilden das Curriculum ab in Form einer Matrix. In der Vertikalen werden jene Kriterien aufgeführt, die ein LernSachgebiet inhaltlich bestimmen (was?). In der Horizontalen werden zu jedem dieser Kriterien vier bis sechs Niveaustufen definiert (wie gut?). Kompetenzraster stecken damit einen Entwicklungshorizont ab (Horizont-Didaktik), indem sie in differenzierter Weise den Weg beschreiben von einfachen Grundkenntnissen bis hin zu komplexen Fähigkeitsstufen.

Damit bieten Kompetenzraster Lernenden einen Orientierungsrahmen, der ihnen einmal einen Lernbereich anschaulich macht und ihnen außerdem hilft, ihren Lernstand einzuschätzen. Sie haben damit Quasi eine Karte, auf der sie den Startpunkt, die Wegpunkte und den Zielpunkt für eine Bergbesteigung sehen. Auf welchem Weg sie nach oben kommen und ob sie Wegpunkte umgehen oder überspringen, wie lange sie für einzelne Wegstrecken benötigen und ob sie den Zielpunkt am Gipfel komplett erreichen, ist dabei offen.

Interessant finde ich Kompetenzraster auch aus der Sicht des Lehrers, denn hier eröffnet sich eine andere Perspektive zur Planung von Unterricht, die von kompetenzorientiertem Unterricht. Dieser muss so angelegt sein, dass er den Lernenden die Möglichkeit gibt, die verschiedenen Niveaustufen entsprechend der Progression der Lerninhalte zu erreichen. Lernangebote in Form von Materialien lassen sich mittels des Rasters leicht abstufen in ihrem Anspruchsniveau. Idealerweise ist das Angebot außerdem noch ausreichend differenziert, um verschiedene Zugänge zum Lerngegenstand zu ermöglichen.

Unterricht mit Kompetenzrastern fängt jedoch nicht mit dem Material an, sondern mit dem Kompetenzraster selbst. Das muss eine Kompetenz bzw. Teilkompetenz zunächst in verschiedene Niveaustufen einteilen, üblicherweise vier oder sechs. Und dabei geht man vom der zu erreichenden Teilkompetenz rückwärts vor.

Auch für die Erstellung schulinterner Curricula, also eine Ebene über der Unterrichtsplanung selbst, machen Kompetenzraster Sinn. In ihnen werden Bildungsstandards, wie sie zur Erlangung des Abschlusses der Schule erreicht werden müssen, von oben nach unten in niveaugestuften Teilkompetenzen aufgerastert. Auf dieser Stufe sind die Kompetenzraster des Instituts Beatenberg anzusiedeln. Für die Erstellung von Materialien für ein Lernbüro etwa, müssen dann, wie oben beschrieben, die Teilkompetenzen erneut heruntergebrochen.

Ich selbst werde mich in den kommenden Wochen weiter mit dem Thema auseinandersetzen, wie auch mit dem kompetenzorientierten Unterricht.

Ist kompetenzorientierter Unterricht ein Papiertiger?

Posted in Schulentwicklung, Schulpolitik by damianduchamps on Mai 19, 2010

Seit 2004 sind die Kernlehrpläne für die Fächer Deutsch, Mathematik und Englisch als „Element schulischer Qualitätsarbeit„(1) an den Schulen NRWs eingeführt. In Schuljahren gerechnet, befinden wir uns also im sechsten Jahr der Umsetzung im schulischen Alltag. Mit den drei Kernlehrplänen kam das Konzept des kompetenzorientierten Unterrichts in die Schulen. Und um sicherzustellen, dass Schulen die neuen Kernlehrpläne auch entsprechend in der Praxis umsetzen, wurden zwei Instrumente der Standardsicherung installiert, die Qualitätsanalyse – kurz QA und die Lernstandserhebungen.

In den QAs wird den Schulen von speziell geschultem Personal der Spiegel vorgehalten. „Die Qualitätsprüferinnen und -prüfer nehmen ihre Aufgabe in der Funktion von „Unternehmensberatungen für Schulen“ wahr.“ (2) Dabei schauen sie sich auch den Bereich Kompetenzen an. Der ist aber nur ein Teilbereich von vielen. Bei den Kompetenzen im Qualitätstableau (3) geht es dann um alle möglichen Kompetenzen, vor allem aber um die Kompetenzen der Schule und der Lehrkräfte, Fachkompetenzen, personale Kompetenzen, berufliche Kompetenzen, diagnostische Kompetenzen und Förderkompetenzen, und dann tatsächlich auch um Schlüsselkompetenzen. Explizit kommt im Qualitätstableau zur QA der kompetenzorientierte Unterricht nicht einmal vor, eher implizit.

Die Lernstandserhebungen haben dann schon eher etwas mit von Schülern zu erwerbenden Kompetenzen zu tun. Hier finden sich tatsächlich Aufgabenformen, wie sie in den Kernlehrplänen angeführt werden. Hört man sich um, so scheinen die Ergebnisse der Lernstandserhebungen insgesamt eher um den Durchschnitt herum zu liegen. Dabei schneiden manche Schulen besser und andere schlechter ab. Man muss dabei allerdings zwei Dinge beachten. Einmal betreffen die Lernstandserhebungen nur die drei Kernfächer und dann prüfen sie bisher immer nur einen Teil der erwarteten Kompetenzen ab. Im Fach Englisch ist so zum Beispiel der Bereich mündlicher Kommunikation bisher komplett außen vor geblieben. Was Anspruchsniveau und Aufgabenstellungen angeht, da versucht man sich nach und nach an einen Standard heranzutasten, der wohl versucht Anspruch und Wirklichkeit unter einen Hut zu bringen. Und weil das alles so schwierig ist, haben sich – man höre und staune, die Mehrheit der Bundesländer bei der Aufgabenentwicklung zusammengeschlossen.

Von den Ergebnissen ausgehend könnte man denken, alles ist im grünen Bereich, der Unterricht im Land NRW findet heute kompetenzorientiert statt. Ob das aber tatsächlich so zutrifft, wage ich ernsthaft zu bezweifeln.

Ich unterrichte an einer kleinen Hauptschule im südlichen Westfalen in einem so genannten Flächenkreis. Ein paar Kontakte habe ich auch über die Schule hinaus in andere Schulformen. Aus dieser Perspektive beurteile ich, wie es mit dem kompetenzorientierten Unterricht bestellt ist, an meiner Schule und vermutlich, so schließe ich aus meinen Beobachtungen und Recherchen, in sehr vielen, vielleicht der Mehrheit aller Schulen im Bundesland NRW.

Die Umsetzung des von den heute wahrlich nicht mehr neuen Kernlehrplänen geforderten kompetenzorientierten Unterrichts erfolgt nicht von alleine. Ein bisher überwiegend input-orientierter Unterricht muss sich verstärkt am Output orientieren. Dafür muss man Lehrer, die nach alter Manier ausgebildet wurden, fortbilden und Lehramtsstudenten und Referendare passend ausbilden. Will man also die Lehr- und Lernprozesse in den Schulen grundlegend verändern, so stellt dies  „höchste Ansprüche an die Systeme der Lehreraus- und –fortbildung und bedarf der theoretischen Fundierung zur Grundlegung entsprechender professioneller Kompetenzen, denn die Logik des Gangs der Dinge setzt vor den Kompetenzerwerb der Schülerinnen und Schüler den darauf zielenden Kompetenzerwerb ihrer Lehrerinnen und Lehrer!“ wie es so treffend in dem Artikel Didaktik und Praxis kompetenzfördernden Unterrichts (4) heißt.

Seit 2004 müsste sich also einiges getan haben. Hat es aber nicht.

An den Schulen ist bisher nichts oder nur sehr wenig angekommen.

  • Unsere Schulen sind seit mehreren Jahren gehalten, ihre schulinternen Curricula, die hausinternen Minimalpläne in Orientierung an den Vorgaben der Kernlehrpläne zu überarbeiten. Diese Minimalpläne sind die Richtschnur, an der sich der Unterricht der einzelnen Lehrerinnen und Lehrer einer Schule ausrichten soll. Um die Minimalpläne steht es allerdings schlecht. Kaum jemand in den Schulen weiß, wie es geht. Man probiert herum und tut sich sehr schwer, was man verstehen kann. Die Damen und Herren Fortbildner des Landes, die Moderatoren in den k-teams der Städte und Kreise können kaum weiterhelfen, da sie in den letzten fünf Jahren selbst nicht entsprechend fortgebildet wurden (zumindest was den Regierungsbezirkt Arnsberg angeht; vermutlich sieht es an anderer Stelle ähnlich aus).
  • Ähnlich wie um die Minimalpläne ist es um die fachliche Kompetenz der Lehrkräfte bestellt, wenn es um das Thema kompetenzorientierten Unterricht geht. Sie verfügen selbst nicht über die Kompetenz, ihren Unterricht umzustellen, da sie die dafür benötigten Fortbildungen bisher schlicht und einfach nicht erhalten haben. Also unterrichten sie weitestgehend weiter wie sie in den vergangenen Jahrzehnten auch unterrichtet haben. Eine Änderung hat es allerdings gegeben, sie bereiten ihre Schüler auf die Lernstandserhebungen vor, indem sie zumindest in den Wochen vor den Erhebungsterminen Aufgabenformate einüben.

Und in der Lehrerausbildung ist bisher auch kaum etwas angekommen.

  • Von Studenten der Lehrämter, die ich extra daraufhin befragte, hörte ich, dass Veranstaltungen zum Thema kompetenzorientierter Unterricht oder Entwicklung kompetenzorientierter schulinterner Curricula Mangelware wären und wenn es sie tatsächlich einmal gäbe, immer auch andere alternativ zu wählende Veranstaltungen angeboten wären. Gehört haben die meisten, dass es so etwas gibt, wirklich Ahnung hatte von den Befragten jedoch niemand.
  • In den Seminaren des Vorbereitungsdienstes ist der kompetenzorientierte Unterricht erstaunlicherweise auch noch nicht so richtig angekommen. Von einem Seminar hörte ich noch diese Woche, man wolle nun mal so vorsichtig daran gehen, von lernzielorientierter Unterrichtsplanung zu kompetenzorientierter Unterrichtsplanung überzugehen.

In die Lehrerfortbildung kommt langsam Bewegung.

  • Wie bereits oben gesagt, sind die Moderatoren, welche unsere Lehrkräfte für den kompetenzorientierten Unterricht kompetent machen sollen, selbst noch keinen Schritt weiter als die, welche sie fortbilden sollen. Wie ich verschiedentlich hörte, soll es da zumindest in den Kernfächern nun langsam Bewegung geben und im Bereich der Bezreg. Arnsberg versucht man wohl die Moderatoren der Kernfächer in Massenveranstaltungen mit 50 und mehr Personen (Kosten sparen oder nicht ausreichend kompetente Leute, um die Moderatoren zu schulen?) auf den aktuellen Stand zu bringen.

Ehrlich gesagt, derzeit ist es schlecht bestellt um den kompetenzorientierten Unterricht, zumindest an meiner Schule und ich bin mir sicher auch an der Mehrheit der restlichen Schulen im Land NRW. Ich kann mir vorstellen, dass – wenn überhaupt – die Grundschulen schon dichter dran sind am Ziel, denn sie die ersten gewesen, die sich auf den Weg gemacht haben, schon vor Jahren, sogar schon vor den Kernlehrplänen.

Ist der kompetenzorientierte Unterricht ein Papiertiger? Meiner Meinung nach ist er definitiv ein solcher. Wenn die Landesregierung weder das eigene Personal auf den fachlichen Stand bringen kann und noch schlimmer, nicht einmal in der Lage ist, zumindest den Nachwuchs dorthin zu bringen, wie soll dann kompetenzorientierter Unterricht Einzug in die Klassenräume der Schulen halten?

Wenn das Land die Ergebnisse der Lernstandserhebungen und der QAs als Indikatoren für den Erfolg der Umsetzung nimmt, dann scheint man insgesamt schon am Ziel angekommen. Glaubt das die Landesregierung und verzichtet deswegen auf durchgreifendere Maßnahmen zur Unterstützung ihrer Lehrkräfte und zur Ausbildung neuer Lehrkräfte? Ich kann es nicht sagen. Eines ist für ich jedoch klar, solange sich hier nicht wirklich ernsthafte Veränderungen einstellen, ist der kompetenzorientierte Unterricht ein Papiertiger und wird es bleiben, wie so viele andere verpuffte Reformen und Reformen von Reformen.

Koch wettet auf die Älteren und gegen die Jüngeren

Posted in Schulpolitik by damianduchamps on Mai 16, 2010

Roland Koch erregte viel Aufsehen als er diese Woche anregte, die geplanten Ausgaben für Forschung, Bildung und Kinderbetreuung zu reduzieren, um so in den kommenden Jahren Milliarden einzusparen. Vor allem aus dem Bereich Bildung kamen viele aufgeregte Proteste. Auf Carta spekuliert Andreas Griess in Gekürzte Bildungsausgaben und kalkulierte Empörung, dass Kochs Äußerungen einen anderen Hintergedanken haben, als man zunächst erwarten würde. „Die womöglich kalkulierte Empörung vereinfacht es, Studiengebühren wieder einzuführen, aus „Sachzwängen“ wie es im Politikerdeutsch so schön heißt,“ vermutet Griess. Mag sein, doch es geht um weitaus mehr.

In der Sonntagsausgabe der Frankfurter Zeitung beschäftigt sich auch Frank Schirrmacher mit Kochs Äußerung. In Roland Kochs Wette (Zugang nur für Abonnenten) setzt sich Schirrmacher mit der Frage auseinander, warum Roland Koch gerade Forschung, Bildung und Kinderbetreuung als den Bereich ausmacht, in welchem gespart werden muss. Sein Argument leuchtet mir ein. Er verweist auf die Ergebnisse einer Studie des Max-Planck-Instituts für Demographie, die einen Monat vor Kochs Äußerung veröffentlicht wurden. Zu diesen Ergebnissen titelten die verschiedenen Presseorgane: Die Solidarität bröckelt (Rheinischer Merkur), Ältere und Kinderlose denken kaum an Jüngere (Abendblatt.de), Älteren fehlt Verständnis für Jüngere (Stern), Demografischer Wandel bedroht Solidarität der Generationen (N24), Alten und Kinderlosen sind junge Familien egal (Morgenpost.de) und Wenig Neigung zum „Altruismus“ bei Rentnern und Kinderlosen (Heise.de).

Koch, so Schirrmacher, ist ein „Meister der Zielgruppendemokratie, und er hat ein Gespür für Mehrheitsmeinungen„.  Mit anderen hat Koch nach Schirrmachers Einschätzung nun erkannt, dass die Älteren, welche das Wählerpotential der Zukunft darstellen, wenig Interesse für die Belange der Jungen haben. Aus diesem Grund wagt Koch nun ein sozialpsychologisches Experiment, er wettet darauf, dass er mit großen Einsparungen bei Forschung, Bildung und Kinderbetreuung politisch punkten kann, da sich die „Interessen der alternden Gesellschaft bereits verwandelt“ haben und sich dieser Wandel noch verstärkt, und seine Wette damit aufgehen wird. Mit einem alternativen Ansatz, stattdessen 80 Mrd. Euro bei den Zuschüssen zur Rentenversicherung zu sparen, hätte man die ältere Generation gegen sich, beim Kochvorschlag jedoch nur die Bildungspolitiker, „denn die kritische Masse der jungen Menschen und ihrer Familien reicht offenbar schon nicht mehr aus, Protest zu formulieren.

Wenn das, was Harald Wilkoszewski und Elena Muth da in ihrer Studie Population Aging and the Acceptance of Population-related Policies herausgefunden haben, also tatsächlich so zutrifft, wenn die ältere Generation zunehmend das Interesse und die Solidarität für die nachfolgenden Generationen an Kinder und und Jugendlichen verliert, und die Politik dieses nun im Sinne Kochs ausnutzt, was sind die Folgen?

Schirrmacher macht klar, dass es keinen dritten Weg gibt, etwa durch Zuwanderung oder Lebensarbeitszeitverlängerung, und er deutet ein Szenario an, in welchem wenige junge aber schlecht ausgebildete Menschen die Alten alimentieren sollen. „Um 2015 wird sich die Zahl der ersten großen Rentnergeneration mit der immer geringer werdenden Anzahl neuer Berufseinsteiger überschneiden,“ sagt Schirrmacher und „was 2030, wenn keiner der heute aktiven Politiker mehr im Amt ist, mit uns geschieht, entscheidet sich jetzt.“ Die Weichen müssen jetzt gestellt werden und wenn sich Koch und Gleichdenkende durchsetzten, mit Blick auf das Wählerpotential der zunehmend älteren Gesellschaft, dann stellen sie die Weichen in politischer Kurzsichtigkeit genau falsch und schicken den Zug nicht nur aufs Abstellgleis, sondern in den Abgrund.

Entsprechend sieht Schirrmacher die Aufgabe von Politik darin, „den eigensüchtigen Interessen einer alternden Gesellschaften gerade dann entgegenzuwirken, wenn sie nicht mehr Partikularinteressen, sondern Interessen der Wählermehrheit einer Gesellschaft sind.“ Ganz richtig schließt er dann, dass unser Land begreifen muss, „dass es alle Rettungspakete vergessen kann, wenn es nicht ein Rettungspaket für die junge Generation, für Bildung und Forschung schnürt. Was bisher geschehen ist, reicht in Wahrheit bei weitem nicht.

Wie Bildung verbessert werden kann, dafür gibt es viele gute fertige Konzepte. Sie müssen nur umgesetzt werden und dafür braucht es leider auch Geld (auch wenn Geld alleine noch nicht alles ist). Bildung entscheidet über unser aller Zukunft, vor allem aber über die unmittelbare Zukunft von denen, die heute arbeiten. Wichtig finde ich dabei, dass wir jüngeren unsere Stimmen bündeln und unsere Interessen laut und deutlich vertreten.

Woanders ist alles besser

Posted in Alltag by damianduchamps on Mai 16, 2010

Vielleicht bin ich einfach nur zu blind oder vielleicht auch einfach nur dumm. Als Lehrer in NRW erwarte ich natürlich Informationen zu Schulthemen zu allererst aus dem Bundesland selbst, sprich dem Schulministerium. Natürlich haben wir in NRW unsere Richtlinien und Kernlehrpläne, in welchen man sich an erster Stelle informiert, wenn man an das Thema Unterrichtsentwicklung geht. Es steht da auch eine Menge Schlaues drin geschrieben. So richtig glücklich war ich damit jedoch nie. Dann gibt es noch Module für Moderatoren, derer man sich bedienen kann, wenn man sie je findet. Seltsamerweise finde ich Informationen zu moderner Schul- und Unterrichtsentwicklung vor allem in anderen Bundesländern, jedoch nicht in NRW.

Dieser Tage stieß ich auf zwei Schriften aus anderen Bundesländern, zu denen ich nichts Vergleichbares aus NRW kenne. Einmal sind es Materialien für kompetenzorientierten Unterricht im Sekundarbereich I aus Niedersachsen und dann ist es das Heft Lernen im Fokus der Kompetenzorientierung aus Baden Württemberg.

Gerade letztere Schrift, mit der ich mich momentan noch auseinandersetze, steckt voller Inhalte, wie ich sie aus NRW nicht kenne. Da finde ich Sachen, mit denen ich mich beschäftigt habe, Beispiele von Schulen, z.B. der Bodenseeschule, Dinge, auf die man stößt, wenn man sich mit Verbesserung von Schule und Unterricht beschäftigt und nicht blind ist für Erkenntnisse der Reformpädagogik und derer, die seither ihre Ideen weiterentwickeln und umsetzen. Die Bodenseeschule liegt in Baden Württemberg. Das passt natürlich. Aber ist man in diesem Bundesland vielleicht derartigen Ideen gegenüber aufgeschlossener, dass man dort solche Schriften veröffentlicht und den Schulen anbietet. Es deutet ja an, dass man Schulen in diese Richtung bewegen möchte. In NRW merke ich davon nichts. Zwar ist es in NRW durchaus möglich, auch Schulen in diese Richtung zu verändern, die Genehmigung dazu erhält man in der Regel, doch dass man diese Richtung vielleicht fördern möchte, davon finde ich nichts.

Erstere Schrift beschäftigt sich mit Englischunterricht, wie man ihn auch in NRW möchte. Eine Schrift wie sie, die auch für die Hand des Lehrers ist, kenne ich aus meinem Bundesland nicht. Was die Inhalte angeht, die kamen in meinem Studium noch nicht vor, ich kenne sie aber aus Fortbildungen im Zusammenhang mit Standardsicherung. Damals hatte eine Kollegin einer anderen Hauptschule, die auch in der Entwicklungskommission für die Aufgabenstellungen der Lernstandserhebungen saß, uns über die wichtigsten Dinge informiert und uns angetragen, diese Informationen in unsere jeweiligen Kollegien zu tragen. In den Kollegien ist das meiste davon sicher nicht angekommen, und die Informationen in den Kernlehrplänen finde ich dürftig.

Soweit so gut. Eine Frage kann ich noch immer nicht beantworten. Ist woanders alles besser, besser zumindest als in NRW, wenn es um Dinge wie diese geht?