Damian Duchamps' Blog

Koch wettet auf die Älteren und gegen die Jüngeren

Posted in Schulpolitik by damianduchamps on Mai 16, 2010

Roland Koch erregte viel Aufsehen als er diese Woche anregte, die geplanten Ausgaben für Forschung, Bildung und Kinderbetreuung zu reduzieren, um so in den kommenden Jahren Milliarden einzusparen. Vor allem aus dem Bereich Bildung kamen viele aufgeregte Proteste. Auf Carta spekuliert Andreas Griess in Gekürzte Bildungsausgaben und kalkulierte Empörung, dass Kochs Äußerungen einen anderen Hintergedanken haben, als man zunächst erwarten würde. „Die womöglich kalkulierte Empörung vereinfacht es, Studiengebühren wieder einzuführen, aus „Sachzwängen“ wie es im Politikerdeutsch so schön heißt,“ vermutet Griess. Mag sein, doch es geht um weitaus mehr.

In der Sonntagsausgabe der Frankfurter Zeitung beschäftigt sich auch Frank Schirrmacher mit Kochs Äußerung. In Roland Kochs Wette (Zugang nur für Abonnenten) setzt sich Schirrmacher mit der Frage auseinander, warum Roland Koch gerade Forschung, Bildung und Kinderbetreuung als den Bereich ausmacht, in welchem gespart werden muss. Sein Argument leuchtet mir ein. Er verweist auf die Ergebnisse einer Studie des Max-Planck-Instituts für Demographie, die einen Monat vor Kochs Äußerung veröffentlicht wurden. Zu diesen Ergebnissen titelten die verschiedenen Presseorgane: Die Solidarität bröckelt (Rheinischer Merkur), Ältere und Kinderlose denken kaum an Jüngere (Abendblatt.de), Älteren fehlt Verständnis für Jüngere (Stern), Demografischer Wandel bedroht Solidarität der Generationen (N24), Alten und Kinderlosen sind junge Familien egal (Morgenpost.de) und Wenig Neigung zum „Altruismus“ bei Rentnern und Kinderlosen (Heise.de).

Koch, so Schirrmacher, ist ein „Meister der Zielgruppendemokratie, und er hat ein Gespür für Mehrheitsmeinungen„.  Mit anderen hat Koch nach Schirrmachers Einschätzung nun erkannt, dass die Älteren, welche das Wählerpotential der Zukunft darstellen, wenig Interesse für die Belange der Jungen haben. Aus diesem Grund wagt Koch nun ein sozialpsychologisches Experiment, er wettet darauf, dass er mit großen Einsparungen bei Forschung, Bildung und Kinderbetreuung politisch punkten kann, da sich die „Interessen der alternden Gesellschaft bereits verwandelt“ haben und sich dieser Wandel noch verstärkt, und seine Wette damit aufgehen wird. Mit einem alternativen Ansatz, stattdessen 80 Mrd. Euro bei den Zuschüssen zur Rentenversicherung zu sparen, hätte man die ältere Generation gegen sich, beim Kochvorschlag jedoch nur die Bildungspolitiker, „denn die kritische Masse der jungen Menschen und ihrer Familien reicht offenbar schon nicht mehr aus, Protest zu formulieren.

Wenn das, was Harald Wilkoszewski und Elena Muth da in ihrer Studie Population Aging and the Acceptance of Population-related Policies herausgefunden haben, also tatsächlich so zutrifft, wenn die ältere Generation zunehmend das Interesse und die Solidarität für die nachfolgenden Generationen an Kinder und und Jugendlichen verliert, und die Politik dieses nun im Sinne Kochs ausnutzt, was sind die Folgen?

Schirrmacher macht klar, dass es keinen dritten Weg gibt, etwa durch Zuwanderung oder Lebensarbeitszeitverlängerung, und er deutet ein Szenario an, in welchem wenige junge aber schlecht ausgebildete Menschen die Alten alimentieren sollen. „Um 2015 wird sich die Zahl der ersten großen Rentnergeneration mit der immer geringer werdenden Anzahl neuer Berufseinsteiger überschneiden,“ sagt Schirrmacher und „was 2030, wenn keiner der heute aktiven Politiker mehr im Amt ist, mit uns geschieht, entscheidet sich jetzt.“ Die Weichen müssen jetzt gestellt werden und wenn sich Koch und Gleichdenkende durchsetzten, mit Blick auf das Wählerpotential der zunehmend älteren Gesellschaft, dann stellen sie die Weichen in politischer Kurzsichtigkeit genau falsch und schicken den Zug nicht nur aufs Abstellgleis, sondern in den Abgrund.

Entsprechend sieht Schirrmacher die Aufgabe von Politik darin, „den eigensüchtigen Interessen einer alternden Gesellschaften gerade dann entgegenzuwirken, wenn sie nicht mehr Partikularinteressen, sondern Interessen der Wählermehrheit einer Gesellschaft sind.“ Ganz richtig schließt er dann, dass unser Land begreifen muss, „dass es alle Rettungspakete vergessen kann, wenn es nicht ein Rettungspaket für die junge Generation, für Bildung und Forschung schnürt. Was bisher geschehen ist, reicht in Wahrheit bei weitem nicht.

Wie Bildung verbessert werden kann, dafür gibt es viele gute fertige Konzepte. Sie müssen nur umgesetzt werden und dafür braucht es leider auch Geld (auch wenn Geld alleine noch nicht alles ist). Bildung entscheidet über unser aller Zukunft, vor allem aber über die unmittelbare Zukunft von denen, die heute arbeiten. Wichtig finde ich dabei, dass wir jüngeren unsere Stimmen bündeln und unsere Interessen laut und deutlich vertreten.

3 Antworten

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  1. Julius said, on Mai 16, 2010 at 11:45 am

    Schon im April 2008 warnte Ex-Bundespräsident Roman Herzog vor einer Rentnerdemokratie, die die Jungen ausplündert. Spiegel)

    • damianduchamps said, on Mai 16, 2010 at 12:40 pm

      Herr Herzog sieht das sehr richtig, finde ich. Und wenn man mal nachschaut, so wird auch er nicht der Erste sein, der dies erkannt und laut gedacht hat.
      Wir sind ja sowieso schon beim Ausplündern. Unser Staat lebt auf Kosten der Zukunft, wie fast alle westlichen Demokratien. Irgendwo las ich dieser Tage, dass wir, wenn wir an der Bildung sparen, der Jugend auch noch die Schaufel nehmen, mit der sie sich aus dem Schuldenberg ausgraben könnte.

  2. Channi said, on Mai 16, 2010 at 5:47 pm

    … Dabei gibt es doch so ein schönes Video, das das mit dem Sparen an Bildung gaanz einfach erklärt: http://www.youtube.com/watch?v=SmesnZxAM3Q

    Schöne Grüße
    Channi


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