Damian Duchamps' Blog

OER, wenn nicht Lehrer, wer dann?

Posted in OER by damianduchamps on November 11, 2012

Kaum jemand, der sich mit freien Bildungsinhalten (OER) beschäftigt, ist nicht von deren Nutzen überzeugt. Nachdem längere Zeit über das Thema debattiert wurde, online wie offline, herrscht nun weitestgehend Einigkeit, dass es Zeit ist Fakten zu schaffen, sprich freie Bildungsmaterialien zu erstellen. Soweit so gut.

Anders schaut es jedoch bei der Umsetzung aus. Woher sollen sie kommen, die freien Bildungsinhalte?

Lehrerinnen und Lehrer

Sollen es die Lehrer sein, die sie erstellen? Einiges spricht dafür, manches aber auch dagegen. Lehrer kommen aus der Praxis und sind es gewohnt eigene Arbeitsmaterialien zu erstellen. Oft gilt die Regel, je jünger desto mehr. Im Laufe der Jahre entstehen riesige Materialsammlungen in den Arbeitszimmern und Rechnern der Lehrer, nur sind die eben oft nicht frei lizenzierbar. Als Praktiker haben Lehrer in der meist einen guten Überblick über das Materialangebot der Verlage und deren Schwächen und Fehler. Manche Lehrer sind nebenbei sogar als Lehrbuchautoren tätig. Ein Problem für viele in schulischen Bildung Tätige ist jedoch die verfügbare Zeit. Wer mit vier oder fünf Korrekturen, Familie und Haus ausgelastet ist, hat kaum Freiraum für größere OER Projekte, wie etwa Booksprints. Selbst für kleinere Projekte fehlt oft die Zeit, verständlicherweise.

Universitäten

Gerade Universitäten wären gute Produzenten von freien Bildungsmaterialien. In den Seminaren der Lehramtsstudierenden werden Berge von Unterrichtsmaterialien erstellt und oft auch erprobt, zumeist für die Mülltonne. Hier wäre ein Potential vorhanden, wenn die Materialien aus praktischen Übungen und Hausarbeiten wie auch aus Praktika von vorne herein unter Berücksichtigung von freien Lizenzformen (Creative Commons) erstellt würden und anschließend auf Universitätsservern systematisiert und veröffentlicht würden, um dann anschließend über ein System wie EduTags an einer Stelle recherchierbar zu sein. Wir alle finanzieren die Ausbildung der Studenten. Warum sollte die Gesellschaft nicht auch eine Dividende in Form von freien Bildungsmaterialien erhalten?

Nicht nur im Bereich der Lehrämter entstehen an den Universitäten Materialien, die für Bildungszwecke interessant sind. Auch hier sollten diese Materialien frei lizenziert zur Verfügung gestellt werden.

Studienseminare

Gerade in der letzten Phase der Lehrerausbildung werden noch einmal Unmengen an Unterrichtsmaterialien erstellt, sei es für den Unterricht oder für die Unterrichtsbesuche. Auch hier wäre es kein Problem, diese Materialien direkt unter Berücksichtigung freier Lizenzierungen zu erstellen und anschließend über die Seminare oder eine Universität online zur Verfügung zu stellen. Gerade im Zusammenhang mit dem Referendariat sollten sehr hochwertige Materialien entstehen, die durch Mentoren und unterrichtliche Erprobung in ihrer Qualität abgesichert sein sollten.

Museen und Archive

Institutionen wie Museen und Archive sind oft von der öffentlichen Hand finanziert und publizieren mittlerweile eine Menge online. In einigen Fällen entstehen hier im Rahmen der Museumspädagogik sogar didaktisierte Materialien. Es gibt keinen Grund, warum diese Materialien nicht als freie Bildungsmaterialien der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden sollten.

Kultusministerien

In der Lehrerfortbildung entstehen durch Fachleute hochwertige Unterrichtsmaterialien. Auch Landesinstitute erarbeiten oftmals umfangreiche Materialien. Bisher wurden diese zumeist ohne Berücksichtigung freier Lizenzen erstellt. Auch hier könnten freie Lizenzen bei der Erstellung genutzt werden und die Ergebnisse an die Öffentlichkeit freigegeben werden. Heimatorte für die erstellten Materialien könnten die Landesbildungsserver sein. Grundsätzlich sollten alle auf den Landesbildungsservern bereitgestellten Bildungsmaterialien frei lizenziert sein.

Andere Ministerien

Das BMU geht mit gutem Beispiel voran und stellt umfangreiche Materialien (Umwelt im Unterricht) frei lizenziert für Bildungszwecke zur Verfügung. Dem Beispiel könnten andere folgen, die Materialien und Informationen publizieren, die bildungsrelevant sein könnten.

Firmen, Stiftungen und Vereine

An vielen Stellen entstehen Materialien, die für Bildungszwecke von Interesse sind. In der Regel stehen sie jedoch unter dem normalen Urheberrecht. Sie können dann zwar gelesen, nicht jedoch für Arbeitsmaterialien in der Bildung verwendet werden. Auch hier könnte sich etwas ändern. Gerade die Industrie hat ein großes Interesse, eine gut gebildete Bevölkerung zu haben, aus der sie ihre Arbeitskräfte rekrutieren kann. Über die Bereitstellung von Materialien unter freien Lizenzen könnte man hier einen Beitrag leisten.

Das Thema ist hier nur gob angerissen. Ich hoffe aber, ich konnte zeigen, dass die Last, freie Bildungsmaterialien zu erstellen, nicht nur auf den Schultern der Lehrerinnen und Lehrer ruhen muss. Wer aus dieser Gruppe möchte und kann, der sollte auch. Doch es gibt auch viele weitere andere Gruppierungen, die viel leichter dazu beitragen könnten, dass sie der für alle verfügbare Fundus an freien Bildungsmaterialien ständig erweitert und aktualisiert.

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17 Antworten

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  1. Matthias Heil said, on November 11, 2012 at 7:03 pm

    Dürfen Lehrkräfte – egal in welcher Berufsphase – denn eigentlich „eigenmächtig“ die für den Unterricht erstellten Materialien – sofern diese sich nicht an Vorlagen orientieren oder gar urheberrechtlich geschütztes Material im für den schulischen Einsatz erlaubten Umfang enthalten – als OER „freigeben“? Fallen diese Produkte (von deren massenhaften Existenz ich ehrlich gesagt nicht überzeugt bin) nicht als Arbeitsmaterial von i.d.R. beamteten und vom Land bezahlten Profis nicht in den „Besitz“ des Landes? – IMHO wird OER nur dann „klappen“, wenn „von oben“ ebenso ermöglicht wird wie „von unten“.

    • Wolfgang Romey said, on November 12, 2012 at 5:52 pm

      Die Lehrkräfte haben in jedem Fall das Urheberrecht an den Materialien. Meines Wissens ist es so, daß sie die Materialien beliebig verwenden, also auch freigeben können, wenn nicht vor der Erstellung durch einen Auftraggeber ein Verwendungszweck festgelegt wurde („Darf nur in der Lehrerfortbildung eingesetzt werden“. Ich abe auch lange gedacht, daß alles, was ich als Lehrer produziere dem Land gehört. Genaueres findet sich hier: http://www.lehrer-online.de/werke-lehrkraefte.php?sid=76512024426951123235273887390060

  2. […] Kaum jemand, der sich mit freien Bildungsinhalten (OER) beschäftigt, ist nicht von deren Nutzen überzeugt. Nachdem längere Zeit über das Thema debattiert wurde, online wie offline, herrscht nun wei…  […]

  3. akismet-5a99f3e9f62ad06053f1248b9171c06c said, on November 11, 2012 at 7:28 pm

    Vielleicht müssen für Lehrer/Referendare auch Anreize geschaffen werden, das Material als OER anzubieten. Viele entscheiden sich ja ganz bewusst zur Arbeit für einen Verlag, um sich einen kleinen Nebenverdienst zu schaffen. Welchen Anreiz haben diese Lehrer, ihr Material u.U. kostenlos anzubieten?
    Insbesondere Material aus dem Ref werden ja gerne versilbert. Vielleicht müssten hier die Länder mal mögliche Ansprüche geltend machen: „Was ihr in eurer Arbeitszeit erstellt, gehört auch dem Land.“

    • damianduchamps said, on November 11, 2012 at 7:36 pm

      Welche Anreize? Innerhalb der Kollegien haben zumindest ein Teil der Lehrerinnen und Lehrer ihre Materialien immer mit den anderen geteilt. Es gehört vermutlich aber auch ein Stück weit Idealismus dazu. Man muss an die Sache glauben mit OER und dem Nutzen für alle.

    • Joachim Happel said, on November 11, 2012 at 11:41 pm

      Welche Anreize gibt es dafür, Blogartikel oder Kommentare zu schreiben, ein Facebook-Entrag zu machen, oder überhaupt soziales oder kulturelles Engagement zu belohnen?
      Für mich ist der eigentliche Anreiz, dass ich mit meiner Arbeit etwas bewirken, andere unterstützen, Entwicklungen weiter bringen kann. Das bestätigt mich und meinen Wert. Ganz ehrlich, wenn es nur um die paar Euros geht, die mir ein Verlag für tagelange Arbeit anbietet, dann müsste ich mich doch fragen, ob meine Arbeit wirklich so wenig wert ist.

  4. iTOtto said, on November 11, 2012 at 10:14 pm

    Ein schönes Beispiel: das Spioncamp.
    http://ddi.uni-wuppertal.de/material/spioncamp.html

  5. […] Kaum jemand, der sich mit freien Bildungsinhalten (OER) beschäftigt, ist nicht von deren Nutzen überzeugt. … Doch wer soll sie eigentlich erstellen Fragt Damian Duchamp. Klar ist: OER entstehen aus der Praxis. In vielen beruflichen Abläufen der Aus-, Fort und Weiterbildung von Lehrern werden ohnehin Bildungsmedien entwickelt, warum also nicht gleich als OER? Trotz des gegenwärtigen Hypes, steht OER wirklich ganz am Anfang. Und nach jedem Hype werden die Bälle erst einmal flach gespielt.  Vieles wurde bisher auf der Ebene von Lizenzen und Geschäftsmodellen diskutiert. Es gibt kaum Best Practice für die Erstellung, Weiterentwicklung und Versionierung von OER. Es gibt allenfalls erste Versuche.  Es fehlen noch wichtige Dienste für das Auffinden von OER, Autorenwerkzeuge, Mediendatenbanken, Repositorien für die  Qualitätsentwicklung in Verbindung mit dem social web.   M.a.W. Das Auto ist schon erfunden, aber es fehlen noch die Autobahnen, die Werkstätten und die Tankstellen. Doch letztlich ist das nur eine Frage der Zeit, und nicht mehr die Frage, ob OER die traditionell erzeugte Bildungsmedien ablösen werden. Sciher werden Schulbuchverlage und Medienproduzenten schon in einigen Jahren andere Aufgabenbereiche für sich definieren müssen. Aber es wird ja auch große Aufgaben in Entwicklung um OER geben. Den Einstieg sollte man jetzt nicht verpassen.  […]

  6. […] See on damianduchamps.wordpress.com […]

  7. mccab99 said, on November 12, 2012 at 8:03 am

    @matthias
    Es gibt Lehrer, die geben ihre Materialien nicht nur eigenhändig frei, sondern verkaufen ihre Arbeit sogar noch an Verlage, was den Dienstherren bisher wenig gestört hat – vielmehr steht „Publikationstätigkeit“ als Nebenverdienst in vielen Bundesländern beamtenrechtlich eher gut fundiert da – nicht zuletzt, weil der Dienstherr ein Interesse an dieser Arbeit haben muss. Fraglich bleibt, ob den wirtschaftlichen Nutzen ein Verlag haben sollte, wo doch der Dienstherr selbst „vergüten“ könnte – wahrscheinlich sogar weitaus wirtschaftlicher als über den Verlagsumweg, den – zumindest in NDS – aber sowieso die Eltern voll finanzieren. Also hat der Dienstherr etwas davon, dass alles so bleibt, wie es ist.

    Stichwort „Sollten Lehrermaterialien öffentliches Eigentum sein?“
    Dererlei Begehrlichkeiten werden nach meiner Wahrnehmung zurzeit hauptsächlich von Verlagen oder verlagsnahen Personen geäußert, die darin die Chance zu weiteren Einsparungen sehen und sich dann „nur noch“ Lektorendienste“ bezahlen lassen wollen. Ich höre diese Forderung zurzeit auch sehr stark im Kontext von Lernplattformen, deren kommerzielle Betreiber langsam begreifen, dass dafür Inhalte notwendig sind, zu deren Produktion ebendiese Lernplattformen so gar nicht einladen. Es muss ein Modus gefunden werden, der derartigen „Missbrauch“ zur Erhaltung bisheriger kommerzieller Strukturen unattraktiv zu machen, z.B. die CC-SA-Lizensierung.

    Stichwort „Versilberung“
    Was ich so an Verträgen gesehen habe, kann es den Produzenten eigentlich nicht um Geld gehen, sondern eher um den Stolz, ihren Namen auf Totholz gedruckt zu sehen. Oft sind es Umsatzbeteiligungen, also Optionen auf potentielle Einnahmen oder so großzügige Vergütungen wie 20,- Euro/Seite – mit Abtretung aller Rechte für alle Zukunft und Ausschluss der Gewinnbeteiligung von Verwertungsformen, die über Totholz hinausgehen.

  8. […] Kaum jemand, der sich mit freien Bildungsinhalten (OER) beschäftigt, ist nicht von deren Nutzen überzeugt. Nachdem längere Zeit über das Thema debattiert wurde, online wie offline, herrscht nun wei…  […]

  9. […] Blogger und Lehrer Demian Duchamp setzt sich in seinem Blogbeitrag “Wenn nicht Lehrer, wer dann?” mit der Frage auseinander, woher beziehungsweise von wem die freien Bildungsmaterialien nun […]

  10. schoe said, on Dezember 2, 2012 at 3:38 am

    Angesichts der seit Jahrzehnten vorherrschenden (Bildungspolitik) Verwaltung des Bildungs- und Ausbildungssektors durch den Finanzsektor werden freie Bildungsinhalte (OER) immer wichtiger. Daher habe ich mich über die unter https://damianduchamps.wordpress.com/ versuchte Bestandsaufnahme und „erste“ vorsichtige Einschätzungen sehr gefreut.

    In der hier vorgenommenen Auflistung fehlt mir aber ein für OER wichtiger Bereich:
    die Rundfunk- und Fernsehanstalten
    Dort werden nach wie vor hervorragende Lehr- und Lernmittel, Zeitdokumente… erzeugt, die über die Rundfunk- und Fernsehgebühren schon finanziert sind.

    Wir erinnern uns, dass (deutsche) Lehrer jahrzehntelang mit einem Fuß im Gefängnis standen, wenn sie auch nur Schulfunksendungen (Radio, später Fernsehen) auf Band aufzeichneten und nicht spätestens am folgenden Tag wieder löschten!

    Konfrontiert mit dem digitalen Zeitalter hat die Lobby der hier tätigen (Presse- und Schulbuchverlage) durchgesetzt:

    Rundfunkrechtlich dürfen die Rundfunkanstalten ihre Programme und Begleitinformationen nach der Sendung in der Regel nach sieben Tagen nicht mehr zum Abruf bereit stellen.

    Alle Sendungen des Schulfernsehens dürfen für die nach § 47 UrhG Berechtigten (Schulen, Medienzentren, Institutionen der Lehrerbildung und vergleichbare Institutionen) auf VHS aufgezeichnet und im Unterricht eingesetzt werden – bis zum Ende des auf die Ausstrahlung folgenden Schuljahres.

    Solche „Angebote“ mit Verfallsdatum sind (leider) für OER untauglich und daher ein nicht hinnehmbarer Skandal!

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  14. […] von deren Nutzen überzeugt.” “Doch wer soll sie eigentlich erstellen”, fragt Damian Duchamp. Klar ist: OER entstehen aus der Praxis. In vielen beruflichen Abläufen der Aus-, Fort und […]


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