Damian Duchamps' Blog

Und manchmal hasse ich Lehrer …

Posted in Alltag by damianduchamps on Juli 8, 2010

Hier im Blog habe ich jetzt längere Zeit nichts geschrieben, obwohl es viel gegeben hätte, über das ich mich hätte auslassen können. Ich habe es mir verkniffen. An verschiedenen Stellen berichtete ich bereits von meinen Versuchen, mit der Steuergruppe meiner Schule gemeinsam ein Förderkonzept auf die Beine zu stellen und gekoppelt damit die Einführung des 60-Minuten-Taktes auf den Weg zu bringen.

Nach einigem Vorwärts und Rückwärts schien der 60-Minuten-Takt zunächst gestorben, dann doch wieder nicht, nachdem die Steuergruppe dafür gekämpft hatte, um dann letztlich doch abgesagt zu werden. Da hatte man bereits einiges an Zeit und Arbeit investiert in die Sache und es durch alle Gremien geboxt bis zur Schulkonferenz. Ein Förderband gibt es nun definitiv nicht. Vielleicht kommt der 60-Minuten-Takt nun nächstes Jahr, möglicherweise aber auch nie. Die Steuergruppe erfuhr als letztes davon, dass Schulleitung den 60-Minuten-Takt mal eben hatte fallen gelassen. Der Frust war entsprechend groß, nicht nur darüber, dass es keinen 60-Minuten-Takt mehr geben wird, sondern vor allem über das Vorgehen. Im nächsten Schritt kippte die Schulleitung dann mal eben das Förderkonzept der Steuergruppe. Inhaltlich habe sich doch nichts geändert, hieß es. Der Mitgliedern der Steuergruppe raubte das den Schlaf der Nacht des gleichen Tages und am Folgetag legte das Gremium die Arbeit nieder. Im Kollegium war und ist die Verwirrung groß. Auch eine eiligst auf Druck der Steuergruppe einberufene Lehrerkonferenz konnte nicht für alle Klarheit schaffen, rettete aber scheinbar zumindest einen Teil des Förderkonzeptes der Steuergruppe.

Zur gleichen Zeit beschäftigten sich verschiedene Kolleginnen und Kollegen in den Fachschaften mit dem Thema Fördermaterial. Es war einiges Material gekauft worden. Wenn auch noch lückenhaft, so sehen die Verlage im Fördern ein lohnendes Geschäftsfeld und bringen nun mehr und mehr Material auf den Markt. Zwar hatte die Steuergruppe ein Förderkonzept formuliert und einen Leitfaden für die Erstellung von Fördermaterial erstellt, trotzdem gab und gibt es Schwierigkeiten. Unterschiedliche Kollegen haben unterschiedliche Auffassungen vom Fördern. Das reicht von ein paar Übungsblätter bis zu differenziertem Material mit Einstufungs- und Abschlusstest. Kaum jemand sieht sich verpflichtet, sich an den Vorgaben der Steuergruppe zu orientieren, soweit sie bekannt sind. In den Fachkonferenzen konnte bisher teilweise keine Einigung erzielt werden, wie das Fördermaterial aussehen soll. Jeder meint, machen zu können, wie es ihr oder ihm passt.

Der Fairness halber muss man aber auch sagen, dass nur die wenigsten wirklich eine Ahnung vom Thema „Individuelle Förderung“ haben. Wer differenziertes Material erarbeiten soll oder will, muss natürlich auch in dieser Schiene denken können. Es herrscht also ein Defizit im professionellen Bereich und dazu ein Informationsdefizit. Die Zeit hat nicht für uns gearbeitet.

Mit der Lähmung der Arbeit der Steuergruppe stockte auch der Informationsfluss. Und nun stehen die Ferien vor der Tür. Im neuen Schuljahr soll der Förderunterricht mit drei Stunden je Woche für die Fünfer und Sechser beginnen. Das Chaos regiert in den Fachschaften. Meinen Vorschlag, den Start noch einmal um ein viertel Jahr zu verschieben, um Zeit zu gewinnen und durch Schulungen die Kollegen auf einen Stand zu bringen im Thema „Individuelle Förderung“ lehnte die Steuergruppe ab, da man Angst hat, dann beim Kollegium vollends an Glaubwürdigkeit zu verlieren. Wir werden also irgendwie beginnen, jeder so wie es ihm passt. Die Steuergruppe soll anschließend sehen, dass sie alles (nachträglich) in Bahnen lenkt. Ein einheitliches Förderkonzept, keine Ahnung …

Was ich in meinem Kollegium so alles erlebe und erlebt habe, das zeigt mir immer wieder, wie wenig das Prinzip „Lebenslanges Lernen“ bei vielen Lehrerinnen und Lehrern angekommen ist. Ich arbeite mit vielen gestandenen Kolleginnen und Kollegen zusammen und ich achte sie für ihre Erfahrungen und das, was sie im Laufe vieler Dienstjahre geleistet haben. Sie haben viele Reformen und Reformen von Reformen miterlebt. Man hat sie vor jeden Karren gespannt und verheiz und verschlissen. Trotzdem habe ich kein Verständnis für den Mangel an Offenheit, den manche gegenüber den Bemühungen der Steuergruppe meiner Schule zeigen, die Schule für die Zukunft fit zu machen. Von gebildeten Leuten würde ich schon gerne etwas mehr Professionalität erwarten. Außerhalb des Bildungssystems, in der Wirtschaft könnte man sich vergleichbares Verhalten nicht erlauben. In Schulen machen viele der dort Arbeitenden schlicht und einfach, was sie wollen. Das kann mitunter zum Positiven wirken. Oft leider, so meine Erfahrung, wirkt es allerdings zum Negativen. Jeder macht, wie er will, und wenn man nicht will, tut man eben nichts und sitzt es aus. Teamarbeit, wen interessiert das? – Schülerzentriert unterrichten? Sollen sich die Schüler doch erst einmal ändern. – Schüler eigenständig arbeiten lassen mit Materialien, die das zulassen? Da kann man auch gleich eine Putzfrau dazustellen. – Schüler individuell fördern? Sollen wir jetzt jeden zum Abitur fördern? Nicht mit mir. Das und mehr hört man so und ähnlich immer wieder.

Und manchmal hasse ich Lehrer, und zwar genau deswegen.

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4 Antworten

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  1. […] This post was mentioned on Twitter by ixsi. ixsi said: RT @damianduchamps: Und manchmal hasse ich Lehrer …: http://wp.me/pSRVH-5o […]

  2. […] Erfahrung des Versuchs, Schule zu verändern, hat gerade Damien Duchamp ausführlich in seinem Blog […]

  3. Franz Josef Neffe said, on August 4, 2010 at 12:33 pm

    Dass wir nur alle so gierig darauf sind, die schlechten SCHABLONEN durch bessere SCHABLONEN zu ersetzen! Im Übereifer, der die Kräfte erschöpft, merken wir schon gar nicht mehr, wie oft dieses Spiel – mit immer gleichem Misserfolg – gespielt worden ist.
    Warum beenden wir diese pubertären Kampfspiele nicht?
    Warum züchten wir die SCHABLONITIS hoch?
    Warum lassen wir nicht los?
    Warum setzen wir uns gegenseitig unter Druck?
    Warum kommt keiner auf das SOG-Prinzip?
    Als Ich-kann-Schule-Lehrer gehe ich den entgegengesetzten Weg. Leben ist nicht in Schablonen hinein sondern über alle Schablonen hinaus wachsen. Deshalb lasse ich die Schablonen los und lerne den souveränen Umgang mit den kräften. Erst mit meinen. Und dann mit Deinen. Und wenn Du es nicht lernst, habe ich mehr Einfluss auf Deine Kräfte als Du. Auch wenn Du mein Chef sein solltest. Das ist Ich-kann-Schule. Da erübrigt sich Hassen. Ich grüße freundlich.
    Franz Josef Neffe

  4. Heike Burkhard said, on August 10, 2010 at 4:53 pm

    Dieser Artikel spricht mir aus der Seele. Obwohl ich selber schon uralt bin, die Pensionierung vor Augen und 35 Jahre Schuldienst hinter mir habe, denke ich mir, dass es dringendst notwendig ist, vor allem an unseren Hauptschulen etwas zu ändern. Unsere Welt hat sich verändert, die Anforderungen, die an ein erfolgreiches Leben gestellt werden haben sich verändert und wir erziehen und lehren wie vor 20 Jahren. Wir bereiten unsere Schüler auf eine Welt vor, die so nicht mehr existiert. Wir können mit unseren Schülern nicht mehr Schritt halten. Wir verstehen oft nicht ihre Interesselosigkeit, ihr soziales Missverhalten, ihre Flucht in Drogen, ihr Konsumverhalten. Es ist aber unsere Aufgabe sie da rauszuholen und ich denke, dass das nur mit neuen Methoden und neuen Mitteln gelingen kann. Und ich denke, dass das nur gelingt mit Lehrern, die bereit sind ihre Arbeit zu überdenken, die offen sind für Neuerungen und letztendlich auch bereit sind sich etwas über das gewohnte Maß hinaus zu engagieren und vielleicht auch die eine oder andere Stunde mehr zu arbeiten, damit ein fortschrittlicher und individualsierender Unterricht gelingen kann.
    H. Burkhard


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