Damian Duchamps' Blog

Wir brauchen den Generationenwechsel

Posted in Alltag, Hauptschule, Schulentwicklung by damianduchamps on Januar 12, 2011

Schulentwicklung braucht Kraft und Energie und zwar direkt vor Ort an den Schulen. Veränderung braucht jedoch auch Köpfe, die sich von alten Vorstellungen lösen können. Eine Episode in meiner Schule, einer kleinen Hauptschule im südlichen Westfalen, machte mir dieses heute wieder einmal mehr als deutlich.

Im überregionalen Teil der Tageszeitung zitierte man ein Gymnasiallehrer aus Ennepetal, der seinen Standpunkt gegen die Gemeinschaftsschule darlegte. Ich selbst hatte den Artikel bereits am Morgen beim Frühstück gelesen. Der Kollege vom Gymnasium spricht sich vor allem gegen längeren gemeinsamen Unterricht aus.

Für einen Teil der Kollegen in meiner Hauptschule war dieser Artikel regelrecht Wasser auf die Mühlen. Ein Kollege hatte den Artikel mitgebracht und reichte ihn in Kopien umher. Durch den Artikel fühlten sich die Kollegen, die ohnehin für das gegliederte Schulsystem sind, in ihrer Meinung mehr als bestätigt. Seht ihr meinten sie, genau das sagen wir auch immer. Gemeinsames Lernen, heterogene Lerngruppen, Inclusion und ähnlich sind ihnen Fremdworte. Sie fahren ihren Unterricht so, wie sie das seit Jahrzehnten tun. Früher hatten wir natürlich auch andere Schüler, die gehen jetzt auf die Realschule oder sogar auf das Gymnasium, sagen sie. Unsere Schüler jetzt, die sind doch einfach nur faul, meinen sie, die wollen nicht lernen, zuhause stimmt es nicht und deswegen wundert es auch nicht, dass sie immer weniger lernen. Die Klassenarbeiten fallen entsprechend von Jahr zu Jahr schlechter aus. Wer nicht will, den kannst du auch nicht fördern. Da müssen erst mal die Eltern. Und in dem Ton geht es weiter.

Und dann kommen natürlich die Migranten dran. Wir haben ja hier nur die Dümmsten. Und viele von ihnen wollen gar nicht hier sein. Am besten gehen sie zurück, dahin wo sie hergekommen sind, so hört man diese Kollegen reden (Sarrazin lässt grüßen – sie finden, was er sagt übrigens richtig).

Spricht man sie dann auf Finnland an, dann sind die Migranten genau das Argument, welches ihnen Recht gibt, dass das finnische Modell hier bei uns auf gar keinen Fall funktionieren kann, denn die haben ja keine oder kaum Migranten. In Kanada habe man zwar mehr Migranten, sagen sie, wenn man nun auf Kanada und dort die Provinz Ontario verweist, aber in Kanada suche man sich seine Einwanderer sehr gezielt aus. Wer dumm ist oder keine Leistung bringen will, der komme gar nicht ins Land hinein. Also lasse sich dieses System mit unserem auch nicht vergleichen, so ihr Argument. Danach wettert man dann vielleicht noch ein wenig auf verfehlte Immigrationspolitik in Deutschland.

Modernere Unterrichtsmethoden, ach hör mir damit auf, meinen sie. Eine jüngere Kollegin, die sehr offen unterrichtet und einen dieser älteren konservativen Kollegen bat, seinen Unterricht in ihrer Klasse doch entsprechend ein wenig anzupassen, bekam zu hören, dass man sich mit 30 Berufsjahren Erfahrung doch nichts von einer jüngeren Kollegen vorschreiben lassen müsse.

Veränderung, dagegen sind diese Kollegen, von denen ich hier berichte, eigentlich nicht. Sie wünschen Veränderung, wie so viele andere auch. Die Veränderung, die Sie sich vorstellen, bedeutet jedoch das Rad um mindestens 20 oder gar 30 Jahre zurück zu drehen.

Nein, sagten sie mal, als bei uns eine Gruppe Veränderungen anstoßen wollte, wir stellen uns euch nicht den Weg, denn ihr müsst sie noch länger unterrichten. Dass sie sich dann an den Veränderungen beteiligen, das könne man von ihnen wohl aber nicht mehr erwarten. Damit war das Thema für sie erledigt.

Was ich hier geschildert habe an Beobachtungen, trifft nur auf einen Teil meines Kollegiums zu und lässt sich auch nicht für alle Kollegen und Kolleginnen über 50 verallgemeinern und das möchte ich auch nicht. Es gibt unter den älteren Kolleginnen und Kollegen viele, die über lange Jahre sehr engagiert an ihrer Schule gearbeitet haben und dieses auch heute noch immer tun, wenn vielleicht auch teilweise mit gedrosselter Energie. Aus meiner Erfahrung muss ich jedoch sagen, dass die veränderungsresistenten überwiegend älteren Kollegen den Entwicklungsprozess meiner Schule nicht unwesentlich be- oder vielleicht sogar auch verhindern. Einige von ihnen werden zum Ende des Schuljahres pensioniert und das ist auch gut so. Sie haben über viele Jahre gute Arbeit geleistet und dafür respektiere ich sie sehr. Ich kann jedoch nicht akzeptieren, dass sie sich als Bildungsprofis selber von Lernprozessen ausschließen. Von daher muss ich sagen, ist es besser, dass sie endlich gehen.

Natürlich wird mit den älteren Kollegen auch eine Menge an Erfahrung gehen und der Schule vielleicht auch fehlen. Es bleibt außerdem zu abzuwarten, ob für die ausscheidenden Kollegen brauchbarer jüngerer Nachwuchs kommen wird. Auch wenn derzeit die Ausbildung an Universität und in Studienseminaren vielfach noch weit von zeitgemäßen didaktischen Ansätzen entfernt ist, so lässt sich alles dieses vernachlässigen, wenn die nachrückenden Lehrerinnen und Lehrer zumindest das notwendige Engagement und die Begeisterung mitbringen, um Schule endlich zu verändern und nach vorne zu bringen. Darauf hoffe ich, und ich hoffe wohl nicht alleine.

6 Antworten

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  1. Maik Riecken said, on Januar 13, 2011 at 7:43 am

    Dein Ansatz wird greifen, wenn es sich um ein Generationenproblem handelt. Da bin ich mir nicht so sicher. Ich denke, dass es einmal mehr etwas mit Persönlichkeit zu tun hat. Menschen, die es ein Leben lang gerne so hätten, wie es ist, dürfte es in jedem Geburtsjahrgang geben – vielleicht ist Sicherheit auch eine Art Urbedürfnis des Menschen an sich.
    Viele ehemals moderne Streiter rühmen sich auch ihres Wissens über die Unüberwindlichkeit des Systems Schule – Die Fraktion „Glaub‘ mir, mein Kleiner – diese Flausen hatte ich auch schon im Kopf“. Wenn ich Recht habe, ist der Reformauftrag ein dreifacher:

    1. Persönlichkeitsentwicklung
    2. Lern- und Lehrprozesse
    3. System

    Gruß,

    Maik

    • damianduchamps said, on Januar 13, 2011 at 8:02 am

      Klar Maik, die Verweigerer und Aussitzer die gibt es auch unter jüngeren Kolleginnen und Kollegen. Vielleicht ist es sogar eine Mentalitätsfrage von Lehrern im deutschen Schulsystem schlechthin.
      An meiner Schule ist der Widerstand gegen Veränderungen, die nicht nach rückwärts gerichtet sind, vor allem bei den älteren am deutlichsten. Die Jüngeren halten eher still und entziehen sich Veränderung durch Passivität. Das ist auch nicht gut, schadet Veränderungsprozessen an meiner Schule vermutlich aber weniger als eben die laute Opposition von Mitgliedern der älteren Generation. Deswegen hoffe ich auf den Generationenwechsel (zumindest, was meine Schule angeht).

      • Clemens said, on Januar 13, 2011 at 1:52 pm

        Schöner Text, wirklich, doch die Überschrift gefällt mir ganz und garnicht. In diesem Zusammenhang einen Generationenbegriff zu verwenden, der eine komplette Gruppe über einen Kamm schert, passt nicht zu der Denkweise, die Dein Text vermittel – differenziert, hinterfragend.
        Du kreidest deine Kollegen an, Migranten per se als dumm und faul abzustempeln. Das tust du mit einer gesamten Generation, wenn du schreibst „Wir brauchen einen Generationenwechsel“.
        Es geht, wie schon Maik geschrieben hat, nicht um Generation sondern um eine persönliche Einstellung, ja, um eine Weltanschauung. Und die Anschauung der Personen, die du dort beschreibst, kenne ich bereits von 17-jährigen Schülern.
        Es wird schnell das Wort Generation ausgepackt, manchmal etwas zu schnell! Neugier und Innovationslust braucht das ganze Land, das von Menschen jeder Generation getragen wird.

  2. Julius said, on Januar 13, 2011 at 8:54 am

    Dass ein Generationenwechsel mehr Platz für Neuerungen schafft, da bin ich mir nicht so sicher, denn ein Teil der Lehrerpersönlichkeit wurde ja schon während des eigenen Schulzeit geprägt.

    In der Universität bleiben dann viele moderne Konzepte entweder gänzlich ohne praktisches Beispiel oder die Rahmenbedingungen sind so abstrus, dass man sich fragt, ob man nicht einen Text von Samuel Beckett in der Hand hält.

    Viel schlimmer finde ich allerdings noch: Nicht einmal die Didaktik-, geschweige denn die Fachveranstaltungen orientieren sich an den Maßstäben moderner Wissensvermittlung.

    So verlässt man die Uni mit lauter Wie-soll-ich-das-Umsetzen?-Fragen im Kopf und hofft darauf, dass ein Schulbuchverlag bald ein passendes Arbeitsmaterial herausgibt. Hoffentlich schnell genug, damit man bis dahin keine Scheuklappen hat, die einen die nächsten 35 Jahre den gleichen Unterricht machen lassen.

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